Das Lied wurde in sächsischen Discos, nach AfD-Parteitagen und jetzt im feinen Kampen gesungen. Das macht zwei Dinge deutlich: 1. Rechtsextreme Anknüpfungspunkte sind viel weiterverbreitet, als wir es uns eingestehen. Als gebürtiger Dresdner ärgert es mich immer, wenn sich auf Ostdeutschland-Bashing zurückgezogen wird. Die “Ossi-Quote” auf Sylt ist überschaubar, trotzdem singt eine ganze Bar das Lied. Um das deutlich zu sagen: Rechtsextremismus ist weiter verbreitet in gewissen Teilen des Landes, aber es ist ein gesamtdeutsches Problem. Gerade da, wo er sich unterbewusst und scheinbar humorvoll verbreitet, denn: 2. Rechtsextreme Kommunikation ist anschlussfähiger als je zuvor. Die Zeiten von hasserfüllten Rechtsrock-CDs auf Schulhöfen sind vorbei. Rechtsextreme Kommunikation ist modern (s. TikTok), scheinbar humorvoll und knüpft an Mainstream-Phänomene an. Egal, ob mit markanten Umformulierungen eines Welthits, so wie hier, oder dem Mitmachen bei Social Media-Trends: Rechtsextreme knüpfen an das an, was wir kennen, was gerade erfolgreich ist und nutzen ihre Kommunikationswege zur Perfektion. So schleichen sie sich in den Mainstream. Die Bar-Besucher*innen hätten wahrscheinlich keine rechtsextreme Demo besucht und diese Parolen gerufen. Sie hätten sich vor allem nicht lachend dabei gefilmt. Und eine rechtsextreme Demo mit diesen Teilnehmenden hätte auf Sylt nicht stattgefunden. Aber rechtsextreme “Erfolge” wie dieses Lied schaffen den Schulterschluss. Wichtig: Das soll keine Entschuldigung für die Personen im Video sein! Ich will nur verdeutlichen, wie viel Nährboden es in unserer Gesellschaft für Rechtsextremismus doch gibt und wie perfide Rechtsextremisten diesen mit modernden Mitteln beackern.
Das schaukelt sich natürlich auch gegenseitig hoch. Je mehr eigentlich harmlose Inhalte und Positionen als räääächts, sexistisch, delegitimierend etc. verfehmt werden und je hysterischer das Klima politischer Korrektheit wird, desto mehr lockt das die billigsten pubertären Reflexe von Suffköppen hervor, die nur das richtige Wort oder Lied grölen müssen, um sich als echter Rebell zu fühlen und es einmal im Leben in die tagesschau zu schaffen.
Eine sehr gute Beobachtung. Solche Inhalte werden zum Meme und verbreiten sich in alle möglichen Bereiche. Das wird auch nach der heutigen massiven Aufmerksamkeitswelle passieren. Will nicht wissen, wie viele Typen schon an einem Remix arbeiten.
Kurze Recherche ergibt: Ist nicht das erste mal im Pony Kampen. Und ich nehme den Betreibern ihr öffentliches Statement immer weniger ab 🤷🏼♀️
Dieser Nährboden ist die Unreflektiertheit der schweigenden Mehrheit. Der Blick darauf ist wichtig und wir sollten uns nicht davon ablenken lassen.
Communications Expert
7 MonateIch muss sagen, ich finde die allgemeine „Überraschung“ darüber überraschend. Für viele (mich eingeschlossen) ist Alltagsrassismus schon immer allgegenwärtig, vielleicht bin ich daher weniger überrascht, dass es solche Videos gibt und dass sie sich verbreiten.