Schlagwort-Archive: Quellenkritik

Trump, das Selenskyj-Protokoll und die Geheimhaltung

Seit Wochen möchte ich hier wieder etwas zum 18. Jahrhundert schreiben, aber dauernd kommen heutige Staatsmänner dazwischen, die auf aktenkundlich relevante Weise Politik machen. Nach Boris Johnson nun also schon wieder Donald Trump. Das Protokoll seines Telefonats mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj ist ein Computerausdruck, dessen Inhalt wenige Ansatzpunkte für die aktenkundliche Analyse bietet – umso mehr jedoch die darauf angebrachten Vermerke über Geheimhaltung und deren Löschung. Denn diese „Einstufung“ ist der Stein des Anstoßes für das jetzt begonnene Amtsenthebungsverfahren.

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Zur Aktenkunde des Wannsee-Protokolls (3)

Nach der Analyse des Überlieferungszusammenhangs und von Heydrichs Einladung nun zum eigentlichen Wannsee-Protokoll. Laden wir noch einmal das Faksimile herunter.

Warum „Protokoll“? Diese Benennung enthält eine Erwartung an den Quellenwert des Dokuments, die die Forschung vor Probleme stellt. Stellen wir also die simple Frage: Was für ein Schriftstück ist das?

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Zur Aktenkunde des Wannsee-Protokolls (2)

Nachdem wir die Position des Protokolls im Aktenvorgang bestimmt haben, können wir die einzelnen Schriftstücke verständig lesen. Trivial, eine Trockenübung? Nicht wenn man bedenkt, dass bis vor kurzem irrige Lesarten der Randbemerkungen auf Heydrichs Einladungsschreiben, um das es in dieser Folge geht, in der Wissenschaft gängig waren. Am Ergebnis der Quellenkritik ändert das nichts, doch gerade bei diesen Dokumenten kommt es darauf an, das Richtige auch richtig herzuleiten. Dazu mahnt die unnötige Angriffsfläche, die Kempners nachempfundene Faksimiles Revisionisten geboten haben.

Die Einladung enthält ein Problem der Geschäftsgangsrekonstruktion, der Königsdisziplin praktischer Aktenkunde. Wir stellen die Frage nach dem „Werden der Entscheidung in den Akten“ (Beck 2000, S. 70). Mit dem im Bundesarchiv erstellten Online-Tutorium der EHRI zur Aktenkunde des Holocausts heran, das auf diesem Blog bereits vorgestellt wurde, haben wir die dafür eine passende Referenz zur Hand. Wir werden aber auch an die Grenzen der Geschäftsgangsrekonstruktion in der „kämpfenden Verwaltung“ des Nationalsozialismus’ stoßen.

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Zur Aktenkunde des Wannsee-Protokolls (1)

Es ist das berüchtigtste Aktenstück der Geschichte. Niemand von klarem Verstand bestreitet seine Echtheit. Aber um seinen genauen Ort in der Geschichte des Völkermords an den europäischen Juden debattiert die seriöse Wissenschaft noch. Andererseits hat die aktenkundliche Untersuchung von Dokumenten des Holocausts im vergangenen Jahr einen mächtigen Schub durch die Online-Tutorien der ERHI erhalten. Wie man sich diesem Stück aktenkundlich nähern kann, möchte ich in einer dreiteiligen Serie demonstrieren. Zur Aktenkunde des Wannsee-Protokolls (1) weiterlesen

Wiener Nachträge II: Eine Zeichnungsordnung und die Grenzen formaler Erkenntnis

Ich fand es wichtig, auf der IÖG-Jahrestagung zu betonen, dass zeitgeschichtliche Akten häufig nicht aus sich selbst heraus verständlich sind. Sie müssen durch Wissen um die Organisation und Arbeitsweise der Institution, bei der sie geführt wurden, zum Sprechen gebracht werden. Die Lektüre verwaltungsinterner Regulative ist Aktenkundlers täglich trocken Brot. Hier ein Beispiel, das zu alt war für die Zeitstellung der Wiener Tagung: Bismarcks Zeichnungsordnung für das preußische Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten von 1862. Sie zeigt auch die Grenzen einer rein formal ausgerichteten Aktenkunde auf.

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