❓ Ist Single Window die "ultimative Lösung" im Unionszollrecht?
Die Idee ist in der Theorie simpel. Der Wirtschaftsbeteiligte soll sich z.B. bei der #Einfuhr von Waren nicht mit ggf. zahlreichen beteiligten Behörden auseinandersetzen müssen, sondern nur mit der Zollbehörde interagieren. Das klingt gut und dürfte funktionieren, wenn bei der Einfuhr keine Unklarheiten bestehen.
❗ Ob Unklarheiten bestehen ist jedoch eine Frage des bestehenden und zu nutzenden Beurteilungsspielraums der beteiligten Zollbehörde. Örtliche Zollämter stoppen die Überlassung von Waren, wenn sie Bedenken hinsichtlich z.B. der Verkehrsfähigkeit von Waren haben. Dann schalten sie die zuständigen Marktüberwachungsbehörden (MÜB) ein... und das Drama für den Wirtschaftsbeteiligten beginnt.
1️⃣ 1. Akt: Die Überlassung wird ausgesetzt und ggf. die Waren sichergestellt bis eine Entscheidung der MÜB vorliegt. Aber welches die zuständige MÜB ist, teilte der Zoll häufig erst auf extrem hartnäckiges Nachfragen mit. Gerne lässt sich der Zoll verleugnen und verweist lediglich darauf, dass er die Angelegenheit an die MÜB übergeben hat und von dort eine Entscheidung erwartet.
2️⃣ 2. Akt: Mühsam hat der Wirtschaftsbeteiligte (oder bereits der Anwalt) die zuständige MÜB ermittelt. Es beginnt ein i.d.R. durchaus konstruktiver Austausch mit der MÜB, bei dem die Eigenschaften der Waren diskutiert wird. Dies setzt allerdings voraus, dass die MÜB auch genau weiß, was sie überhaupt untersuchen soll. Sendet der Zoll jedoch nur eine "Verdachtsmitteilung" an die MÜB, ohne seine Bedenken hinsichtlich der Verkehrsfähigkeit einer Ware konkret zu äußern, lässt die MÜB den Vorgang auch gerne mal liegen und "spielt tote Maus". Dann ziehen die Wochen ins Land, wobei der Wirtschaftsbeteiligte davon ausgeht, dass die MÜB die Waren prüft; macht sie aber nicht. Und der Zoll? Hat i.d.R. keine Motivation nachzufragen.
3️⃣ 3. Akt: Die Kosten für Lager- oder Standgeld drohen aus dem Ruder zu laufen, der Wirtschaftsbeteiligte ist erzürnt. Den Zoll darauf angesprochen, Achselzucken, die MÜB entscheidet ja. Die MÜB darauf angesprochen, allgemeines Erstaunen, man habe noch nicht alle Informationen vom Zoll. Es geht zurück auf Null. Die jeweils andere Behörde sei verantwortlich.
4️⃣ 4. Akt: Dem Mandaten wird empfohlen "Der Hauptmann von Köpenik" zu lesen oder wahlweise "Asterix bei den Ägyptern", Stichwort Passierschein A38.
5️⃣ 5. Akt: Irgendwann ist eine Entscheidung der MÜB da. Zugegeben, manchmal geht es auch durchaus konstruktiv und schnell, also schnell im Sinne von innerhalb von vier Wochen. Ist die Entscheidung der MÜB da, kann endlich das weitere Vorgehen erörtert werden: Entweder Beseitigung der Mängel, sofortige Überlassung oder Wiederausfuhr bzw. Vernichtung.
➡️ Ein Single Window System erfordert zwingend eine Änderung der Einstellung bei den örtlichen Zollbehörden. Denn Single Window funktioniert nur als Dienstleistung mit Eigeninitiative. Andernfalls wäre der Wirtschaftsbeteiligte "lost".