Adressenreise
Von der Madison Avenue über Dreilinden zur Carl-Bertelsmann-Straße

Adressenreise

„So tonight I'm gonna party like it's 1999“ – eine legendäre Liedzeile des Jahrhundertkünstlers Prince birgt für mich wunderbare Erinnerungen an mein erstes richtiges Office. Was für ein Schritt war das damals 1999 direkt vom Studium in Leipzig nach New York – mein erster Job über eine online Stellenanzeige gefunden, in einem telefonischen Interview überzeugt, WG online ausfindig gemacht. Tja und dann konnte ich an meinem ersten Arbeitstag nicht in New York City sein, weil im Januar ein Blizzard über North Carolina zog und ich das Haus meiner Au-Pair-Gasteltern nicht rechtzeitig verlassen konnte. Also ging es an Tag 2 los – in der obersten Etage 420 Madison Avenue. Was für eine Adresse für Leute in meiner Branche! In der PR-Agentur Neale-May & Partners erlernte ich die Basics der PR-Arbeit am praktischen Beispiel. Tolle Kolleg:innen, einen verrückten Chef und unglaubliche Projekte in dieser Zeit, nach dem Motto „Was kostet die Welt“. Für immer werde ich dankbar sein, dass ich das erleben durfte.

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Zehn Monate später rief Edelman an und ich wechselte den Job – ins Gebäude 1500 Broadway, direkt am Times Square genau gegenüber dem Bertelsmann-Building (eine kleine Vorahnung). Von meinem Cubicle in der 30. Etage sah ich direkt in deren Büros – oder vom Konferenzraum genau auf das Dach des Gebäudes, wo jeden New Year’s Eve der Ball fällt, am 30. Dezember wird immer mehrere Stunden geprobt und wir genossen den Blick. Den genossen wir natürlich auch bei jeder Macy’s Thanksgiving Parade – ein Wahnsinn. Und wir sahen immer, wer bei "Good morning America" Studiogast war. War schon die Auswahl an Lunch-Places in der Madison Ave riesig, dann war sie jetzt überwältigend, ob indisch, mexikanisch oder immer wieder italienisch, das ist unerreicht.

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Von dort ging es nach Dreilinden. Bei eBay habe ich viel über das Ausrichten der Architektur an den Bedürfnissen der Mitarbeiter gelernt. Seerunde – so hieß nicht nur unser Mitarbeitermagazin, sondern das war gelebte Praxis rund ums Biotop in der Mitte des Campus. Auch wir hatten ein Beach-Volleyballfeld und all die Goodies mit Playroom, Obst in den Küchen, Fitnessräume usw.

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Maßstäbe, also eigentlich unerreichte Benchmarks, setzen die großen Tech-Unternehmen an den Küsten. Den Aufbau der neuen Amazon-Zentrale in Arlington verfolge ich mit großem Interesse. Ich kenne noch einige Leute in Arlington, die sich Sorgen um Verkehr und Housing-Preise machen, allerdings ist auch dieser unglaubliche Spirit greifbar: Arbeitsplätze, im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen, wirklich Zukunft gestalten. Aus PR-Sicht geht Amazon in die Offensive mit der Unterstützung für regionale Wohltätigkeitsorganisationen, engen Beziehungen zu Lokalpolitikern und ansässigen Firmen und Shops sowie dem Aufbau eines Housing Equity Funds, um eben den steigenden Miet-und Hauspreisen etwas entgegenzusetzen. Zugleich bieten solche Mega-Projekte die Chance, nach allen neuen Regeln der Baukunst zu bauen – inklusive Green Tech: „We hope that the blend of architectural and ecological elements at PenPlace—the name of the site—will inspire those who work here and serve as an inviting place for neighbors to gather, relax, dine, and shop. We look forward to working together with the community in the coming months to bring this vision to life.“ Ob das reicht und die Akzeptanz steigen wird, werden die kommenden Monate und Jahre zeigen. Aber ähnlich wie Grünheide und Tesla sind Investition in Zukunftsthemen absolut zu begrüßen und zu unterstützen. Es geht darum, die berechtigten Sorgen ernst zu nehmen und aufzulösen. Und die Lebensgrundlage für sehr viele Menschen proaktiv zu schaffen. Aufregende Zeiten!

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Seit 2012 ist die Carl-Bertelsmann-Straße meine Arbeitsadresse. Ok, das ist das coolste Bild, ich sitze im Haus gegenüber, aber das hier gehört halt auch zu unserer Agentur. Gefühlt ziehen wir innerhalb des Gebäudes jedes zweite Jahr um, je nach Team, nach Aufgabe oder nun nach Plänen, die Räume gemäß New Work einzurichten. Nun stellen wir uns die Frage: Wo werden wir morgen arbeiten? Wenn jetzt das Pandemie-Normal ist, wie wird dann das New Normal sein? Welche Lösungen finden Mitarbeiter und Unternehmen zwischen ihren Bedürfnissen und Wünschen sowie ihren Anforderungen? Wann zieht die Natur mit ins Büro? Die Bochumer Kolleg:innen haben es mit einer coolen Mooswand vorgemacht. Kann die kulturelle Transformation durch moderne Arbeitsräume gelingen?

Ich persönlich freue mich auf die neue Zeit in einem Mix aus Home Office und Vor-Ort-Arbeit, um den Zusammenhalt untereinander wieder zu spüren, die Unternehmenskultur aufzunehmen und in positive Energie umzuwandeln. Es wird uns viel mehr um Begegnungen gehen, Platz schaffen für Kommunikation und Kollaboration. Das Büro wird der Ort sein, wo Ideen Raum bekommen, wo wir uns wieder verbinden und wo wir Dinge erleben, die unsere Arbeitsrealität ausmachen. Wir werden das Büro viel bewusster erleben und wertschätzen, aber weiterhin flexibel sein.

Wie schwer es fallen kann, geliebte Arbeitsräume zu verlassen, zeigt dieses Video unserer Münchner Webguerilla-Kollegen. Bald steht ihr Umzug an. An ihrer alten Adresse hängen so viele Erinnerungen, so viele gemeinsame Momente und das wird hier deutlich. Und dennoch ist der Umzug ein Aufbruch. Das neue Büro wird richtungsweisend sein.

Fotocredits: Mapped Planet, Loopnet, eBay, Territory

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