#23: Zahlungsindikator - Die Zeichen stehen auf Krise
Auf den ersten Blick scheinen es gute Nachrichten zu sein. Der Zahlungsverzug bei Unternehmen in Deutschland ist im ersten Halbjahr 2024 gesunken. Bei näherer Betrachtung des Creditreform Zahlungsindikators aber wird klar: Es handelt sich dabei nur um den Nebeneffekt einer Krisenmaßnahme.
Pünktlich beglichene Rechnungen sind großartig. Der Kunde, der bezahlt hat, muss sich nicht mehr um die Rechnung kümmern und investiert in ein gutes Verhältnis mit seinem Lieferanten. Der wiederum erhält die Mittel, um seinerseits Forderungen zu begleichen und muss sich keine Gedanken über Mahnungen machen. Es könnten sich also alle darüber freuen, wenn es heißt, der Zahlungsverzug bei den Unternehmen in Deutschland ist gesunken? Und das sogar deutlich. Von 10,77 auf 8,80 Tage. Damit mussten Debitoren im Jahr 2024 bisher knapp zwei Tage weniger auf ihr Geld warten als noch im Vorjahr.
Doch der Schein trügt. Beim gesunkenen Zahlungsverzug handelt es sich lediglich um den positiven Nebeneffekt einer negativen Entwicklung. Der Grund für die scheinbar bessere Zahlungsmoral sind längere Zahlungsfristen: Sie wurden über alle Branchen hinweg angehoben. Insgesamt erhöhte sich das durchschnittliche Zahlungsziel auf 31,37 Tage (1. Halbjahr 2023: 29,93 Tage).
„Während der Corona-Krise hatten Lieferanten und Kreditgeber ihre Zahlungsziele zunächst drastisch verkürzt, um schnell an Liquidität zu gelangen“, erklärt Patrik-Ludwig Hantzsch , Leiter der #Creditreform #Wirtschaftsforschung, den Effekt. Mittlerweile stünde jedoch die Vermeidung von Zahlungsausfällen ganz oben auf der Agenda. Die Entwicklung sei deshalb als Krisenindikator zu sehen. „Viele Unternehmen glauben nicht an eine rasche wirtschaftliche Erholung. Um Zahlungsausfällen vorzubeugen, räumen sie ihren Kunden wieder großzügigere Zahlungsziele ein.“
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Wie schlecht die Stimmung bei den Unternehmenslenkern ist, zeigte jüngst auch die Umfrage der Creditreform Wirtschaftsforschung „Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand, Frühjahr 2024“, bei der das Geschäftsklima nur noch einen Weg kannte – den nach unten. Auch Finanzexperten geben keine Entwarnung. Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland, für die monatlich etwa 300 Fachleute befragt werden, verschlechtern sich in der Umfrage vom August 2024 deutlich. Sie sanken um 3,4 Punkten auf 19,2 Punkte und verzeichnen damit den stärksten Rückgang seit zwei Jahren.
Und die Vermeidung von Zahlungsausfällen? Ist dieses Problem wenigstens mit längeren Zahlungszielen behoben? Leider nein. Trotz längerer Fristen gelingt es Kunden im B2B immer häufiger nicht, ihre Rechnungen pünktlich zu bezahlen. Lieferanten und Kreditgeber verzeichneten mehr überfällige Forderungen. Neben diesem Verpuffen der Krisenmaßnahme birgt das Anheben der Zahlungsziele ein weiteres Risiko: „Eigene Außenstände könnten möglicherweise nicht mehr beglichen werden, was zu weiteren Zahlungsausfällen führt“, warnt Hantzsch.
Auch das Plus bei den ausstehenden Forderungen gibt zu Denken. Der zu verzeichnende Anstieg auf 23.600 Euro je Schuldner – das sind rund 1.700 Euro mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres – belasten Kreditgeber und Lieferanten. Insolvenzen und Zahlungsausfälle nehmen zu. Der Höhepunkt dieser krisenhaften Veränderungen im Zahlungsverhalten sei vermutlich noch nicht erreicht, sagt Hantzsch: „Eine weitere Verschlechterung ist zu erwarten.“ Es wird wohl also noch eine Weile dauern, bis sich die Unternehmen in Deutschland über echte gute Nachrichten freuen können.