Back to the roots – Mit Spiel, Spaß und Spannung die Wurzeln der Sportkarriere aufbauen

Back to the roots – Mit Spiel, Spaß und Spannung die Wurzeln der Sportkarriere aufbauen

Die Wurzel als der Treiber der Ausbildung

„Ein erwachsener, gesunder Baum mit voller Blütenpracht fußt auf den Erfolgen unter der Erde: Dem Wurzelwerk. Die Wurzeln verankern den Baum im Boden gegen äußere Widerstände. Ein gut aufgebautes, weit verzweigtes und gesundes Wurzelwerk versorgt den Stamm, Zweige und Früchte mit Wasser & Nährstoffen. Tiefe Verwurzelungen sind also die Grundbausteine des Baumes für seine Blütenpracht, für seine Langlebigkeit, für seine Nachhaltigkeit, für seine Resilienz gegen Widerstände“ 

Bei der Pflanzung und der Pflege eines jungen Baumes ist daher Behutsamkeit, sorgsames Züchten und eine entwicklungsgemäße, aber nicht übermäßige Behandlung gefragt. 

Dies alles trifft in ähnlicher Weise auf die Talententwicklung und den Kindersport zu. Wir müssen die Wurzeln wieder stärken und uns nicht auf das schnelle, künstliche Hochzüchten konzentrieren, insbesondere zu Beginn einer sportlichen Laufbahn.

Der sportliche Entwicklungsaufbau

Gemäß des langfristigen, systematischen Leistungsaufbaus (Hoffmann, 2013; Côté, Baker & Abernethy 2007) oder das aus dem kanadischen Raum bekannte „the long-term of athlete develelopment“- Modell (Balyi, Way & Higgs, 2013) sollte zu Beginn der Sportkarriere ein breites Fundament, ein tiefes Wurzelwerk gebildet werden.

Im Vordergrund steht eine allgemeine Bewegungsförderung. Balyi et al. sprechen von FUNdamentals: Der Sportzugang soll einerseits Freude bereiten, andererseits drückt der Begriff aus, dass die Schulung der fundamentalen, sportartübergreifenden Bewegungsformen wie Passen, Dribbeln, Werfen, Kicken geschult im Vordergrund stehen sollten.

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Der Sporteinstieg, der informelle Spoertzugang und die ersten Gehversuch im organisierten Sport sind entscheidend für ein tiefes, gesundes Wurtzelwerk

Was ist nun bei der Wurzelbildung entscheidend?

Erfahrungen sammeln:

Kinder möchten sich bewegen („Flow“). Der kindliche Erfolg beruht zu allererst darauf, Fertigkeiten auszuprobieren, Neues zu lernen, Grenzen auszuloten, Rückschläge zu erleben, zu verarbeiten und daraus gestärkt hervorzugehen. Ein erfolgreicher Torschuss bewerten Kinder höher als das Wissen um das Endergebnis im Wettkampf. Selbst wenn die verlierende Mannschaft ein Tor erzielt, meint man als Außenstehender oft, dass sie gerade den Weltmeistertitel geholt hätten - zum Glück. Womit wir beim nächsten Punkt sind...

Spaß:

Kinder möchten Spaß haben, durch und mit Bewegung. Ungezwungen, Selbstbestimmt, Erlebend. Und das ist die Grundlage für... die kindliche Unabhängigkeit...die Eigenkontrolle...für langfristig, selbst initiierte Erfahrungssammlungen...für die intrinsische Motivation... für ein nachhaltiges und effizientes Lernen. Kurz: Freudbetonte Bewegungserlebnisse schütten einen Reihe von Glücksbotenstoffe aus, die wiederum zur Neubildung und Verfestigungen neuronaler Strukturen anregen: Lernen wird einfacher und Gelerntes bleibt langfristig stabil erhalten.

Polysportivität bzw. integrative Sportspielvermittlung:

Die ersten Schritte im organisierten Sport sollten die Schulung sportspielübergreifender Basiskompetenzen beinhalten, egal ob mit Fuß, Hand oder Schläger. Lücke erkennen (Taktikbaustein), Anbieten & Orientieren (Taktikbaustein) , die Koordination, Flugbahnen des Balles erkennen (Technikbaustein), Laufweg zum Ball bestimmen (Technikbaustein) sind Basiskompetenzen, die in sämtlichen Sportspielen "Fundamentals" darstellen.

Somit wird die motorische Grundintelligenz, die Wurzelspitzen, weitläufig gesetzt. Das Erlernen disziplinspezifischer Grundlagen fällt anschließend leichter. Sportspielübergreifende Inhalte erleichtern den Kindern zudem auch die Orientierung in der Frage, in welcher Sportart sie sich zukünftig „zu Hause“ fühlen? Wo ihre Begabungen liegen? Welche Sportart sie langfristig ausüben möchten? Ein rein sportartspezifischer Zugang mit einer Ausrichtung auf eine limitierte Zahl an Bewegungsmuster bietet hingegen wenig Orientierung.

Freies, unangeleitetes Spielen:

Kids sollten überwiegend frei, eher unangeleitet Spielen. Es sollen und dürfen Fehler gemacht werden, damit daraus eigenständig gelernt werden kann (Stichwort „antizipative Verhaltenskontrolle“: Trial-Error). Frei spielende Kinder, die sich ausprobieren, haben eine breitere Aufmerksamkeit. Sie lernen eigenständig, relevante Spielsituation zu erfassen, zu bewerten. Sie können eigenständig mit Handlungslösungen experimentieren. Daraus resultiert - natürlich verbunden mit Misserfolgen, aber darauf beruht letztendlich der Lernanreiz - eine schnellere und erhöhte Auffassungsgabe, eine bessere Spielintelligenz und eine große Kreativität. Coaches, die vom Spielfeldrand ihren Spieler*innen alles vorgeben, vorwegnehmen, einfordern ("Reporter-Coach"), verleiten Spieler*innen nur noch nach dem Willen des Coaches zu agieren. Es folgt ein coachzentrierter Aufmerksamkeitsfokus, eine kleine Auswahl der immer gleichen Handlungsoptionen, eine geringere Spielintelligenz und -kreativität, vor allem in unerwarteten Situationen. Wir konditionieren und nivellieren Spieler*innen.

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Der treppenartige Entwicklungsaufbau mit seinen übergeordneten Schwerpunkten (die Stufen sind nicht streng abgrenzend zu betrachten, sondern gehen fließend ineinander über, verlaufen teilweise parallel.

Der informelle Sportzugang

Spaß, Freude, freies Spielen, Ausprobieren, Hinfallen, wieder aufstehen, vielfältig bewegen, machen wie es einem gefällt, bis Abends unterwegs sein, aufgerissene Hosen, blutige Knie. Stimmt, das kommt einem bekannt vor: Früher hatten wir für hierfür den informellen Weg über den Bolzplatz, den Wald, die Straße, um tiefe (Sport-)Wurzeln ziehen zu können. Heute belegen viele Studien, dass der informelle Sportzugang leider stets abnimmt. Die Mitgliedszahlen zeigen, dass im Vergleich zur Jahrtausendwende mehr Kinder immer früher in die Sportvereine gehen (leider fehlen uns allerdings häufig gut qualifizierte Kinder-Übungsleiter*Innen: eine andere Baustelle), jedoch einhergehend mit einem vermehrten „Disziplin-/ Vereinshopping“ und einer größeren Drop-Out-Quote.

Was allerdings noch sehr viel schwerer wiegt: Das 1-2x wöchentliche sportartspezifische Vereinstraining im F-Juniorenbereich kann das Toben, Spielen, Klettern, Fangen auf der Wiese, im Hinterhof oder der Straße nicht mal ansatzweise ersetzen, hier verbrachten wir gut und gerne 15 Std./ Woche.

Zurück in die Zukunft? Eine große Herausforderung!

Die erste Etappe, die allgemeine Bewegungsausbildung bzw. die Phase der FUNdamentals, mit dem Ziel vielfältige, motorische Grundfertigkeiten zu erlernen, bricht leider immer mehr weg. 

Wir bilden frühzeitig sportartspezifisch aus, wir steigen in der 2. Etappe ein, dem Grundlagentraining. 

Einen Trend, der in die falsche Richtung geht. Die Zeit zurückzudrehen, ist heute aufgrund der Urbanisierung, der Technologisierung, des gesellschaftlichen Wandels schwierig. Es fehlt Spielraum, es gibt weniger Zeit, und wir haben weitere häufig sozial schwierige Kontextbedingungen (Leistungsorientierung, beide Eltern berufstätig, ängstliche Eltern-Einstellungen etc.).

Ein Ansatz wäre die erste Etappe vermehrt in der KiTa oder den (Ganztags-) Schulen zu verankern. Aber auch die Vereine und die Dachverbände müssen Wege finden, wie wir unseren Kindern wieder ein weitverzweigtes Netz an tiefen Sport-Wurzeln ermöglichen können. 

Man darf nicht verlernen, die Welt mit den Augen eines Kindes zu sehen." (Henri Mattis)

Zurück zu den Wurzeln – back tot he roots.


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Inhalte, Ziele, Schwerpunkte, Methodik, Motoivation der Trainingsetappen


Nachtrag

Auf der letzten Slide habe ich Inhalte und Ziele der Etappen (Talententwicklung) zusammengetragen. Die Phasen sind bitte nicht streng abgrenzend zu betrachten, die Etappen verlaufen z.T. parallel und gehen fließend ineinander über. Insbesondere Im Hinblick auf das individuelle Entwicklungsalter (physisch, kognitiv, sozial-emotional), haben wir eine hohe Variationsbreite. Daher ist das individuelle Entwicklungsalter dringend als Bezugsgröße zu berücksichtigen, u.a. indem wir nicht nach starren Jahrgangsfenstern einteilen.

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