6 Mythen über Transformation, die ich gern 16 Jahre früher gekannt hätte...
Veränderungsprozesse nur rational anzugehen, ist ein beliebter „Fehler“ in Transformationsprozessen. Häufig herrscht der Glaube, dass kognitive Argumente, rationale Begründungszusammenhänge die Menschen von der Notwendigkeit einer Transformation überzeugen würden… Aber mal ehrlich: ist der Sachbearbeiter im Backoffice von dem Wunsch nach höherer Unternehmensprofitabilität nicht viel zu weit weg? Glauben wir wirklich, dass dies ein schlagendes Argument sein kann, einschneidende persönliche Veränderungen in Kauf zu nehmen oder noch einmal neue Dinge zu lernen? Sollten wir nicht vielmehr darüber begeisternd sprechen, wie der Wandel persönlich sein Leben bereichern kann? Wie er dadurch neue Fähigkeiten, wie beispielsweise digitale Kompetenz erwirbt, die ihm auch privat etwas nützt.
Mit Dominique Leikauf habe ich in ihrem Veränderungspodcast über beliebte Transformationsmythen gesprochen 👉 Sirka Laudon: Psychologie, Holacracy und Transformation » 48forward
Hier kommen meine Top 6 der Mythen über Transformation, die ich gern am Anfang meiner Laufbahn gekannt hätte… Das hätte mir so manch eine mühsame Erfahrung erspart!
Veränderungsbereitschaft ist vielmehr genetisch verankert: ob jemand eher konservativ-vorsichtig oder neugierig-aufgeschlossen gegenüber Neuem ist, ist in der Persönlichkeit eines Menschen „fest verankert“. Bis zum 30. Lebensjahr sind da noch Adjustierungen denkbar, aber dann muss man mit dem Set der individuellen Ausprägung arbeiten. Eine Schwierigkeit für Unternehmen, die mit dem Verweis auf „sichere Arbeitsplätze“ und „gut etablierte tradierten Prozessen“ die falschen Bewerber angezogen hat, für die eine Transformation nun eine Tortur ist.
2. Widerstände in Veränderungsprozessen müssen besondere Aufmerksamkeit erhalten: falsch!
Anstatt sich daran abzuarbeiten sollten eher die Multiplikatoren, early Mover, informellen Influencer aktiviert werden. Mit einer „Allianz der Willigen“ kommt man weiter als mit dem oft gehörten Ratschlag „aber man muss doch von Anfang an alle mitnehmen“. Meine Erfahrung: die Widerstände verfliegen häufig, wenn erst die Erfahrung mit dem Neuen gemacht werden… Der aktuelle Wandel vieler Unternehmen hin zu einer Workplace-Umgebung mit Desksharing und offenen Großraumflächen ist ein gutes Beispiel dafür: die größten Skeptiker fanden am Ende diese neue Arbeitsweise wunderbar. Vorab mit noch besseren Argumenten zu überzeugen, hätte schlichtweg nichts gebracht, außer dass man sich daran ‚abgearbeitet‘ hätte.
3. Bei Veränderungen steht und fällt der Erfolg mit der kulturellen Veränderung: falsch!
Mindestens genauso wichtig wie der Fokus auf Kultur ist der Fokus auf Struktur. Mit anderen Worten: wie können strukturelle Veränderungen automatisch ein Umdenken bewirken? Wie können strukturelle Veränderungen neue Prozesse initiieren oder tradiertes Verhalten verändern? Dabei ist der Begriff auf Struktur sehr weitreichend zu sehen: von der Abschaffung von Führungsebenen bis hin zur Abschaffung von Einzelbüros. Eingriffe ins Organigramm, Grading und Ablaufprozessen sind neben physischen Strukturveränderungen wahre Veränderungsbooster. Das Schöne: die Kultur wird sich automatisch als „Abfallprodukt“ dieser Veränderung dem neuen Erleben anpassen.
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4. Veränderungen müssen immer Top-Down erfolgen: falsch!
Veränderungen müssen immer Bottom-up erfolgen: auch falsch!
Meine Erfahrung ist: jegliche Systematik in die eine oder andere Richtung hat ihre Tücken. Am besten werden beide Ansätze kombiniert mit einem Multiplikatorenansatz - der oben beschriebenen „Allianz der Willigen“. Klar braucht es ein eindeutiges und authentisches Bekenntnis der Unternehmensführung zu dem Transformationsprozess. Das heißt aber lange noch nicht, dass der Wandel und die Kommunikation entlang der hierarchischen Kaskade des Organigramms erfolgen sollte!
5. Eine überzeugende Change-Story ist der Dreh- und Angelpunkt: falsch!
Wenn die Change-Story nur rational überzeugt, ist sie kraftlos. Wenn sie nur die Unternehmensperspektive abbildet, springt sie zu kurz. Wichtig sind hier - wie beim Einstieg oben schon ausgeführt - der Fokus auf rationale und emotionale Dimensionen der Veränderung, die Perspektive des Einzelnen sowie der Organisation, das Zusammenwirken von Fakten einerseits und Leadership andererseits. Das Veränderungsnarrativ kann lediglich eine Grundlage für den Wandel sein. Der Erfolg steht und fällt jedoch mit den Leadership-Fähigkeiten der Führungskräfte der Organisation.
6. Veränderungen sind qua Vorstandsbeschluss umsetzbar: falsch!
Wenn nicht alle Stakeholder hinter dem Veränderungsprozess stehen und die notwendigen Umfeldfaktoren nicht vorhanden sind, ist auch ein Vorstandsbeschluss machtlos! Deshalb sollte früh die ‚Change-Readiness‘ einer Organisation auf den Prüfstand: verfügen wir über kraftvolle Führungskräfte, die die Veränderung überzeugend umsetzen werden? Wird die Attraktivität des Zielzustands von allen geteilt und besitzt diese auch die nötige emotionale Energie, auch die „Kosten“ einer Veränderung wie Performancedellen aufzufangen und durch das „Tal der Tränen“ in solch einem Prozess zu tragen? Haben wir überzeugende KPI und Daten, die dieses Vorhaben stützen und besser noch alternativlos machen? Ist der gegenwärtige Zustand so unerträglich, dass er genug Veränderungsenergie entfacht?
All diese Dimensionen zeigen, dass Veränderungen einen diffiziler Prozess darstellen.
Es braucht eine Choreografie, die Erfahrung, Lehrbuch, spielerische Elemente und Intuition vereint. Eine Choreografie, die Organisationen quasi „zum Tanzen“ bringt. Die Mut und Resonanz genauso wichtig nimmt, wie rationale Analysen und Daten.
Head of Central Europe @Scope3 / Marketing and Sustainability Expert / Speaker / Trainer / Ex-Amazonian / Ex-GroupM
3 JahreIch mag es wie du aufzeigst wie wichtig die Balance aus verschiedenen Bereichen ist wie Struktur/Kultur oder Top-Down/Bottom-Up. 👍
Selbständiger
3 JahreDanke für diesen überragenden Text, der für sehr unterschiedliche Bereiche von Nutzen ist, in denen strategische Veränderungen umgesetzt werden müssen. Um solche Erfahrungen zu gewinnen, die den hergebrachten Gewohnheiten und Meinungen widersprechen, sind 16 Jahre eigentlich keine allzu lange Zeit ...
Geschäftsentwicklung: Verkehrsverlagerung auf die nachhaltige starke Schiene
3 JahreToller Titel, der das in unser Gesellschaft so tief verankerte Missverständnis auf den Punkt bringt: "alles muss rational sein". Damit schneiden wir aber die eine Hälfte der Informationen ab und stehen uns selber um Weg: nicht umsonst haben wir Kopf UND Bauch - und beides brauchen wir für eine gute Entscheidung oder Verhaltensänderungen. Vielen Dank fürs Teilen deiner Learnings!
🔸Transformation.Gemeinsam.Gestalten.🔸 🔸kluge+konsorten gmbh 🔸Transformation Architecture 🔸Systemische Organisationsentwicklung 🔸Tiefenpsychologische Supervision 🔸Autorin 🔸Keynotes 🔸Linkedin Top Voice seit 2017
3 JahreLiebe Sirka - wunderbarer Denkanstoss. Ein Fehler, den ich mir selbst immer wieder gern ersparen möchte, was aber nicht immer gelingt: Der vergebliche Versuch, auf einem toten Pferd zu reiten bzw. das Erkennen des klaren Signals, dass Zeit ist, abzusteigen. Manchmal ist einfach das Glas leer, die Liebe zu Ende, der Erfolgsgarant von gestern der Bremsblock von morgen. Und eigentlich wissen wir das alles. Und dann ist es doch so schwer, sich in die Augen oder in den Spiegel zu schauen und einzugestehen: It's all over now Baby blue...