Angst in Unternehmen und Gesellschaft: Der größte Killer von Leistung und Fortschritt
Die Zukunft ist ungewisser als jemals zuvor. Das sorgt für Verunsicherung, Ablehnung und Angst. Solche Angst ist, weil nicht unmittelbar greifbar, vage und diffus. Sie schleicht sich als latente Grundstimmung in unser Leben, in ganze Belegschaften und die breite Bevölkerung ein. Angst raubt Energie und paralysiert. Sie sorgt für Blockaden und Rückzug oder verursacht aggressives Verhalten. Um die mächtigen Herausforderungen, die vor uns liegen, zu meistern, muss vor allem die Angst aus den Unternehmen verschwinden.
In Unternehmen kommen Ängste in vielerlei Ausprägungen vor: Angst vor der künstlichen Intelligenz, Angst um den Job, Angst vor dem Chef, Angst vor Fehlern, Versagen und Scheitern, Angst vor Ablehnung, Angst vor Kontrollverlust, Angst vor Vertrauensmissbrauch, Angst vor dem vermeintlichen Chaos, wenn Hierarchien abgebaut werden. Diese Liste ließe sich beliebig verlängern.
Und das ist ein Drama. Denn Angst macht Unternehmen langsam und dumm. Wie das kommt? Angst setzt einen zerebralen Mechanismus in Gang, der rationales Denken nahezu auslöscht und sich Sachargumenten verschließt. Zudem führt Angst zu einer Verengung des Aufmerksamkeitsfeldes, dem berüchtigten Tunnelblick. Eine gute Urteilsbildung ist dann nicht mehr möglich.
Doch Angst wird gerne verbreitet, denn ängstliche Menschen sind labil und lassen sich leichter beherrschen. Angst betoniert das Gestrige, beutet aus, spinnt Lügengewebe und hält rüde Obrigkeiten an der Macht. Sie macht die Menschen für Populisten und Bauernfänger empfänglich. Denn wenn Angst im Spiel ist, sind Fakten egal. Die Logik wird ausgeblendet und das Handeln blockiert. So verhindert Angst nicht nur Leistung und Fortschritt, sondern auch den Erfolg.
Wann Angst gut ist, wie sie entsteht und wieder vergeht
Wenn wir Angst haben, ist im Gehirn die Amygdala in Aktion. Das ist eine paarweise vorhandene, kaum daumennagelgroße Struktur im limbischen System. Sie analysiert alles, was auf uns einwirkt, höchst wachsam auf emotional wichtige Faktoren, ortet beunruhigende Situationen und potenzielle Gefahren. Ohne Unterlass sucht sie nach freundlichen Gesten, nach finsteren Gestalten und verräterischem Rascheln im Gebüsch.
Unaufhörlich interpretiert sie die Bedeutung nonverbaler Mitteilungen anderer über Gestik und Mimik. Sie sondiert jede noch so leise Veränderung in der Stimme und erschnuppert Absichten in unserem Schweiß. Sie erhält und verarbeitet vollautomatisch Impulse aus sämtlichen Sinnessystemen. So kommt es, dass wir Richtig und Falsch nicht nur erkennen, sondern auch spüren.
Bei allem, was dem Strom des Üblichen nicht entspricht, schaltet sie auf „Hab acht”: Ist das, was uns aus unserer Routine gerissen hat, gut - oder wird es uns schaden? Unser Überleben hängt vom blitzschnellen Alarmsystem der Amygdala ab. Sie wittert Bedrohungen in Millisekunden und sorgt, ohne dass unser Denkhirn, weil viel zu langsam, daran beteiligt ist, für die passende Reaktion: panikartige Flucht, dosierter Angriff oder atemloses Erstarren.
All dies wird unterhalb der Wahrnehmungsschwelle unseres Bewusstseins mithilfe von Stresshormonen erledigt. Wir spüren nur das Ergebnis: Angst oder Furcht, Zorn oder Wut, Zögern und Zagen – je nachdem. Eine wahre Erlösung ist es hingegen, wenn sie uns entwarnend vermittelt: Du musst nicht kämpfen. Du musst auch nicht fliehen. Du bist hier in Sicherheit.
Wo Dauerangst herrscht, kommt alles zum Stillstand
Dass Menschen unter Druck geistige Großtaten vollbringen, ist ein gefährlicher Trugschluss. Genau das Gegenteil ist der Fall. Verbale, nonverbale und körperliche Aggression, anhaltende Missstimmung, Furcht und Schrecken sabotieren die Fähigkeit des Gehirns, sein Bestes zu geben, weil die im Angstzustand ausgeschütteten Botenstoffe Synapsen blockieren.
Das kennen wir alle als Blackout, zum Beispiel beim Lampenfieber oder der Prüfungsangst. In Momenten höchster Not können nur noch Routinen abgespult werden. In Urzeiten war dieser Mechanismus auch sinnvoll, denn langes Nachdenken im Augenblick der Gefahr wurde meist mit dem Leben bezahlt.
Heute ist es genau umgekehrt. Blackouts sind im Business tödlich. Für Denkarbeit, die zu Innovationen führt, sind schnelle Synapsen zwingend vonnöten. Die, die in Härte und dem willenlosen Gehorsam, den sie produziert, den Erfolg hineininterpretieren, denen fehlt vor allem eins: die Feinfühligkeit, zu spüren, wie ihr Verhalten beim Gegenüber bereits Trotz oder aufschäumende Wut, eisiges Desinteresse, Weglaufen oder Rachegelüste erzeugt.
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Härte hilft? Nein, Angst verbreiten ist Körperverletzung
Mit Angst im Nacken rennen wir zwar schneller, aber nur ein ganz kurzes Stück. Danach sind wir vollkommen ausgepowert. Unablässiger Druck und das Androhen von Strafe versetzen den Körper in permanente Alarmbereitschaft, mindern seine Leistungskraft und ruinieren die Gesundheit. Der Dauerbeschuss von Stresshormonen unterdrückt auch die körpereigenen Abwehrkräfte, schwächt unser Immunsystem und macht uns krank. Ist Arbeit also mit Angst besetzt, ist das quasi Körperverletzung.
Wird eine Belastung, weil von außen gesteuert, unkontrollierbar, kommt sogar Panik ins Spiel. Aus der anfänglichen Angst werden Verzweiflung, Ohnmacht und Hilflosigkeit. Dies kann bis zum körperlichen, geistigen und seelischen Kollaps führen. Das beste Gegenmittel: Beistand und die Möglichkeit, in kleinen Schritten die Kontrolle zurückzugewinnen. Erst dann, wenn wir eine Situation (wieder) beherrschen, schlägt Angst in Erleichterung um, wir gewinnen Zuversicht, schöpfen Selbstvertrauen und entwickeln Mut.
Verängstigte Mitarbeitende hingegen haben die unangenehme Eigenschaft, allerhöchstens mittelmäßige Arbeit abzuliefern. Sie machen „Dienst nach Vorschrift“, denn dann kann ihnen nichts passieren. Zudem wird die Aufnahme von Neuem durch Unsicherheit, Bedrohung und Stress stark behindert. Darüber hinaus verfestigen sich Ängste, wenn man sie oft durchlebt. Unter positiven Umständen hingegen lernt und performt unser Oberstübchen mit Bravour.
Kreativität entsteht nur in einem angstfreien Umfeld
Kreativität schöpft aus der Quelle des Unterbewussten, das keine Angst haben muss. Schon allein deshalb kann sie nur in einem angstfreien Umfeld entstehen. Dann glauben wir an unser Potenzial und die Aussicht auf Erfolg. Wir beschäftigen uns mehr mit dem Pro als dem Kontra. Wir sind offener und damit ideenreicher. Wir werden agiler und schreiten zur Tat. Die Dinge gehen locker und leicht von der Hand. Wir fühlen uns kraftvoll und sicher, sind optimistisch - und kommen über Hürden behände hinweg.
Das Konzept der „psychologischen Sicherheit“ hat die Harvard-Professorin Amy Edmondson, 2023 zum zweiten Mal die Nummer 1 im Ranking der Thinkers50, in die Arbeitswelt eingeführt. Dabei geht es um die Wahrnehmung jedes Einzelnen in einer Gruppe, sich emotional sicher zu fühlen. In einer solchen Umgebung fällt es den Menschen leicht, sich voll und ganz einzubringen. Sie sagen offen ihre Meinung, experimentieren mit neuen Vorgehensweisen, reden über ihre Fehler, holen Feedback und bitten um Hilfe. Nur so kann sich Kreativität voll entfalten.
Ohnmächtig, also fremdbestimmt und ohne Macht zu sein, das macht einen hilflos und schwach. Erst dann, wenn wir keine Bedrohungen spüren und unser Geist nicht durch Sorgen vernebelt ist, sind wir bereit für den Wandel und laufen zu Höchstleistungen auf. Und nur dann können die ganz großen Würfe gelingen. So sind Angstabbau und Vertrauensaufbau für jede Organisation und die ganze Gesellschaft auf dem Weg in eine erfolgreiche Zukunft elementar.
Mehr zum Thema „Zukunft meistern“ lesen Sie in meinem gleichnamigen Buch.
Mehr zum Thema Zukunftsoptimismus erfahren Sie im nächsten Newsletter.
Als weitere Lektüre zum Thema Angst kann ich wärmstens empfehlen:
Mitarbeiterbindung im Gesundheitswesen: Weil Zufriedenheit ansteckend ist! So minimieren Sie Fluktuation und Fachkräftemangel. #Teamwork #Arbeitsklima #Führung #Vertrauen #Mitarbeiterzufriedenheit #Personalbindung
6 MonateEin sehr treffender und wichtiger Punkt, liebe Anne M. Schüller! In meiner Arbeit sehe ich, wie lähmend Angst für Einzelpersonen und ganze Teams sein kann. Um den großen Herausforderungen der Zukunft gewachsen zu sein, müssen wir eine Unternehmenskultur schaffen, die auf Vertrauen und Sicherheit basiert. Nur so können Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten und gemeinsam kreative Lösungen entwickeln. Der Abbau von Angst ist ein entscheidender Schritt, um Energie und Innovationskraft freizusetzen. 🌟💪
Gründer | CEO | Coach | Autor & Speaker | KI im Business
6 MonateTatsächlich haben wir Deutschen schon seit längerem ein Thema mit der Angst, was zur international bekannten "German-Angst" geführt hat – ein Begriff, mit eigenem Wikipedia-Eintrag. Die Frage ist, ob es uns weiterbringt, uns weiterhin so intensiv mit der Angst zu beschäftigen? Sollten wir nicht die Themen priorisieren, die uns Mut machen und inspirieren? Meine Frau und ich haben letztes Jahr eine Auszeit gemacht und sind durch Europa gereist. Dabei haben wir auch unsere eigene Firma in Deutschland gegründet – was als digitale Nomaden gar nicht so einfach war. Ein Jahr nahezu ohne Nachrichten, Talkshows und Social Media hat uns gezeigt, dass Gedanken an Angst in den Hintergrund treten. Lief alles reibungslos? Nein, aber auftretende Probleme haben wir gelöst, ohne endlose „Orientierungsdebatten“ und „Strategie-Meetings“. Orientierungslosigkeit schafft Unsicherheit und ist ein Nährboden für Angst. Das gilt für den Einzelnen, wie für ein Land oder Europa. Wir sollten wir lernen zu erkennen, was wir wirklich wollen und wie wir diese Ziele erreichen, anstelle permanent darüber nachzudenken, warum es nicht funktioniert. Vielleicht gehört dann die „German Angst“ irgendwann der Vergangenheit an.
Rechtsanwalt in Pension
6 MonateGut gesagt!
Managementdenker, Übermorgengestalterin, Keynote-Speaker, Expertin für kundenzentrierte Unternehmensführung. LinkedIn Top Voice. Top Mind Award 2020. Unternehmerin der Zukunft 2024
6 MonateTeilt diesen Beitrag gern und ladet zum Abonnieren meines Newsletters ein. Danke dafür schon mal an Sabine Cornelia Bauknecht André K. Ulrike Berlenbach Dr. Lucian Dold Arthur Andrea Krause Otto Klatte u. v. a. m.
Inhaber und Geschäftsführer bei GRATA VISITA GmbH
6 MonateDas ist eine Top-Analyse, die auch mit meiner Wahrnehmung übereinstimmt. Es ist eminent wichtig, diese inneren Ängst zu relativieren und in einen Zustand der Gelassenheit zurückzukehren. Ist aber einfacher gesagt als gemacht. Es braucht eine aktive Reaktion auf die paralysierenden Gefühle, was geübt werden will.