Betrachtungen zur velophilen Teilhabe und zur Zukunft der Menschheit (Teil 1)
Mein Urgoßvater mit Hochrad (Teil 1)

Betrachtungen zur velophilen Teilhabe und zur Zukunft der Menschheit (Teil 1)

Pedalieren in der Krise – Weltanschauung, Präferenz, Zwang …

Was ist das für ein Ding, dieses Fahrrad?

Unbestritten älter als das Automobil, ist es das stillste und manchmal sperrigste Transportmittel seit Inbetriebnahme durch Baron von Drais. In Jahreszahlen: Seit 1817.

Da es in vieler Hinsicht weniger ist und leistet als ein Automobil, hat jenes den Zeitgeist für sich entschieden. Seit über 100 Jahren wird daher die Infrastruktur unsrer Welt optimiert für Autos.

Wir kennen durch Fahrräder verursachtes Verkehrschaos nur noch von historischen Fotos oder aus alten Filmchen, die jüngsten davon aus Asien.

Allerdings kennt jede*r Berufspedaleur (oder Arbeitsweg-Teilzeitradler) das Verkehrschaos, eingepfercht auf engen Spuren während der Rush-Hour. Doch darum gehts hier nicht.

Das Auto hat gewonnen, weil es in (fast) allen Nischen und Bedarfen dem Fahrrad überlegen ist.

Nun aber ändern sich die Vorzeichen, weil das Auto in künftigen Bedarfen nicht länger die Nase vorn hat.

Voraussetzung hierfür ist: Wir wollen es so.


Mein Urgroßvater besaß angeblich das erste Hochrad in Sachsen.

Aus dieser Familientradition erbte ich immerhin noch ein Wanderer-Rad mit original Gummibereifung (aus den 1930er Jahren). Leider hat mein Bruder diesen Donnerkeil in den 80ern verschachert, mir damals immerhin als kleinen moralischen Ausgleich mein erstes echtes Diamant-Rennrad vermacht. (Sowas fuhren damals nur Clubmitglieder von Vereinen. Und ich als selbst ermächtigter Pimpf entdeckte das Leipziger Umland.)

Ich kann meinen Urgroßvater nicht fragen, warum er dieses stolze wagemutige Zweirad fuhr im Naumburg der 1880er Jahre. Als Fabrikant von Unterwäsche war er erfolgreich in einem anderen Metier, und sicher eher angewiesen auf vierrädrige Droschken für die eigene Unternehmenslogistik.

Naumburg ist eingebettet in herrliche Weinhügel und Wälder. Fuhr er spazieren entlang der Saale? Mit Freunden zur Weinverkostung? Oder nur zum Angeben um den Dom herum?

Und mithilfe welcher Vehikel meisterte er seine Logistik?

Wie auch immer, alte Fahrräder existieren in Erbfolge länger als die meisten Automobile.

Oder auch nur vielleicht länger. Je nachdem, wie groß die eigenen Kellerkapazitäten so sind.

Mir haben Fahrräder nicht nur mobile Autarkie ab Start (Kinderrad Marke „Blitz“) ermöglicht. Ich konnte trotz Berliner Kindheit Wettrennen mit anderen Kindern fahren und irgendwann auch kleine Dinge reparieren. Und es gab diese Teile, die ewig hielten. Obwohl schon steinalt und irgendwie lebensgefährlich. Beim Wanderer-Rad etwa versagte der Rücktritt, weil die Bremsschnecke völlig zerleiert war. Aber mit dem perfekt dosierten Bremsdruck gings trotzdem. Ehem, meistens. Später ist mir fast das Karbid in der Vorderlampe explodiert, weil alles mal getestet werden muss.

Wir haben im Osten Deutschlands improvisieren müssen, um uns abzusetzen vom Mainstream. Also gab es einen Bonanza-Sattel plus Hochlenker. Und es gab historische Federn für die Vordergabel, womit unsere Klappräder BMX-tauglich wurden. Irgendwie jedenfalls.

Diese simple Garantie aus Haltbarkeit und Improvisation plus günstiger Teile ist unschlagbar. Das erkenne ich jetzt im Rückblick. Und natürlich ist dies nicht unsere westliche Gegenwart. Hier dominieren schnelle Lebenszyklen und herstellergewollte Normen unseren Konsum.

Juliya Stomal

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