Öffentliche Auftraggeber dürfen kein HOAI-Honorar vereinbaren!
Warum das öffentliche Preisrecht der Vereinbarung eines HOAI-Berechnungshonorars nicht entgegensteht
😲 Es hat sich zum Glück nicht verbreitet wie ein Lauffeuer, aber die Behauptung barg durchaus Sprengstoff: Die bis heute gültige Verordnung PR Nr 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen (PrVO 30/53) verbiete es öffentlichen Auftraggebern, mit Architekten oder Ingenieuren ein Berechnungshonorar nach der HOAI 2021 zu vereinbaren. So steht es in einem Online-Kurzaufsatz in der IBR 2022, 1021.
❓ Was ist der Hintergrund dieser Behauptung?
Nun, die PrVO 30/53 regelt bis heute verbindlich Höchstpreise für die Beschaffung von Leistungen durch die öffentliche Hand. Ausgenommen sind Bauleistungen, da die entsprechende "Verordnung PR Nr. 1/72 über die Preise für Bauleistungen bei öffentlichen oder mit öffentlichen Mitteln finanzierten Aufträgen" inzwischen außer Kraft getreten ist. Planungsleistungen fallen aber unstreitig unter die PrVO 30/53.
Soweit es die Verhältnisse des Auftrags ermöglichen, sind gem. § 1 Abs. 2 PrVO 30/53 feste Preise zu vereinbaren. Die Preise sollen bei Abschluss des Vertrags festgelegt werden.
Bei Vereinbarung eines Berechnungshonorars nach der HOAI 2021 sei nicht von einem festen Preis in diesem Sinne auszugehen, da sich die endgültige Honorarermittlung gem. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 HOAI 2021 nach den anrechenbaren Kosten auf der Grundlage der Kostenberechnung richtet, die als Grundleistung der Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung) erst deutlich nach Vertragsschluss erstellt wird.
Allerdings regele § 3 PrVO 30/53 den Vorrang allgemeiner und besonderer Preisvorschriften. Dies sei bis zur Fassung 2013 die verbindliche HOAI, nicht aber die inzwischen nur noch Orientierungswerte aufweisende HOAI 2021.
🧨 Und was wären die Folgen?
Würde diese Auffassung zutreffen, könnten "Tatbeteiligte" (also die Vertreter der öffentlichen Hand, ggf. auch die Planenden) straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlich verfolgt werden. Realistischer und von den Gerichten zum Teil in anderen Fällen angenommen wäre aber die zivilrechtliche Nichtigkeit des Architekten oder Ingenieurvertrags. Da die öffentliche Hand seit Inkrafttreten der HOAI 2021 zum 01.01.2021 überwiegend weiterhin Berechnungshonorare abfragt und vereinbart, wären tausende Verträge hiervon betroffen.
Tatsächlich haben sich einzelne öffentliche Auftraggeber aufgrund dieses Kurzaufsatzes in der Praxis auch verpflichtet gefühlt, bei der Vergabe von Planungsleistungen Pauschalhonorare abzufragen.
Empfohlen von LinkedIn
🤷🏻 Und warum ist das ein Mythos?
Mich hat diese Auffassung von Anfang an nicht überzeugt. Aber ich bin auch kein ausgewiesener Experte der PrVO 30/53. Ein solcher hat sich jetzt aber mit den Thesen des Kurzaufsatzes beschäftigt:
Müller NZBau 2024, 251 (Heft 05/2024)
Seine ausführlich begründeten Kernaussagen sind:
1️⃣ Feste Preise sind beide Vertragsparteien bindende Vertragsregelungen hinsichtlich des Preises, die einseitig nicht abgeändert werden können. Ausreichend ist die Bestimmbarkeit des Preises, nicht dessen bezifferte Festlegung.
2️⃣ Selbst wenn man die HOAI 2021 bei ihrer "freiwilligen" Vereinbarung nicht als besonderes Preisrecht iSv. § 3 PrVO 30/53 ansehen möchte, verstößt das vereinbarte Berechnungshonorar nicht gegen § 4 PrVO 30/53.
🚀Und was ist das Fazit?
Auch öffentliche Auftraggeber dürfen nach Inkrafttreten der nur noch Orientierungswerte aufweisenden HOAI 2021 weiterhin Berechnungshonorare nach § 6 HOAI vereinbaren.
In den meisten Fällen dürfte das auch die wirtschaftlichste Variante sein, da die genaue Aufgabenstellung und damit der Aufwand des Planers bei Vertragsschluss oftmals nicht feststeht und sich erst bis zur Entwurfsplanung konkretisiert. Über die variablen anrechenbaren Kosten passt sich das Honorar dann "automatisch" an die konkret verfolgte Planung an.
Pauschalhonorare führen indes regelmäßig entweder zu Risikozuschlägen oder zu nachträglich Mehrhonorarforderungen.
Honorarcoach für Bauherren und Planer (Architekten, Ingenieure) im Bauwesen
7 MonateSo richtig ich die Kernaussage finde, steckt doch in einem Nebensatz ein Aspekt, der so nicht zutreffen sollte: die genaue Aufgaben-/Zielstellung MUSS bei Auftragserteilung bekannt sein. Nur der Weg zur Lösung der Aufgabe (=Planung) und damit auch der Aufwand für die Planung (und letztlich das angemessene Honorar dafür) sind zu Beginn noch nicht bekannt. Die fehlende Unterscheidung dieser beiden Begriffe (Aufgabenstellung und Planungslösung) und ihrer Bedeutungen ist Mitursache für viele Mißverständnisse und Streitereien bei Planungsprojekten.