Beitrag von Ulrich Commerçon

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Fraktionsvorsitzender

72 Milliarden Stunden: Waschen. Putzen. Kochen. Die eigene Mutter pflegen. Familienfeste planen. 72 Milliarden Stunden Care-Arbeit leisten Frauen jedes Jahr – allein in Deutschland, so zumindest eine neue Studie von Prognos. Was für eine unfassbar hohe Zahl! Dabei gibt es Berechnungen, die allein den volkswirtschaftlichen Wert der geleisteten Care-Arbeit in den Bereichen Altenpflege und Kinderbetreuung auf 1,2 Billionen Euro schätzen – davon 826 Milliarden Euro, die durch die Arbeit von Frauen erbracht werden. Wie kann das sein? Wenn ich mich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis umhöre, teilen sich Männer und Frauen die Care-Arbeit. Beide kümmern sich nach eigener Einschätzung zunehmend gleichgewichtig um Haushalt, Job, Kinderbetreuung, Angehörigenpflege. Aber die Realität sieht ganz anders aus. Und das hat für die Frauen viele Nachteile: für ihre Karrierechancen, für das Einkommen, für die Rente. Wenn es schon für Frauen in Partnerschaften eine Mammutaufgabe ist, wie sieht es dann für Alleinerziehende aus. Diese Woche wurde beispielsweise das Kind einer Mitarbeiterin krank: grippaler Infekt. Natürlich musste sie in der Zeit zuhause bleiben, um sich um ihr krankes Kind zu kümmern. Dann kam es aber, wie es kommen musste: Sie hat sich angesteckt und wurde selbst krank. Trotz 40 Grad Fieber musste sie ihr Kind versorgen, den Haushalt organisieren und Essen kochen. Ich bin ehrlich: Ich weiß nicht, ob und wie ich das geschafft hätte. Und deshalb macht es mich umso wütender, dass auch heute noch so viele Menschen all die Arbeit als „das bisschen Haushalt“ abtun. Es würde uns allen – insbesondere unbs Männern – gut zu Gesicht stehen, wenn wir „das bisschen Haushalt“ als das anerkennen würden, was es ist: ein beinharter Knochenjob. Ein Job, von dem es niemals Urlaub gibt, der nicht um 17:00 Uhr endet und an den man auch nicht einfach keinen Gedanken mehr verschwenden muss, wenn man die Bürotür hinter sich zugezogen hat. Umso schändlicher ist es, dass immer mehr Rechte und Rechtskonservative von der „natürlichen Rolle der Frau“ faseln und zum traditionellen Rollenbild zurückwollen: Frauen sollen den Mann bekochen, sich um die Erziehung der Kinder und die Pflege der Eltern kümmern und den Mann jeden Tag anhimmeln. „Trad-Wifes“, also traditionelle Hausfrauen, nennen sie sie. Die Männer hingegen bezeichnen sich selbst oft als „Alpha-Männer“. Gerade AfD-Politiker:innen fordern dieses Rollenbild von Frauen und preisen es als ideales Gesellschaftsmodell an. Sie fordern ganz explizit, dass Frauen mehr Kinder gebären und zu ihrer Rolle als „Vollzeit-Hausfrauen“ zurückfinden. In die gleiche Kerbe schlägt übrigens auch Wladimir Putin. In seiner Rede zur Lage der Nation hat er russische Frauen dazu aufgefordert, gefälligst wieder mehr Kinder zu bekommen und nicht erst Karriere zu machen. Ich finde das alles ziemlich erschreckend. Das bereitet mir große Sorgen. Eine solche Zukunft will ich nicht. Nicht für meine Tochter. Und nicht für meinen Sohn.

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Petra Nabinger

Autorin / Referentin CCO / Stellvertretende Compliance Beauftragte WpHG / Speakerin Chancengerechtigkeit

9 Monate

Ich finde das auch alles ziemlich erschreckend, lieber Ulrich Commerçon. Es bestärkt mich darin, mich unaufhörlich weiter für #Chancengerechtigkeit zu engagieren. 🚀🚀🚀

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