Beitrag von Karl-Theodor (KT) zu Guttenberg

Sonntagabend. Ich stehe an der Kasse im Edeka am Hauptbahnhof. Nicht alleine. Viele andere tummeln sich in diesem Widerstandsnest gegen deutsche Ladenschlussromantik. Es gibt attraktivere Optionen, um die Woche ausklingen zu lassen. Geschenkt. Ich war verreist, der Kühlschrank ist gähnend leer. Vor mir ein älteres Pärchen. Und eine Gruppe Jugendlicher. Sie tragen alle das gleiche T-Shirt. Aufschrift: „Für immer Freunde“. Die Freunde wirken allerdings merkwürdig distanziert. Sie unterhalten sich nicht, starrren lediglich auf ihre Handys. In der anderen Hand jeweils ein Six-Pack mit Bierdosen. „Unsere Kinder wissen schon gar nicht mehr, was Freundschaft bedeutet“, sagt der Mann vor mir zu seiner Frau. „An allem sind nur diese grässlichen neuen Technologien schuld.“ „Wieso, wir haben doch auch nur uns.“ Er grummelt etwas Unverständliches. Die Szene erinnert mich an eine Diskussion, die ich kürzlich in den USA hatte. Dort wird mittlerweile von einer „Friendship Recession“ gesprochen. „Freundschaften werden heute idealisiert“, sagte mir ein Soziologe. Er stützte seinen ernüchternden Befund auf aktuelle Studien. Unabhängig von den Auswirkungen der Covid-Pandemie bestätigten sie einen Langzeittrend. Demnach würden Amerikaner erheblich weniger Zeit mit Menschen außerhalb ihrer Familie verbringen als noch vor zehn Jahren. Dies gelte für alle Altersklassen und Einkommensniveaus, für Stadt- wie Landbevölkerung gleichermaßen. „Wir leben in einem Zeitalter der Einzelgänger“, stellte er lakonisch fest. Seit vielen Jahren nehme das Engagement in Vereinen, kirchlichen und anderen Institutionen ab. Freizeit werde zunehmend individualisiert und vom Smartphone diktiert. Nun sind unsere Kulturen nur bedingt miteinander vergleichbar. Aber auch in Ländern Europas kommen Wissenschaftler zu ähnlichen Ergebnissen. Den Österreichern etwa eilt nicht der Ruf mangelnder Geselligkeit voraus. 2005 gaben noch 39 Prozent der Befragten an, regelmäßig etwas mit Freunden zu unternehmen. 2018 (noch vor der Pandemie) waren es lediglich 27 Prozent. Nun könnte man meinen, die Familie diente als Auffangbecken. Stattdessen sank die Zahl derer, die sich regelmäßig mit ihren Nächsten beschäftigten, von 65 auf 46 Prozent (Quelle: Der Standard). Manche Zeitgenossen scheuen sich nicht davor, mit wildfremden Menschen eine Gong-Therapie zu machen. Anderen erscheint es als Zumutung, sich in einem Verein einzubringen. Ja, man mischt sich unter Menschen, aber unter Vermeidung allzu straffer sozialer Verpflichtungen. Die trügerische Kraft der Unverbindlichkeit. Vor dem Edeka wird es pötzlich laut. Die Jugendlichen machen sich an den Bierdosen zu schaffen. Fröhliches Geschnatter und Gejohle. Sie scheren sich nicht um akademische Turnübungen und soziologische Betrachtungen. Einigermaßen versöhnt mache ich mich auf den Weg. Die beiden Sicherheitskräfte, die auf sie zukommen, sehen allerdings nicht so aus, als wollten sie Freundschaft schließen.

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Cornelius Hoffmann

carpe diem – mit Intelligenz kreativ dem Tag begegnen! #it #itsicherheit #administration #apple #linux #netzwerke #virtualisierung #mikrotik

6 Monate

Freundschaften tun einfach gut und die Familie ist das Wertvollste was ein Mensch hat – sicher meine Meinung, aber es ist so einfach wie kompliziert. Eine Familie bleibt ein Leben lang, egal wie groß der Erfolg oder eben auch der Mißerfolg ist, das Familienband reist nie, fängt auf und ist einfach unersetzlich… Gleich danach kommen die Freunde für mich – ich habe nicht viele, aber die die ich habe, würde ich gegen alles verteidigen und egal ob ich gerade Zeit habe oder nicht, wenn Hilfe gebraucht wird, wird sie gegeben. Als es mir schlecht ging, waren es Freunde die mich auffingen, es war die Familie die mir zu essen gab, daß ich heute da stehe wo ich bin, habe ich genau diesen Menschen zu verdanken. Dankbarkeit – dafür daß es Menschen gibt, die sich für mich interessieren, eine tolle Zeit, mit zuviel Essen, vielleicht Alkohol und unglaublich tollen Diskussionen – das ist heute das was ich gerne lebe und anderen Menschen versuche zu zeigen wie schön das sein kann. Gestern kam unsere Tochter zu uns, sie war aufgewühlt. Deswegen habe ich sie einfach in den Arm genommen und Ihr gesagt, sie solle die Zeit mit uns und ihren Lieben (Freund und Kinder) genießen… Danke für den Artikel Karl-Theodor (KT) zu Guttenberg.

Wiebke Sokolowski

Inhaberin HeadHackers I Ex-BCG I Marken-/Innovationsberatung | Boardroom Brander I Member & Node BCG WomenPowerment

6 Monate

In Zeiten, in denen Ferngespräche nichts mehr kosten, sind offensichtlich auch die kostenfreien #Nahgespräche etwas aus der Mode gekommen. Selbst im Business Kontext beginnt das Ghosting, weil viele so überlastet scheinen. Und im privaten Bereich greift die wertereduzierte unerträgliche Leichtigkeit des Seins um sich. Salamischeibchentaktik in menschlichen Beziehungen. Denn ganz „kostenfrei“ sind menschliche Nähe und Wertschätzung eben doch nicht. Sie erfordert Zeit, Zugewandtheit, Hirn, Herz und Rückgrat. Die Pandemie hat da sicherlich einiges beschleunigt. Und die KI dürfte die Sache auch nicht verbessert haben - ein Kontakt-Surrogat ohne Payback-Anspruch. Es lebe das Nahgespräch. Denn hier ist die Gegenbewegung gegen das Verschwinden von menschlicher Nähe ganz klein: Einfach mal die Mundwinkel anheben. 😊

Luca Walter

Keep keepin on ! (Im Stillen pro-aktiv) 🇪🇺 Dies ist ein privater Account, natürlicher Person. Corporate & Asset Management - Investment Solutions (ex CIO) - REAM / REIM specialist (est 1994)

6 Monate

Bitter. Traurig. Die meisten sind mit sich selbst beschäftigt und kaum glücklich, zufrieden? Ich denke nicht mal das. Kaum wird sich Zeit (ein aus der Mode gekommenes Gut) genommen, um Freundschaften zu pflegen. Die Generation Z, da wird schnell beim ersten Treffen das Wort „Bruder“ / „Schwester“ / „mein/e Liebe/r“ rasch aus dem Mund geholt… Es ist nicht leicht in diesen Zeiten „Werte“ zu erhalten. Als Vater 3er volljähriger Kinder sage ich heute, ich war stets bemüht. Der Einfluss der mittelbaren Gesellschaft außerhalb der Familie, tja, da ist man mehr oder weniger „ausgeliefert“… die Hoffnung stirbt zu letzt! Mehr Miteinander, Geneinsamkeiten und Ergänzungen wünsche ich. Wieder aufrichtig zuhören statt mehr Separation der Generationen. Schönen Sonntag aus dem sonnigen München.

Hede Kimme

Geschäftsführerin bei Mindkontor, Consultant, Coach, Speaker, Trainerin, Moderatorin

6 Monate

Gestern hat die Tagesschau Daten des statistischen Bundesamtes veröffentlich. Demnach gibt jede sechste Person ab 10 Jahren an, sich oft einsam zu fühlen. Das sind etwa 12 Millionen Menschen in Deutschland. Ganz schön viel dachte ich so… Ich merke das in meiner Arbeit mit Menschen und meinem Umfeld durchaus auch. Übrigens völlig unabhängig von Lebenssituationen. Eine Freundin von mir sagte, dass sie oft mitten in ihrer Familie sitzt und sich total einsam fühlt. Für mich sind meine Freundschaften meine Kraftquelle und ich hege und pflege sie sehr. Ohne Menschen, mit denen ich mich eng verbunden fühle, wäre ich ganz schön verloren in dieser Welt…

Lieber KTG. Ihr Post lädt ein sich einzufühlen. Söndagsöppet hieß das früher in Schweden. Ein Supermarkt hatte da immer auf bis spät nachts. Sozialwissenschaftliche Statistiken sind mit Vorsicht zu genießen. Denn sofern keine globalen Krisen unser Sozialverhalten einschränken, wird das private Erleben doch sehr stark vom persönlichen Narrativ geprägt. Dale Carnegie war für mich während des Studiums ein Meilenstein meine Beziehungen achtsamer zu gestalten. Die Pandemie zwang sogar, meine über Jahre gepflegten Distanzbeziehungen als Mentor, Coach und Unternehmer aufzugeben, da ich mit Firma, Haus und Vermögen, alles verlor, was Distanz ermöglicht. Wenn man alles verliert, ist aufrichtige, innige Freundschaft alles, was bleibt. Mich hat die Pandemie zu einem sensibleren, achtsameren Menschen gemacht, zu einem echten Menschenfreund auch mir selbst gegenüber.

Sabine Felderhoff

Markenkommunikation, Brandfotografin, Podcasterin bei Kunst Werte

6 Monate

Bei uns älteren sehe ich noch viele gemeinsame Unternehmungen. Das hat allerdings auch mit dem zur Verfügung stehenden Budget zu tun. Sehr viele Menschen können und wollen ihre Freunde nicht nach Hause einladen zu einem gemeinsamen Frühstück oder Kaffeetrinken oder mit ihnen ins Theater, Kino oder auf eine gemeinsame Radtour, geschweige denn Städtetour gehen. Alles Ideen und Aktionen, die bei uns normal sind und unbedingt dazu gehören sind für andere undenkbar. Natürlich muss Freundschaft nichts kosten, aber so ganz ohne das liebe Geld bleiben wenig Möglichkeiten, sich im Freundeskreis angemessen mitzubewegen. Man will ja nicht die Einbahnstraße sein, weil man selbst nie einlädt. Und das kann sehr unterschiedliche Gründe haben wie Lage und Größe des Wohnortes, wie wurden wir geprägt Freundschaften zu pflegen, sind wir offen für andere Ideen und Meinungen und trauen sich Menschen aus ihrer „Buddy-Blase“ auch mal heraus? Die Kinder hier im Ort lernen schon von klein auf, unter sich zu bleiben, gleiche Schule, gleiche Klamotten, gleicher Verein. Social Media schränkt beschränkt ihre Wahrnehmung äußerer Begebenheiten extrem ein. Dann freut es mich, wenn sie sich treffen um einfach in die Sterne zu schauen, frei von Zwängen.

Lieber Karl-Theodor (KT) zu Guttenberg, wollen Sie nicht vielleicht doch Ihrer Schwester-Partei spontan helfen 👀? Die hat keine Social-Media Abteilung anscheinend. Und anscheinend auch keine Ahnung von Online-Umfragen und auch nicht vom Datenschutz (soweit man es als Laie gerade so überblickt). Jede Ihrer (zum Schluss schwierigen) Kommunikationen war meilenweit besser und empathischer und menschlicher als das aktuelle Vorgehen der CDU Deutschlands bei der Umfrage. Friedrich Merz hat da irgendwas gestoppt und Julia Klöckner irgendwas gepostet aber irgendwie waren alle glaube ich überfordert und schlecht beraten und wissen jetzt nicht so ganz wie Sie da herauskommen. Ich finde Sie haben eine zweite Chance mehr als verdient. Sie haben (vermutlich) einen oder mehrere sinnbefreite und kaum nachvollziehbare Fehler bei Ihrer Diss gemacht. Keine Ahnung warum und wofür. Sie hätten es sicher auf verschiedenen Ebenen nicht nötig gehabt. Es liegt aber mittlerweile soooooo lange zurück. Es war nur eine Diss und vielleicht stand ja trotzdem sogar auch was richtig gutes eigenes innovatives drin - ich kann das leider überhaupt nicht bewerten. Sie haben dafür mehr „Schläge“ einstecken müssen als ich es für ansatzweise angemessen …

Dirk Nitschke

Brand & Communication Strategies / Transformation Strategy

6 Monate

Es scheint, eine als „deutsch“ geltende Mentalität wurde durch die Pandemie, Digitalisierung und Virtualisierung noch verstärkt. Unter gesellig verstand man in Deutschland in erster Linie den Gleichschritt, dann das Bierzelt oder die Vereinsmeierei in Gartenkolonien, beim Taubenzüchten oder Kegeln. Eine verordnete oder eingerahmte Geselligkeit mit Anfangs- und Endpunkt. Die herzliche Wärme, der gemeinsame Feierabend auf dem Marktplatz, der Sonnenuntergang am Strand, die offene Wohnungstür für spontane Gäste wurden eher für mediterran gehalten. Es liegt nun an jedem einzelnen selbst, wie er sich in diesen Zeiten öffnet, in Kontakt bleibt, Konflikte bespricht und Freundschaften pflegt.

Brigitte Ulrich

Anders als andere erweckt außergewöhnliche Aufmerksamkeit Führungskraft + Mentorin I Digitale Transformation

6 Monate

Lieber Karl-Theodor (KT) zu Guttenberg ob nun die deutsche Ladenschlussromatik beibehalten werden sollte kann ich nicht beurteilen. Unser Kühlschrank hat für spontane Besuche von Freunden für „Nahgespräche“ immer etwas drin. Freundschaften können nicht zu sehr idealisiert werden. Am Ende sind es immer die #Beziehungen zwischen Menschen, die dem Leben Wert geben. Freundschaften/Freunde geben #Halt, #Mut, korrigieren, streuen vielleicht mal Salz auf eine Wunde, haben aber auch gleich ein ehrliches und liebevolles #Pflaster zur Hand. Freundschaften, die schon lange währen. Wenn Not ist, dann erkenne ich wahre Freunde. Als am Mittwoch vergangene Woche meine Mama starb, waren (und sind) Freunde da und lassen gleichzeitig den nötigen Raum.. Es sind die Beziehungen zu den Menschen, die dem Leben seinen Wert geben. Danke für Deinen emotionalen Post.

(1/2) Ich gehe mit den allgemeinen Betrachtungen hier soweit mit. Die singuläre Betrachtung des Smartphones als ursächlicher Urheber sozialer Verrohung, Abschottung und Individualismus ist mir an dieser Stelle, in zugegebener Unkenntnis der angesprochenen Studien, jedoch noch zu kurz gegriffen. Ich würde weiter gehen und ferner das Internet, unseren gesellschaftlich-menschlichen Umgang im Allgemeinen sowie die Systeme und Mechanismen unseres Wirtschaftens als gleichberechtigte Mittäter hinzu zählen. Anfänge des Internets und Messaging-Dienste: Menschen gehen den distanzierten Weg des Kontaktaufbaus. Man wähnt sich in vermeintlicher Sicherheit, jemanden erst einmal via Chat, später vielleicht via Voice, (besser) kennen zu lernen. Nicht ahnend, dass ihnen über die Zeit gewisse Teile persönlicher Interaktionsfähigkeit abhanden kommen werden. Gesellschaftlicher Umgang: Warum brauchen Menschen dieses Sicherheitsgefühl, was ihnen das Internet als Kontaktmedium beschert? Sie tragen augenscheinlich verletzte Facetten bei sich, entweder durch Traumata der Kindheit, familiäre Verhältnisse und Beziehungen usw. Diese werden in unserer Gesellschaft aber lieber unter den Teppich gekehrt und bei Offenlegung gar mit Schwäche gleichgesetzt.

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