Chancenmanagement und Krisenbewältigung
Auch wenn die Prognosen ordentlich sind, stehen die Zeichen in den Unternehmen eher auf Krise als auf Aufbruch. Zur besseren Einordnung der vorherrschenden Krise, hat der IDW (Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.) sechs Krisenstadien in Unternehmen allgemeingültig festgestellt - von der Stakeholderkrise bis zur Feststellung der Insolvenzreife. Aus unserer Beobachtung und Gesprächen mit zahlreichen Unternehmen, befinden sich viele Unternehmen im Krisenstadium zwischen Erfolgs- und Liquiditätskrise. Merkmal dafür sind steigende Bestände, Preisnachlässe und Ergebnisrückgang. Reagiert wird darauf mit Kosteneinsparungen in allen Bereichen, Ausschöpfen der vorhandenen Kreditlinien, Kurzarbeit, Verzicht auf Skonti und Zahlung nach Fälligkeit. Wirtschaftsprüfer und Sanierungsexperten würde diese und/oder vergleichbare Maßnahmen zur Anwendung bringen. In dieser Situation absolut der richtige Weg und wenn diese Maßnahmen gut geplant und umgesetzt werden, führen diese meist auch wieder aus der Krise. (nicht gemeint, sind die Unternehmen, denen bereits eine Zahlungsunfähigkeit droht).
Stecken wir trotz robuster Auftragslage in einer Erfolgs- und Liquiditätskrise?
Bodo Schäfer empfiehlt in seinem Buch „der Weg zur finanziellen Freiheit, wie ein Vermögen aufgebaut werden kann auch wenn man Schulden hat, folgendes: Wer einen Kredit abzahlen muss, sollte nicht jeden verfügbaren Euro für die Abzahlung des Kredits verwenden, sondern einen Teil abzweigen und diesen zum Sparen einsetzen. Auf diese Weise wird der Kredit abgezahlt und parallel ein Guthaben angespart. Gleichzeitig abzuzahlen und zu sparen, hat vor allem einen motivierenden Effekt und das Vermögen wächst auf zweierlei Weise. Auf die Situation der Unternehmen übertragen, heißt das, zum einen die Maßnahmen der Krisenbewältigung konsequent durchzuführen und gleichzeitig nach Wachstums- und Entwicklungsmöglichkeiten zu schauen. Aktuell ist unser Eindruck, dass dieser Punkt in einigen Mittelständischen Unternehmen vernachlässigt oder sogar ignoriert wird. Aber wenn das passiert, gelangt das Unternehmen automatisch in eine Aussichtslosigkeit und schwingt zwischen Erfolgs- und Liquiditätskrise hin und her. Ein Kreislauf, der nur schwer wieder durchbrochen werden kann. Natürlich ist einem aktuell nicht danach zumute, Wachstums- und Innovationsprojekte zu starten, wenn auf der anderen Seite intensive Kosteneinsparungsprogramme im Unternehmen laufen.
Dabei kommt mir ein passendes Zitat von Dieter Zetsche, dass er während der Finanzkrise 2008/2009 gesagt hat in den Sinn:
„Eiserne Kostendisziplin in der Automobilindustrie ist heute zwar eine notwendige Bedingung zum Überleben der Gegenwart. Wer aber zulässt, dass der Rotstift an die Stelle strategischer Planung tritt, gefährdet seine Zukunft."
Und die heutige Situation von Daimler zeigt sehr anschaulich, dass die eiserne Kostendisziplin, das Unternehmen beinahe in das Abseits der Automobilhersteller gebracht hätte. Wie es anders gehen kann zeigen einige Beispiele. Dazu müssen wir gar nicht erst über den grossen Teich schauen, der Blick im eigenen Land reicht dafür. Der Onlineautohändler Auto1 Group hat gerade einen milliardenschweren Börsengang hingelegt. Das Unternehmen hat im ersten Schritt Fahrzeuge von Privatleuten abgekauft und diese dann an Händler weiterverkauft, und mittlerweile werden auch Gebrauchtwagen an Privatkunden verkauft. Eigentlich gar nicht so verrückt innovativ das Geschäftsmodell. Aber der Gebrauchtwagenmarkt in Europa ist groß (600 Milliarden Euro Umsatz in 2019) und der Anteil an Onlineverkäufen bisher noch sehr gering. Die Experten sehen darin eine einzigartige Marktchance, was sich in dem hohen Börsenwert widerspiegelt.
Die etablierten Unternehmen haben diese einzigartige Marktchance jedenfalls nicht gesehen und für die eigene Vertriebs- und Händlerorganisation können solche Start-ups wie die Auto1 Gruppe schnell zum Bedrohungspotenzial werden. Das Beispiel zeigt, dass es sich lohnen kann gegen den Strom zu schwimmen und in Situationen Projekte zu starten, die auf den ersten Blick nicht opportun erscheinen. Dabei können beispielsweise Partnerschaften helfen. Sei es zu innovativen Start-ups, zu Lieferanten oder interessanten Partner. Zu Partnern, die über ausreichend Kreativität und vor allem über das technologische Verständnis sowie die aktuellen Trends verfügen.
Dieses Prinzip hat sich der baden-württembergischen Maschinenbauer Dürr für die Unternehmensentwicklung zu nütze gemacht. Das Familienunternehmen hat sich ein Wertschöpfungsnetzwerk aufgebaut und bindet entsprechende Unternehmen ein. Auf diese Weise verfolge der Konzern zwei grundsätzliche Ziele, sagte Dürr-Vorstandschef Ralf Dieter dem: "Entweder die Stärkung und Zukunftssicherung unseres Kerngeschäfts oder die Erschließung neuer, wachstumsstarker Geschäftsfelder." (Quelle: Handelsblatt 7.1.2021: Unternehmen, die neue Geschäftsfelder erschließen sind laut einer Studie erfolgreicher als Traditionalisten). Dass, diese Ausrichtung für Dürr der richtige Weg ist, zeigen die Zahlen: 38 Prozent des Umsatzes stammen aus Geschäftsfeldern, die 2010 noch nicht im Geschäftsbericht auftauchten. Die durchschnittliche jährliche Aktienrendite liegt seitdem bei 26 Prozent, in den ersten drei Jahren waren es sogar 68 Prozent. Bei der Suche nach M&A-Zielen richte Dürr sein Geschäft vor allem an vier großen Trends aus, so Vorstandschef Ralf Dieter: "Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Automatisierung und Elektromobilität." Wer neue Geschäftsfelder erschließt, kann eine höhere Umsatzrendite erzielen, hat die der Schweizer Company-Builder Stryber in einer Studie herausgefunden. Besonders deutlich ist die Auswirkungen bei Unternehmen, die radikal umbauen und mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes mit neuen Geschäftsfeldern erzielen: Sie erreichen jährlich im Schnitt 11,2 Prozent Rendite. Konzerne ohne neue Geschäftsfelder erreichten im Betrachtungszeitraum von 2010 bis 2019 nur 7,3 Prozent, das das Ergebnis der Studie.
Gegen den Strom schwimmen und die Digitalisierung als Enabler für zukünftiges Wachstum nutzen.
Die Digitalisierung bietet technologischen Fortschritt und eine breite Auswahl an Möglichkeiten für die Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells. Sei es in der Zusammenarbeit mit Start-ups sich Innovationen und neuste Technologien ins Haus zu holen. Oder eine andere Möglichkeit selbst innovative Gestaltungspotenziale zu identifizieren mit dem ein relevantes vorherrschendes Kundenproblem und mit kreativen innovativen Produkten beantwortet wird. Zukünftig werden die Unternehmen, punkten, die aktiv die Chancen der Eco-Systeme und Wertschöpfungsnetzwerke für sich nutzen. Die nicht nur ihre Zusammenarbeit neu denken, sondern ihr gesamtes Business. Dadurch gewinnen die Kunden-Partner mehr unternehmerische Resilienz, erschließen sich rascher Wachstumsfelder und folgen Digitalstrategien, die sich auch lohnen. Ermöglicht wird das durch eine intelligente Vernetzung von Personen, Gegenständen, Maschinen und Standorten. Das Ergebnis: Das Entstehen komplett neuer Geschäftsmodelle und -felder.
Gegen den Strom schwimmen – lohnt sich.