Aktueller Börsenaufschwung und historische Vergleiche: Was bedeutet die momentane Entwicklung?
Die Aktienmärkte zeigen eine außergewöhnliche Entwicklung und haben im letzten Jahr einen Zuwachs von etwa 40 % verzeichnet – ein Wert, der in historischem Kontext an das explosive Wachstum während der Dotcom-Blase der späten 1990er und an den Höhenflug der späten 1920er Jahre vor dem Ausbruch der Großen Depression erinnert. Die Parallelen zu diesen beiden Perioden werfen Fragen auf: Ist der aktuelle Aufwärtstrend ebenfalls nicht nachhaltig?
Ein Blick auf den inflationsbereinigten Verlauf des S&P 500 über die letzten Jahrzehnte zeigt, dass die Märkte derzeit deutlich über ihrem langfristigen Durchschnitt liegen – ähnlich wie vor den vier größten Crashs der letzten 110 Jahre. Um jedoch realistische Schlussfolgerungen zu ziehen, ist es sinnvoll, den inflationsbereinigten Index mit der nominalen Entwicklung zu vergleichen.
Inflationsbereinigt vs. Nominal: Die Wirkung der Inflation auf Langfrist-Renditen
Seit 1921 hat der S&P 500 nominal um etwa 65.000 % zugelegt, was bedeutet, dass 1.000 US-Dollar, investiert zu Beginn der Periode, heute rund 650.000 US-Dollar wert wären. Inflationsbereinigt beträgt die Rendite jedoch nur rund 5.000 %, was den erheblichen Einfluss der Inflation auf die reale Rendite verdeutlicht. Die Inflation dämpft langfristig betrachtet das Wachstum, und dieser Faktor erklärt, warum „Aktien steigen langfristig nur“ trotz extremer Wertschwankungen oft Bestand hat.
In Phasen wie dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 oder dem Börsencrash von 1929 erlebten Anleger jedoch herbe Verluste. Wer beispielsweise im März 2000 11.000 US-Dollar investiert hätte, hätte zehn Jahre später nur noch einen Wert von etwa 500 US-Dollar gehabt. Ähnlich wäre es jemandem ergangen, der im August 1929 investierte: ein Jahrzehnt später wäre das investierte Kapital halbiert gewesen.
Marktentwicklung und Inflationszyklen: Schlechte Investitionszeitpunkte im Rückblick
Historische Daten zeigen, dass es bestimmte Perioden gibt, in denen der inflationsbereinigte S&P 500 sein oberes Band erreichte und in der Folge starke Rückgänge erlitt. Beispiele sind 1913, 1929, 1965 und 1999 – allesamt schlechte Zeitpunkte für Investitionen. Durchschnittlich fielen die Werte in diesen Phasen um etwa 60 %, während die Große Depression sogar noch dramatischere Verluste brachte.
Während viele Experten zustimmen, dass der Markt auf inflationsbereinigter Basis derzeit überbewertet erscheint, gehen die Meinungen über die zukünftige Entwicklung auseinander. Eine wichtige Differenzierung betrifft das Verhältnis von nominaler zu inflationsbereinigter Bewertung: Ein Rückgang auf inflationsbereinigter Basis bedeutet nicht zwingend, dass der S&P 500 auch nominal fallen muss. Ein Beispiel für diesen Effekt ist die Türkei, wo der Aktienmarkt trotz nominaler Zuwächse aufgrund extremer Inflation inflationsbereinigt praktisch unverändert blieb.
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Inflationsangst und Hyperinflation: Eine realistische Prognose?
Viele Anleger befürchten, dass die momentane Marktstärke in den USA auf eine bevorstehende Inflationswelle hindeutet – ähnlich wie in der Türkei oder Venezuela. Diese „Hyperinflations-Angst“ wird jedoch von der aktuellen Inflation in den USA kaum gestützt. Mit einer Rate von etwa 2,5 % ist die Inflation weit von Hyperinflation entfernt. Im Vergleich dazu erlebte die Türkei mit 50 % bis zu 84 % jährliche Inflationsraten. Ein Szenario vergleichbar mit der Türkei scheint daher für die USA wenig wahrscheinlich.
Vergangene Phasen starker Inflation in den USA, wie in den 1970ern, brachten sogar Börseneinbrüche, da hohe Inflation oft zu höheren Zinsen führt, die Druck auf Aktien ausüben. In den 1970er Jahren erlebte der Markt während hoher Inflationserwartungen Rückgänge zwischen 30 % und 50 %. Daher ist es plausibel, dass ein erneutes Anziehen der Inflation in den USA eher zur Korrektur führen könnte, als einen Anstieg zu befeuern.
Niedrige Inflation und Marktaufschwung: Parallelen zu den 1920er und 1990er Jahren?
Falls die Inflation in den USA weiterhin moderat bleibt, könnte sich ein Szenario entwickeln, das dem der späten 1920er und 1990er Jahre ähnelt: Phasen niedriger und stabiler Inflation, die langfristige Aufschwünge ermöglichten, jedoch in einem Einbruch endeten. Beispiele für solche „Melt-up“-Perioden, wie der Black Monday im Jahr 1987, verdeutlichen, dass diese Blasen oft implodieren. Ein Vergleich der heutigen Entwicklung mit Venezuela und der Türkei ist daher weniger angebracht; vielmehr könnten Parallelen zur Marktentwicklung der 1920er und 1990er Jahre bestehen.
Aktuell sieht es nicht danach aus, dass die inflationäre Dynamik die Aktienmärkte in den USA abkühlen könnte. Viele Inflationstreiber wie Öl oder Weizen verzeichnen sogar Preisrückgänge, was die Bedingungen für einen weiteren Anstieg des Aktienmarktes schafft. Solange die Inflation moderat bleibt, könnte der „Melt-up“ weitergehen – die Geschichte zeigt jedoch, dass solche Boomphasen oft eine plötzliche Korrektur nach sich ziehen.
Fazit: Ein vorsichtiger Blick auf die Zukunft
Obwohl der Aktienmarkt momentan eine beeindruckende Performance zeigt, bleibt eine gewisse Vorsicht angebracht. Die historische Analyse zeigt, dass extreme Wachstumsphasen häufig in eine Korrektur mündeten, besonders wenn die Bewertungen im Verhältnis zur Inflation hoch erscheinen. Anleger sollten sich bewusst sein, dass solche „Melt-up“-Phasen oft instabil sind und eine langfristige Perspektive auf die realen, inflationsbereinigten Renditen notwendig ist, um eine nachhaltige Investmentstrategie zu entwickeln.