Bürolandschaft: 13-Prozent-Faktor im War for Talents

Bürolandschaft: 13-Prozent-Faktor im War for Talents

Der War for Talents hatte hierzulande pandemiebedingt länger pausiert. Mittlerweile verschärft sich aber der Fachkräftemangel in Teilen der Wirtschaft wieder deutlich, sei es in Digitalunternehmen oder auch in naturwissenschaftlichen Berufsfeldern. Dem Home-Office zum Trotz nutzen immer mehr Arbeitgeber auch ihre jeweiligen Büros als Attraktivitätsfaktor, um Talente zu gewinnen oder zu halten.

Der Klang des Namens

Ein Büro als Attraktivitätsfaktor, das beginnt oft schon beim Standort. Vor allem Unternehmen, die (noch) keinen großen Namen haben, können vom Klang der Adresse oder des jeweiligen Stadtquartiers profitieren: Wenn ein Bewerber in Berlin zum Kurfürstendamm oder zur Friedrichstraße fährt, ahnt er, dass ihn finanzielle Stabilität erwarten. In der Oranienstraße oder die Köpenicker Straße rechnet ein ortskundiger Bewerber eher mit einem hohen Kreativanspruch. Fährt man in die Storkower Straße oder Landsberger Allee, dann wissen viele: Hier residieren IT- und Tech-Unternehmen, die erfolgreich aus ihren Start-up-Schuhen herausgewachsen sind.

Der Blick von außen

Dann das jeweilige Gebäude: Handelt es sich um einen Altbau? Diese sind häufig bei Menschen beliebt, die in innovativen Unternehmen oder in der Kulturwirtschaft arbeiten möchten. Das Spannungsfeld fasziniert: altes Gebäude versus neue Denkweisen der heutigen Zeit. Auch wirkt der enorme Unterschied zu den heutigen Baukonventionen auf viele Menschen anziehend — mit Fassaden, Fensterprofilen etc., die man heute einfach so nicht mehr realisiert. Wir haben gerade eine frisch sanierte Fläche in einer historischen Klinkerhalle aus der Kaiserzeit vermietet. Der Nutzer hatte durchaus einige Optionen auf verschiedene Neubauten, wollte aber unbedingt eine unverwechselbare Industriearchitektur mit neun Meter hohen Decken. Direkt neben dem Gebäude haben wir einen Neubau errichtet: Die Mieter dort haben ihren Einzug unter anderem mit der futuristischen Glasfassade begründet. Diese ist weithin sichtbar. Sichtbarkeit, Strahlkraft und Transparenz spiegeln dabei den eigenen Anspruch an die Arbeit. Allen Mietern gemeinsam ist: Sie wollen ihren Mitarbeitern mit den neuen Räumen etwas bieten.

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 Ob historische Bausubstanz oder Projektentwicklung: Gebäude sind eine Visitenkarte und ein Aushängeschild der Unternehmen, die darin arbeiten. Hier im Bild: Altbau und Neubau des DSTRCT.Berlin.

Das Gefühl von Wohnlichkeit

Es folgt das Gefühl, das die Bürolandschaft beim Ankommen vermittelt: Gibt es eine eigene Fahrradgarage? Wenn ja: Gibt es Duschen und Umkleiden? Gibt es vielleicht einen Concierge, der mal ein Hemd zur Reinigung bringt? Das mag eher nach Wohnzimmer oder Hotel klingen als nach Büro, aber tatsächlich geht der Trend seit einigen Jahren genau dahin. Und auch das Mobiliar wird zunehmend wohnlich gehalten: Sofas, Lounge-Sessel und attraktiv designte Holzregalen statt Metallschrank und Rollcontainer. Auch funktionale Phoneboxen, welche für ungestörte Onlinemeetings oder Telefonate genutzt werden können, werden zunehmend beliebter. In Sport- und Ruhebereichen wie Entspannungsräumen, soll man auch während der Arbeitszeit mal 15 Minuten schlafen können. Zudem geht der Trend hin zu mehr Farbenfreude an den Wänden und auf dem Boden. Weg von eintönigem Business-Grau oder Weiß. Der erste Eindruck auf einen Bewerber ist ein gänzlich anderer und muss es auch sein!

Noch nicht alles Standard

Viele Designer arbeiten darüber hinaus mit funktionalen „Hinguckern“ wie Sitzgelegenheiten, die man an einer bestimmten Stelle vielleicht nicht vermuten würde. Ein Beispiel sind Verbindungstreppen, die plötzlich eine Aufenthaltsqualität aufweisen. Treffpunkte sind wichtig. Die Kommunikation der Menschen untereinander wird stärker gefördert als früher, ein Mittel sind offene und loftartige Grundrisse. Pflanzen halten Einzug: Sie dienen erneut dem Gefühl der Wohnlichkeit, aber auch einem besseren Mikroklima. A apropos Mikroklima: Luftfeuchtigkeit, CO2-Gehalt und Temperatur am Arbeitsplatz können durch Sensorik erfasst und automatisch im jeweils idealen Bereich gehalten werden. Intelligente Technik im Büro kann demnach gegen Kopfschmerzen und trockene Augen helfen und bei Bewerbern die Assoziation wecken: „Warum ist das alles eigentlich nicht längst Standard?“ Dabei ist das Thema nicht neu. Schon vor zehn Jahren hat StepStone erhoben: Für 83 Prozent der Menschen wird ein Unternehmen durch die Arbeitsumgebung für Bewerber interessant.

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Isoliert sitzen kann man auch im Home-Office: Offene Bürogrundrisse verbessern die Kommunikation innerhalb der Teams und wirken positiv auf Bewerber und Talente, die schon da sind

Facettenreiche Entscheidung

Zur grundsätzlichen Einordnung: Natürlich hängt die Entscheidung für einen Job nicht primär von der Büroqualität, sondern von vielen Punkten ab. Ich sehe im gehobenen Dienstleistungssektor das Team als den wichtigsten Faktor — Menschen wollen mit Menschen arbeiten, mit denen sie sich nicht nur auf der fachlichen, sondern auch der persönlichen Ebene gut verstehen. Wir alle möchten doch Kollegen haben, mit denen die Zusammenarbeit einfach Spaß macht. Auf die man sich freut und auf die man sich verlassen kann. Vor diesem Hintergrund werden Bewerbungsgespräche in vielen Unternehmen längst so konzipiert, dass die Kandidaten schon in frühen Runden ihre potentiellen Kollegen kennenlernen. Talente fragen im Bewerbungsgespräch außerdem fast immer danach, ob sie räumlich und zeitlich flexibel arbeiten dürfen.

 

Schlechtes Büro: 13 Prozent der Menschen lehnen Job dann ab

Und in der nächsten Reihe - kommt aber unter anderem auch schon das Büro: Es ist mehr als nur Zünglein an der Waage, wenn zwei Unternehmen sonst ähnliche Voraussetzungen mitbringen. Ich würde die Bedeutung des Büros für die Jobentscheidung auf mindestens zehn Prozent schätzen. In einer ZIA-Publikation über Wohlbefinden und Produktivität am Arbeitsplatz findet sich eine ähnliche Zahl: So haben 13 Prozent der Deutschen tatsächlich schon mindestens einmal einen potenziellen Job aufgrund eines schlechten Büro-Designs abgelehnt.

 

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