#3 Coaches Talk - Robin Trabert U-19 Cheftrainer Kickers Offenbach
Für Robin Trabert ist seine vierte Junioren Bundesliga Saison als Cheftrainer eine ganz besondere: Durch die Covid-19 Pandemie erlebt er gerade zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres, was passiert, wenn bei Jugendspielern über einen längeren Zeitraum das Training und Pflichtspiele ausfallen. In seinem Interview mit Talento Today erzählt er unter anderem, wie er mit der momentanen Situation umgeht, wie die Pause die Spielerentwicklung beeinträchtig und macht deutlich, worauf es bei einer guten Jugendarbeit ankommt:
TT: Du befindest dich momentan in deiner vierten Junioren Bundesliga Saison als Cheftrainer. Hat sich in der Zwischenzeit sowas wie eine persönliche Lieblingsformation bei dir entwickelt?
RT: Meine Lieblingssysteme sind das 4-3-3 und das 3-5-2. Warum? Weil wir in der Regel immer drei zentrale Mittelfeldspieler auf dem Platz haben, um ein effektives Vertikalspiel aufzuziehen. Unser Ziel ist es, durch möglichst flache Pässe in das letzte Drittel des Gegners zu kommen. Auf der anderen Seite machen wir so auch das Zentrum gut zu und können den Gegner hoch anlaufen.
Ohne Risiko kann man keinen attraktiven Fußball spielen. Das sieht man sogar beim FC Bayern, der momentan in Europa das Maß aller Dinge ist. Selbst sie fangen sich auch hin und wieder 3 Gegentore.
TT: Ist das nicht gefährlich ? Bei hohem Pressing kann man schon mal richtig ins Messer laufen, wenn es der Gegner gut ausspielt.
RT: Das ist natürlich richtig. Aber wir haben die Ambition Spieler zu entwickeln und das geht nur, wenn man attraktiven Fußball spielt. Klar, dieses System birgt die Gefahr, dass man auch mal etwas höher verliert aber dieser Lernprozess gehört zur Entwicklung eines Jugendspielers einfach dazu. Ohne Risiko kann man keinen attraktiven Fußball spielen. Das sieht man sogar beim FC Bayern, der momentan in Europa das Maß aller Dinge ist. Sie haben vergangenes Wochenende auch aufgrund ihrer risikoreichen Spielweise 3 Gegentore gegen RB Leipzig kassiert.
TT: Wie geht ihr aktuell mit dem zweiten Lockdown um?
RT: Wir fokussieren uns auf das Positive! Im Gegensatz zum ersten Lockdown, ist für uns das Mannschaftstraining momentan zumindest noch erlaubt. Im März mussten wir da schon kreativ werden aber unser Athletiktrainer Madunna Chidi hat damals einen hervorragenden Job gemacht. Nichts desto Trotz, wollen die Jungs und ich auch wieder voll im Wettbewerb stehen und gegen andere Teams spielen. Aber in diesem Fall, geht die Gesundheit natürlich vor. Wenn wir so einen positiven Beitrag zur Gesamtsituation leisten können, sind wir da gerne solidarisch!
Der erste Lockdown hat die 2001-er hart getroffen. Es war für sie enorm schwer, nach der U-19 einen Verein zu finden. Wie soll auch ein Jugendspieler auf sich aufmerksam machen, wenn er in den letzten zwei Monaten seiner Jugendlaufbahn nicht gespielt hat?
TT: Welche Auswirkungen werden die Unterbrechungen auf die Spielerentwicklung haben?
RT: Ich muss sagen, dass der erste Lockdown im März die 2001-er sehr hart getroffen hat. Es war für sie enorm schwer nach der U-19 Anschluss zu finden. Wie kann ein Spieler, einen Verein auf sich aufmerksam machen, wenn die letzten zwei Monate seiner Jugendlaufbahn nicht gespielt wurde? Das gleiche scheint jetzt bei den 2002-ern zu passieren. Je nachdem wie lange der zweite Lockdown dauern wird und momentan ist ja kein Ende in Sicht, kann das auch negative Konsequenzen für die Entwicklung der Jungs haben. Ich habe aber die Hoffnung, dass wir bald wieder auf dem Platz stehen können und dass die Jungs dann das Frühjahr voll nutzen!
TT: Ihr seid kurz vor der Corona Pause richtig in Fahrt gekommen und habt Augsburg mit 5:2 geschlagen. Ist das dann besonders ärgerlich? Die gute Stimmung hättet ihr ja gerne mitgenommen oder?
RT: Dieser Sieg war enorm wichtig für unser Selbstbewusstsein. Ich war sehr froh, dass sich die Jungs für ihre harte Arbeit belohnen konnten. Klar, wir hätten sehr gerne den Schwung mitgenommen und uns mit dem VfB Stuttgart gemessen aber an der Situation können wir nichts ändern. Ich bin ehrlicherweise auch sehr froh, dass wir mit so einem guten Ergebnis in die Pause gehen konnten. Nun herrscht in der Vorbereitung auf das nächste Spiel eine positive Grundstimmung!
TT: Eine gute Jugendarbeit war schon immer enorm wichtig. Durch Corona hat sich aber, so denke ich die Nachfrage nach jungen, im eigenen Verein ausgebildeten Talenten noch verstärkt. Wie siehst du das?
RT: Das ist absolut richtig. Da sind wir im Verein auch sehr froh, dass wir eine enorm hohe Durchlässigkeit haben. Aktuell haben wir mit Sicherheit 5 oder 6 Spieler, die das Zeug haben, in der Regionalliga zu spielen. Das ist auch kein Selbstläufer. Wer denkt, dass jeder Spieler in der U-19 Bundesliga das Zeug hat, so hoch im aktiven Bereich zu spielen, liegt falsch. Einige der Jungs finden sich in der Verbands-oder Oberliga wieder, weil der Sprung in den aktiven Bereich unglaublich schwer ist. Regelmäßige Erfolgsgeschichten sind aber auch ein großer Vorteil für uns, weil wir so natürlich auch talentierte Spieler von uns überzeugen können. Man kann ihnen eine Perspektive aufzeigen, die bis in die Regionalliga führt. Für viele ist das ein attraktives Ziel.
TT: Du hast neben deiner Trainertätigkeit einen Bachelor Abschluss gemacht und bist gerade im Master Studium. Würdest du auch deinen Spielern raten, zu studieren neben dem Fußball?
RT: Absolut. Ich bin auch froh zu sehen, dass es ein paar gibt, die mit dem Studium anfangen. Es klingt zwar wie eine abgedroschene Phrase aber der Fußball ist wirklich schnelllebig und es ist immer gut ein zweites Standbein zu haben. Auch unabhängig davon finde ich, dass man sich im Leben immer weiterbilden und den Horizont erweitern sollte.
TT: Was sagst du dazu, wenn Eltern versuchen ihr Kind so schnell wie möglich in ein NLZ zu bringen? Was ist das beste Alter deiner Meinung nach?
RT: Das kommt ganz darauf an. Es gibt natürlich richtige Erfolgsgesichten, die in der U-8 starten und wirklich durch alle Jugendmannschaften durchkommen. Ein Beispiel dafür ist Nelson Weiper der jetzt mit gerade ein mal 15 Jahren Stammspieler und ein richtiger Torjäger bei der U-17 von Mainz 05 ist. Ihn habe ich damals während meiner Mainzer Zeit schon in der U-8 trainiert. Für ihn war es also mit Sicherheit die richtige Entscheidung, für andere Kinder ist aber zu früh. Die Intensität und der Aufwand sind einfach sehr hoch. Meiner Meinung nach, muss diese Medaille von zwei Seiten betrachtet werden. Einerseits ist es positiv, weil das Training im NLZ qualitativ hochwertiger ist als im Amateurverein. Auf der anderen Seite gibt es aber auch bei NLZs Optimierungsbedarf. Man kann schon beobachten, dass es für viele Jungs schwer ist, die Motivation hochzuhalten. Wenn man schon mit 8 Jahren gegen den AC Mailand, AS Rom oder Arsenal London spielt, kann man sich in der U-14 vielleicht nicht mehr so sehr begeistern, wenn es dann gegen einen Regionalligisten geht.
TT: Kann man eigentlich als ausgebildeter Trainer ein Fußballspiel im TV ohne Trainerbrille anschauen. Oder ist es eine Berufskrankheit, dass man automatisch alles analysiert und auch kommentiert?
RT: (lacht) Also die Konferenz kann ich mir noch als Fan anschauen. Handelt es sich jedoch um ein Einzelspiel, kann ich den Trainermodus nicht ausschalten. Gerade bei der WM 2018 habe ich mir viel notiert, auch oft Szenen rausgeschnitten und meinen Spielern gezeigt. Gerade deshalb schaue ich auch sehr viel Fußball in meiner Freizeit. Manche Inhalte kann man den Spielern noch besser transportieren, wenn sie sehen, dass es die Besten in der Praxis auch genau so umsetzen.
TT: Ich habe in den letzten anderthalb Jahren quasi jedes Wochenende 1-2 Spiele der U-19 oder U-17 Bundesliga gesehen. Mein persönlicher Eindruck ist, dass alle Spieler stets top motiviert sind, es gibt keine Streitereien mit dem Trainer oder lustloses Auftreten. Täuscht dieser Eindruck oder haben die Spieler wirklich verinnerlicht, was es bedeutet in der Junioren Bundesliga zu spielen?
RT: Ich glaube schon, dass alle Jungs, die auf diesem Level spielen, ein überdurchschnittliches Maß an intrinsischer Motivation haben. In der Spitze gibt es jedoch Unterschiede, die die Spreu vom Weizen trennt. Es gibt Beispielsweise Spieler, die du als Trainer dann doch öfters nochmal motivieren musst, mehr zu tun. Auf der anderen Seite gibt es Jungs die so sehr für den Sport brennen, dass sie sogar über eine Trainingsniederlage nicht so leicht hinweg kommen. Das sind aber meiner Erfahrung nach genau die Spieler, die den Sprung in den professionellen Fußball schaffen können. Joshua Kimmich ist da ein Paradebeispiel.
Wir bedanken uns bei Robin für diese spannenden Einblicke und hoffen, dass die seine Mannschaft nach der Corona Pause genau da weitermacht, wo sie vor der Pause aufgehört hat!