Was 5G wirklich so brisant macht (und es nicht das, was du denkst)
Innert Monaten wurde aus einem simplen Update ein Angstthema. Für mich kommt das nicht ganz überraschend. Denn in 5G versteckt sich eine Neuerung, die tatsächlich gefährlich werden könnte für gewisse Gruppen - aber nicht gesundheitlich.
Doch beginnen wir von ganz vorne. Zum ersten Mal vertraut machte ich mich mit diesem Thema vor gut 5 Jahren, in einem Swisscom Labor in Ittigen. Hier forschten Techniker an einem Update für die zunehmend überlastete 4G-Technik: Effizienter und schneller sollte sie werden. Denn der Datenverbrauch steigt weltweit und die Telekommunikation steht vor der Wahl: Massiv mehr Antennen - oder eine effizientere Technologie. Und so entstand 5G im gleichen internationalen Zusammenspiel, das schon von 2G zu 3G zu 4G führte.
Die Geschichte wäre denn hier auch schon zu Ende und 5G wäre niemals in diesen Strudel geraten....brächte es neben Effizienz und Geschwindigkeit nicht noch einen weiteren Vorteil: Die Latenz. Sprich - die Reaktionsgeschwindigkeit.
Und die macht 5G zur Bedrohung, für ganze Volkswirtschaften - darunter nicht immer die demokratischsten. Denn die Latenz macht aus einem Technologieupdate eine industriell nutzbare Technik, die Arbeitsplätze schafft.
Ein kleiner Kniff für die Techniker, ein riesiger Vorteil für die Schweiz
Um das zu verstehen, muss man sich vorstellen: Das Auto würde nur verzögert auf Befehle reagieren. "Links abbiegen?", "Gern, aber warte kurz." "Eine Vollbremsung bitte!", "Aber klar doch, in ein paar Sekunden bin ich soweit."
Wären wir so unterwegs, was wäre die Konsequenz? Völlig logisch - generell 20 km/h. Denn mehr Geschwindigkeit wäre bei so trägen Reaktionsweisen nicht zu verantworten.
Die Schwellenländer verlieren einen Standortvorteil: Die billige, massenhaft verfügbare Arbeitskraft.
Aber: Genau dieses Problem hatte die Mobilfunktechnik bislang. Sie reagierte verzögert, hat also - um es im Fachjargon zu sagen - eine lange Latenzzeit. Das spielt keine Rolle, wenn wir ein Youtube-Video starten. Sehr wohl aber beim Einsatz dieser Technologien in der Industrie. Denn eine schnelle Reaktionszeit ist die Grundzutat für die Einführung der Robotik. Die billige, massenhaft verfügbare Arbeitskraft - der Standortvorteil vieler Schwellenländer also - fiele plötzlich dahin. Denn bei roboterisierten Betrieben fallen Lohn- und Standortkosten viel weniger ins Gewicht, es zählt sehr wohl aber die Verfügbarkeit von Energie und Telekommunikation. Und die Verfügbarkeit von Fachkräften, die diese Maschinen bauen und warten können. Kurz: Ein Standortvorteil für die Schweiz par Excellence.
Ausgelagerte Arbeitsplätze kommen zurück
Und tatsächlich: Am Rande von Solothurn ist das schon Realität. Hier war ich zwei Jahre nach dem Laborbesuch bei Ypsomed CEO Simon Michel zu Gast. Er hat als einer der ersten etwas getan, das Schule machen könnte: In den 90ern lagerte Ypsomed die arbeitsintensive Fertigung von Insulinpumpen nach Mexiko aus. Nun holte er sie wieder zurück - in die Schweiz, wo nicht nur die Energie stabil fliesst, sondern auch die notwendigen Telekommunikationsnetze und Fachkräfte vorhanden sind.
In zwei kompakten Industriestrassen von der Grösse eines Schiffcontainers montieren nun ultraschnelle Roboterhände diese komplexen Spritzen. Sie machten genau das, das zuvor 300 Arbeiter am Fliessband erledigten. Und wie bei den Menschen auch, ist es das Zusammenspiel, das hier zählt: Jeder Schritt muss buchstäblich Hand in Hand gehen. Das erfordert riesige Datenmengen, die schnellstens ausgetauscht werden müssen - und das geht am besten mit 5G, die Ypsomed als eines der ersten Unternehmen weltweit hier nun einsetzte.
5G bringt Gewinner...und Verlierer.
Michel sagte denn auch klipp und klar: Ja, die Schweiz rentiert wieder für die Industrie - aber nur, wenn sie hyperschnell produzieren kann. Oder anders gesagt: Der teure Standort ist zu kompensieren, wenn dafür die Maschinen rund um die Uhr mit grosser Geschwindigkeit laufen können. Wenn man dann doch bedenkt, dass 5G eine wesentlich stabilere Verbindungen und sogenanntes Slicing möglich macht - also das Zuweisen von fixen Bandbreiten wie bei einer erdverlegten Glasfaser - dann wird die Brisanz und Bedeutung dieser Technologie als Standortvorteil erst so richtig klar
Nach dem Besuch in Solothurn, war mir klar: 5G bringt Gewinner, aber auch Verlierer. Gewinner sind hochtechnisierte, spezialisierte Länder wie die Schweiz. Verlierer sind die Schwellenländer, die seit den 90ern dank billigen Arbeitskräften und tiefen Landpreisen viele Fabriken zu sich holen konnten.
Und ich fragte mich - damals, Anfang des Jahres 2017 - wie wohl die Machthaber dieser Länder darauf reagieren würden. Natürlich würden auch sie versuchen, ein 5G-Netz aufzubauen, bräuchten dafür aber wesentlich mehr Zeit. Wie würden sie die überbrücken? Würden sie vielleicht sogar versuchen, den Vorsprung anderer Länder auszubremsen. Und wenn ja, wie könnte das gehen?
Selbstverständlich kamen mit die damals in der Diskussion gerade omnipräsenten Trollfabriken in den Sinn. Gut möglich, dass die durch ihr permanenten Störfeuer für Verunsicherung sorgen könnten - aber unsere Behörden und Politiker die würden, da war ich mir sicher, sich davon nicht beeindrucken lassen. Denn sie wüssten es ja besser, sie hatten die Fakten auf dem Tisch. Sie wüssten um das, was ich damals im Labor gesehen habe - dass es sich nur um ein Update einer mehrere tausend Mal erforschten Technologie handeln würde. Darum würden sie dem Druck und der vielleicht entstehenden Verunsicherung widerstehen.
Tja...selten hatte ich mich so geirrt.