Beitrag von Silvan Brun

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Gründer und CEO @ evoo ag | Olive Oil Critic

"[..] ein Vergnügen. Mit kaltgepresstem Olivenöl aus Ligurien [..]" So steht's im neuen GaultMillau 2025. Auf die Gefahr hin, dass ich jemandem zu nahe trete, stelle ich folgende Frage: GaultMillau, wie viel Deutungshoheit wollen wir diesem dicken Telefonbuch mit seinem Online-Kanal beimessen? Denn, GaultMillau respektive viel mehr die Testesser in dessen Diensten bewerten ein für sie aufgetragenes Gericht in Bezug auf die Qualität (und vielleicht auch in Bezug auf das Erlebnis), offensichtlich ohne sich dabei im Klaren darüber zu sein, wie gut die Zutaten, die für das zu bewertende Gericht zusammengefunden haben, tatsächlich sind. Und zwar jede einzelne Zutat. Denn, Butter ist nicht gleich Butter. Und ein Ribeye-Steak ist nicht gleich ein Ribeye-Steak. Ein Beispiel, das diesen Sachverhalt zweifelsohne darstellt, ist die Rezension eines mit 16 Punkten geadelten Restaurants. Der Gast erhält ein mit "kaltgepresstem Olivenöl aus Ligurien" angereichertes Gericht. Der GaultMillau-Testesser findet das ein Vergnügen. Der besagte Betrieb müsste demnach eines der äusserst raren wirklich guten ligurischen Olivenöle in der Küche einsetzen. Diese Öle sind allerdings sehr teuer. Als ich diesen 16-Punkte-Betrieb zuletzt besucht hatte, war das gereichte ligurische Olivenöl allerdings von grauenhafter Qualität. Ich schreibe das nicht, weil ich keine Sympathie für diese Art Olivenöl aufbringen kann - was wahr ist, sondern weil das Produkt nach nüchterner, emotionsloser Faktenbeurteilung von schlechter Qualität war. Keine Fruchtigkeit, intensive Fehlnoten. Das meiste Olivenöl, das in Ligurien gewonnen wird, ist übrigens von unzureichender Qualität. Und, auch das meiste Olivenöl, das in Ligurien abgefüllt wird, lässt aus qualitativer Sicht zu wünschen übrig. Oft kommt es aus dem Maghreb, wie es in Ligurien eine beschämende Tradition ist. Oder es stammt aus überreifen, gammligen Oliven aus Liguriens terrassierten Hainen, die zu einem Olivenmost verarbeitet werden. Die Flaschen kommen nicht selten in Alufolie oder Kraftpapier eingerollt daher. Auch das hat Tradition. Weil das in früher Zeit aus dem Maghreb importierte Öl in den in Ligurien abgefüllten Klarglasflaschen keinen appetitlichen Eindruck machte, wickelte man einfach ein Papier ums Glas und fertig war die Überraschung. Und weil in der GaultMillau-Rezension "katlgepresst" steht, muss ich festhalten, dass nur noch wenige Öle mittels Pressung gewonnen werden. Und die Öle, die eben durch dieses alte Verfahren erzeugt werden, sind ausnahmslos scheisse. Es gibt sodann ligurische Mühlen, die noch pressen. Und hier ist es dann auch, wo schlechte, fermentierte und schimmlige Oliven auf eine schlechte Mühle treffen - oder wo aus Scheisse eben Mist wird. Das alles weiss der GaultMillau-Tester vermutlich nicht. Warum soll er denn auch? Punkte gibt es schliesslich nur für das vollendete Gericht - und da spielen die dafür verwendeten Zutaten nun mal wirklich keine Rolle.

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Manuel Santana

Gutes Essen erschafft ein besseres Leben

2 Monate

Lieber Silvan spannender Punkt! Die Frage ist: Was bewertet man als Profi? Wieviel Produkte-Know how braucht man um zu testen?

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