Chancen- versus Risikoorientierung in der Softwareentwicklung

Chancen- versus Risikoorientierung in der Softwareentwicklung

Teams zur Softwareentwicklung setzen sich in der Regel aus recht unterschiedlichen Fach- und Technikspezialisten zusammen, die zudem von ihren Arbeitspräferenzen und Persönlichkeiten sehr unterschiedlich sind. Ein klassisches Phänomen ist in den Teams zu beobachten:

Bei anspruchsvolleren und komplexeren Entwicklungsthemen teilt sich das Team in chancen- und risikoorientierte Teammitglieder. Dies ist z.B. typisch für digitale Transformationsthemen, insbesondere wenn neue Technologien angewendet oder disruptive Ansätze verfolgt werden sollen.

Die chancenorientierten Teammitglieder des Entwicklungsteams möchten etwas Neues gestalten, schauen optimistisch in die Zukunft und begeistern sich in Erwartung der Möglichkeiten.

Die risikoorientierten Teammitglieder erwarten dagegen eher Detailprobleme, investieren die meiste Energie darin Hindernisse aufzuspüren, möchten durch tiefergehende Analysen den Sachverhalt erst gut verstehen und Fehler vermeiden.

In einigen Teams haben die recht unterschiedlichen Fach- und Technikspezialisten gelernt die unterschiedlichen Perspektiven ergänzend zu verbinden und dynamisch neue, aber auch funktionierende Software zu entwickeln.

In vielen Teams existieren hingegen persönliche Spannungen, die sich bis hin zu Blockaden in der Zusammenarbeit entwickeln können: Die Chancenorientierten wollen voran preschen, während die Risikoorientierten Bedenken haben und erst langwieriger und umfangreicher prüfen sowie ggf. Lösungen/Workarounds/ No-Gos finden möchten. Das häufige "Ja, aber..." strapaziert häufig wiederum die Geduld und die optimistische Zielorientierung der Chancenorientierten.

In der Praxis kann dies z.B. zu folgenden Phänomenen führen:

„Meine Softwareentwickler sind häufig so still“, sagte ein extrovertierter Product Owner, der dynamisch neue Software mit einer neuen Technologie entwickeln wollte, während die besonnenen, detailorientierten Softwareentwickler sich im Hinblick auf ihre Risikothemen nicht angehört, wertgeschätzt und mitgenommen fühlten. Sie zogen sich in ihre Introvertiertheit zurück. In einem Praxisfall wurde ein großes Risiko ob des stetigen, verbalen Drucks des Projektleiters verschwiegen, was nach einer systematischen Chancen-Risiko-Matrixanalyse im Teamcoaching klar zu Tage kam, geprüft wurde und zur teuren Beendigung eines Millionenprojektes führte.

"Wir reden zu lange und unübersichtlich über viele potenzielle Risiken, bauen persönliche Konflikte auf und sind ineffizient die Vielzahl der Themen systematisch zu lösen!" Die Softwareentwickler haben eine Vielzahl von Risiken immer wieder gegenüber Product Ownern und Scrum Mastern vorgebracht, diese aber oft die Vielzahl der Themen nicht transparent gefixt, systematisch bewertet und Maßnahmen auch nicht gemeinsam vereinbart bekommen. Nicht verwunderlich war daher der Anlass zur Teamentwicklung: „Zu viele, unnötige Qualitätsprobleme und persönliche Konflikte!“

„Teambereinigung“ in Teams betrieben wird: Neue Scrum Master, Product Owner oder Softwareentwickler werden ob ihres dynamischen, flexiblen und kreativen Vorgehens als zu riskant betrachtet und auflaufen gelassen. Das langjährige, eingespielte Softwareentwicklungsteams verlässt seine risikoaverse, strukturierte Teamkultur nicht und lässt sich nicht auf neue Wege zur Bewältigung einer Vielzahl neuer Risikoquellen ein. Die frustrierten, neuen Kollegen verlassen das Team wieder, da neue, innovative oder sogar disruptive Projekte ein Öffnen für neue Wege, mehr Experimente, mehr Unbekanntes und die systematische Auseinandersetzung mit deutlich mehr Risikoquellen erfordern.

Die Ursachen für derartig diversen Einstellungen liegen zumeist in unterschiedlichen Arbeitspräferenzen und Einstellungen, die sich in bevorzugte Teamarbeitsrollen kristallisieren. Diese gilt es den unterschiedlichen Teamplayern bewusst zu machen sowie die Potenziale und Vorgehensweisen einer ergänzenden Zusammenarbeit zu verdeutlichen, z.B. im Pairing, in Tandems, Subteams und natürlich im Gesamtteam (s. auch Teamentwicklung und Teamintegration in der Softwareentwicklung und

Vom kreativen Innovator zum ideenreichen Teamplayer: Die unterschiedlichen Team-Arbeitspräferenzen von kreativen Innovatoren – Collaborate to Innovate!).

Die Auswirkungen der unterschiedlichen, persönlichkeitsbedingten Chancen- und Risikoorientierung findet man natürlich häufig auch in anderen IT-Funktionsteams und in Transformationsprozessen. In vielen Fällen kann die Reflektion auf der Basis von Opportunities-Obstacles Profile recht hilfreich sein, um:

  1. Veränderungs- und Herausforderungsbereitschaft von Einzelpersonen und Teams zu reflektieren und deutlich zu steigern.
  2. Die ergänzende Zusammenarbeit bei der Identifizierung von Chancen und Risiken im Konsens sowie die gemeinsame, systematische Hebung von Chancen und Bewertung und Reduzierung von Risiken.
  3. Die Präferenzen und Fähigkeiten von Teammitgliedern im Hinblick auf Mustererkennung von Fehlern oder Vielfalt von Lösungswegen zu entwickeln und umsetzen zu können.
  4. Unter Umständen die Teamzusammensetzung auf die Transformationsziele anzupassen.

Meine Vertiefungsangebote zu diesem Themenkreis:

Coaching Teamführung: Stärken bewußt nutzen und Entwicklungspotenziale ergreifen - Online-Assessment und Online-Coaching

Scrum Kollaboration: Ihre Stärken und Entwicklungspotenziale in der Zusammenarbeit als Scrum Master und Product Owner aktiv nutzen

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Der Product Owner als auswählender Entwickler und zielstrebiger Organisator: Die Team-Arbeitspräferenzen von Product Ownern - Collaborate to develop!

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