BYE-BYE SCHRIFTFORM – WAS EIGENTÜMER UND KÄUFER NUN TUN SOLLTEN
Mit dem vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) entfällt ab dem 01.01.2025 die Schriftformpflicht bei gewerblichen Mietverträgen. Diese Neuerung vereinfacht den Vertragsabschluss, bringt aber auch Herausforderungen für Eigentümer und Käufer.
Rechtsanwältin Lisa Bohardien von B|LEGAL zeigt auf, welche Schritte Eigentümer jetzt ergreifen sollten, um sich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten.
1. Vor- und Nachteile der bisherigen Praxis
Bisher war erforderlich, dass Abschlüsse und etwaige Änderungen von Gewerberaummietverträgen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr (= fast alle) „schriftlich“ erfolgen. D.h. durch ein entsprechendes Schriftstück (die „Urkunde“), das alle wesentlichen Regelungen des Vertrages – also vor allem die Namen der Vertragsparteien, den Mietgegenstand, die Laufzeit und die Miethöhe) enthält und von den Parteien unterschrieben wurde. Bei Nachträgen musste die Urkunde zusätzlich unzweifelhaft auf den Mietvertrag und etwaige vorherigen Nachträge verweisen.
Es war also beim Abschluss von Mietverträgen und Nachträgen eine gewisse Sorgfalt geboten, um den Anforderungen der Schriftform zu genügen. Und genau diese Sorgfalt wurde im Rahmen von Transaktionen auf den Prüfstand gestellt. Denn war ein Mietvertrag bzw. etwaige Nachträge nicht schriftformkonform, drohte das Risiko einer vorzeitigen ordentlichen Kündigung durch eine der Parteien – und dahin war die Kaufpreisbewertung, die auf einer gewissen festen Restlaufzeit der Mietverträge basierte. Dies konnte z.B. durch Widersprüche in den Vertragsunterlagen selbst oder aber durch zusätzliche Vereinbarungen zwischen den Parteien, die überhaupt nicht schriftlich niedergelegt wurden, geschehen.
Die Schriftform war damit eine eher unliebsame Anforderung, hatte aber den Vorteil, dass der Erwerber des Grundstücks bei einer Transaktion erstmal „nur“ die schriftlichen Mietvertragsunterlagen zu prüfen hatte, um sich ein Bild von den Regelungen zu machen, in die er mit dem Eigentumsübergang eintreten würde (§ 566 BGB – „Kauf bricht nicht Miete“).
Außerdem lief der Abschluss von Mietverträgen und Nachträgen in der Vergangenheit wie folgt ab und hatte daher wesentliche Beweis-, Warn- und Schutzfunktionen:
2. Was sich ab 2025 ändert
Zukünftig reicht hingegen die Einhaltung der Textform (§ 126b BGB) beim Abschluss und bei Änderungen von Gewerberaummietverträgen. Diese erfordert „nur noch“, dass eine lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird, die den Erklärenden eindeutig erkennen lässt (wie z.B. per E-Mail, SMS oder auch WhatsApp oder anderen Messengerdiensten).
Der größte Unterschied der Textform besteht wohl darin, dass es grundsätzlich keiner Unterschrift mehr bedarf. Dies scheint ein Detail zu sein, hat aber für die Praxis große Auswirkungen. Durch das fehlende Erfordernis eines zu unterzeichnenden Schriftstücks, kann nun auch der Asset Manager selbst z.B. durch bloße SMS-Korrespondenz und gegebenenfalls sogar ohne übertragene Vertretungsbefugnis weitreichende Änderungen eines Mietvertrages vereinbaren. Oder aber es kommt zu einem Mietvertragsabschluss, weil sich die Parteien in ihrem Austausch per E-Mail irgendwann über alle wesentlichen Regelungen des Mietverhältnisses geeinigt haben und diese so zusammenfassen, dass darin ein verbindlicher Abschluss zu sehen ist – ohne dass sie zu diesem Zeitpunkt schon über sämtliche Regelungen gesprochen haben. Im „Nachhinein“ wird es unter Umständen schwierig, den Mieter noch zu Vereinbarungen zu bewegen, die zu seinen Lasten vom Gesetz abweichen (z.B. zu Instandsetzungsverpflichtungen).
An dieser Stelle sei angemerkt, dass die Anforderungen an die „Einheitlichkeit der Urkunde“ fortgelten, d.h. alle Regelungen des Mietvertrages bzw. des Nachtrages müssen sich grundsätzlich aus einem einzigen Dokument/Textstück ergeben – zerstreute E-Mails über mehrere Wochen reichen daher z.B. nicht aus, um ein Ganzes zu ergeben und einen Vertragsabschluss oder Nachtragsabschluss zu bewirken.
Für Immobilientransaktionen bedeutet dies also, dass nun neben den urkundlichen Vertragsunterlagen (also die „klassischen“ Mietvertrags- und Nachtragskopien) auch der Korrespondenz zwischen Mieter und Vermieter enorme Bedeutung zukommt. Jeder E-Mail-Austausch und jeder WhatsApp-Chatverlauf können grundsätzlich vertragliche Vereinbarungen enthalten.
3. Handlungsempfehlungen
Die vermeintliche Vereinfachung durch die Abschaffung des Schriftformerfordernisses stellt die Akteure der Immobilienwirtschaft daher vor ganz neue Herausforderungen, mit denen kurzfristig umzugehen ist. Und wir helfen Ihnen dabei!
3.1 Konkrete Schritte für Eigentümer
Eigentümer müssen damit rechnen, beim nächsten Verkauf eines Grundstücks (1) textliche Vereinbarungen mit den Mietern und damit auch Korrespondenz in Form von E-Mails oder sonstigen Nachrichten offenlegen zu müssen und (2) vom Käufer um eine Vollständigkeitsgarantie bezüglich sämtlicher Mietvertragsvereinbarungen ersucht zu werden.
Um darauf vorbereitet zu sein, empfehle ich Eigentümern und Bestandsverwaltern diese vier Maßnahmen:
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a. Sensibilisierung innerhalb des Unternehmens
Sofern noch nicht geschehen, sensibilisieren Sie schnellstmöglich diejenigen Personen in Ihrem Unternehmen, die regelmäßig im Kontakt mit den Mietern stehen. Informieren Sie sie über die Chancen, aber vor allem die Risiken, die mit der Gesetzesänderung einhergehen. Sprich: Weisen Sie Ihre Mitarbeiter*innen darauf hin, dass nun verbindliche Vereinbarungen auch per E-Mail oder Messenger getroffen werden können und daher Vorsicht bei konkreten Zugeständnissen, Zusagen oder Angeboten an den Mieter geboten ist.
b. Optimierung Ihrer Standard Operating Procedures
Nutzen Sie die neue Regelung als Gelegenheit, Ihre internen SOPs zum Abschluss von Mietverträgen und Nachträgen zu optimieren:
c. Neue Klauseln für Ihre Mietverträge und Nachträge
Ihre Mietvertrags- und Nachtragsmuster sollten an die neuen gesetzlichen Regelungen angepasst werden:
d. Sinnvolle Speicherung relevanter Korrespondenz zu den Mietverhältnissen
Und last but not least: Überprüfen Sie Ihr derzeitiges Dokumentenmanagementsystem insbesondere daraufhin, ob bzw. welche Korrespondenz zu Mietverhältnissen abgelegt wird.
Falls nicht, ist nun die Zeit, den Umgang mit der Korrespondenz zu ändern bzw. zu optimieren!
Mit diesen vier Maßnahmen sind Sie als Eigentümer gut für die neuen Anforderungen gewappnet.
3.2 Konkrete Schritte für Käufer
Käufer müssen sich darauf einstellen, bei der nächsten Transaktion neben den bisher üblichen Mietvertragsunterlagen, Dauermietrechnungen und Nebenkostenabrechnungen auch Korrespondenz in Form von Anschreiben, E-Mails und ggf. WhatsApp- oder sonstigen Nachrichten im Datenraum vorzufinden. Und wenn es schlecht läuft, in einer enormen Anzahl.
Unternehmen, die regelmäßig Unterlagen für (potentielle) Ankäufe von Grundstücken prüfen, tun also gut daran, selbst oder mit ihren rechtlichen Beratern über die Prüfung solcher Korrespondenz zu sprechen und sich mit digitalen Tools vertraut zu machen, die eine solche Prüfung unterstützen können.
Sie möchten mehr erfahren oder wünschen sich Unterstützung bei der Umsetzung der genannten Maßnahmen? Dann kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung zu den neuen Anforderungen an Ihr Unternehmen!
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1 MonatVielen Dank für die Möglichkeit, meine Handlungsempfehlungen für Vermieter und Käufer hier zu teilen, lieber Patrick!