4 Fragen zur neurologischen Reha bei Chronischem Fatigue-Syndrom an Dr. med. Oliver Meier
Dr. med. Oliver Meier ©Passauer Wolf/berli berlinski

4 Fragen zur neurologischen Reha bei Chronischem Fatigue-Syndrom an Dr. med. Oliver Meier

Um nach einem anstrengenden Arbeitstag neue Kräfte zu schöpfen, hat jeder von uns seine eigenen kleinen Methoden und Rituale entwickelt: Yoga, Spazierengehen, oder einfach eine Nacht ausschlafen. Damit tanken wir die Energie, die wir brauchen. Was aber, wenn all das nicht mehr hilft? Wenn man sich selbst nicht mehr aus dem Erschöpfungszustand herausholen kann und Alltagsaufgaben zu unüberwindbaren Hindernissen werden?

Seit Corona ist auch das Chronische Fatigue-Syndrom (CFS) als eine der möglichen Langzeitfolgen stärker in unser Bewusstsein gerückt. Wir haben mit Dr. med. Oliver Meier, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Neurologie und Geriatrie im Passauer Wolf Bad Griesbach, darüber gesprochen, wie man CFS erkennt und behandelt. Und wie eine neurologische Reha dabei helfen kann.

Herr Dr. Meier, was ist das Chronische Fatigue-Syndrom?

CFS ist kein neues Phänomen. Wenn eine Erschöpfung chronisch wird, dann kann CFS der Grund dafür sein. Als Erkrankung nach einer überstandenen Covid-Infektion hat es in letzter Zeit neue Aufmerksamkeit gewonnen.

Chronisches Fatigue-Syndrom ist inzwischen als eigenständige Krankheit anerkannt, auch wenn die Ursachen immer noch weitgehend ungeklärt sind. Die Diagnose ist aber nicht ganz einfach. Anhaltende Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit begleiten auch eine Reihe anderer Krankheiten, wie Depressionen, Persönlichkeitsstörungen oder Autoimmunerkrankungen. Eine klare Abgrenzung ist daher unbedingt notwendig. Dabei helfen umfangreiche Kriterienkataloge, die die Sicherheit der Diagnose erhöhen.

Wie macht es sich bemerkbar?

Typisch ist eine neu auftretende, unerklärliche, anhaltende oder wiederkehrende körperliche oder mentale Erschöpfung. Das schränkt die Aktivität deutlich ein. Selbst »normale« Aktivitäten können als kaum zu überwindende Anstrengung empfunden werden – sogar Zähneputzen oder Schuhe anziehen. Begleitend können Verwirrtheit, Konzentrationsschwäche oder Bewegungsstörungen auftreten.

Die sogenannten »Kanadischen Konsens-Kriterien« helfen bei der Einordnung der Symptome. Dazu zählen Herzklopfen, Appetitverlust, Schwindel, Übelkeit, Reizdarmsyndrom. Auch neuroendokrine Ausprägungen können auf CFS hinweisen.


»Die Verbindung aus Medizin, Wissenschaft – auch der Philosophie, hilft zu ergründen, wo unser ›Antrieb‹ seinen Ursprung hat und dadurch dabei, Behandlungsmethoden zu verfeinern.«

 

Dr. Olover Meier steht vor einem Whiteboard, Stift in der Hand. Sein Gesichtsausdruck ist nachdenklich.

Wie kann eine neurologische Reha Menschen mit CFS als Folge von Covid-19 helfen?

Chronisches Fatigue-Syndrom zählt zu den neurologischen Symptomen von Long-Covid. Die Behandlung erfolgt nicht nur medikamentös. Im Passauer Wolf Bad Griesbach verfolgen wir unterschiedliche Behandlungsstrategien, um auf die verschiedenen Beschwerden individuell einzugehen. Unsere Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit der Charité Berlin oder der TU München sind dabei sehr wertvoll. Unser leitender Oberarzt Dr. Stefan Kley gleicht die Reha-Konzepte, gemeinsam mit dem Behandlungsteam, laufend an neue Erkenntnisse an.

Therapie beim Passauer Wolf: Eine Therapeutin leitet einen Patienten an. Der Patient sitzt auf einem Hocker und zieht ein Theraband über seinen Kopf.

Ziel ist es immer, nicht nur die Symptome zu lindern, sondern gemeinsam auch Bewältigungsstrategien einzuüben, die eine Rückkehr in den selbstständigen Alltag ermöglichen. Pacing ist dabei der Schlüsselbegriff und im Fokus bei der Zusammensetzung der Maßnahmen. Dazu gehören etwa Physiotherapie, Atemtherapie, Ergotherapie, Physikalische Maßnahmen, neuropsychologische Behandlungsansätze, Entspannungstechniken–auch im Wasser, denn die körperliche Entspannung ermöglicht meist auch eine mentale Öffnung.«

Welche besonderen Konzepte werden dabei angewendet?

In der Therapie des Chronischen Fatigue-Syndroms sind im Wesentlichen vier Bausteine im Blick zu behalten: Energiemanagement, Kontrolle, Symptome und Supplemente.

Energiemanagement. Stichwort Pacing: Die eigene Belastungsgrenze darf nicht überschritten werden. Nach zu viel körperlicher Belastung kann es zu einer Zunahme der Beschwerden für viele Tage kommen, der sogenannten postexertionellen Malaise. Ein Aktivitätstagebuch kann helfen, die eigene Belastbarkeit realistisch einschätzen zu lernen.

Kontrolle. Hier geht es um die Regulierung des Immunsystems, um gesunde Ernährung und um die Kontrolle von Stress. Dafür üben wir Bewältigungsstrategien, sogenannte Coping-Strategien, ein. Sie helfen bei der Überwindung von belastenden Situationen und Angst. Auch Mind-Body-Verfahren wirken positiv auf Körper, Seele und Geist. Wir gehen zudem auf die Rolle gesunder Nahrungsmittel und Probiotika ein.

Symptome lindern. Auf die Verbesserung von eventuellen Schlafstörungen, Schmerzen, Darmproblemen oder Konzentrationsschwächen hinwirken.

Supplemente ergänzend zur gewöhnlichen Nahrung einsetzen, um die Versorgung mit einzelnen Nährstoffen zu erhöhen. Infrage kommen u.a. Vitamin D, Eisen, Ribose, Vitamin B12, Folsäure, Magnesium, Vitamin B1, B6, Coenzym Q10, Omega-3-Fettsäure und Linolensäure.

Vielen Dank für das Gespräch!

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