Chaos im Eishockeyverband
Moderation: Nassim Ghobrial (FSM Rechtsanwälte)
Anknüpfend an das letzte Interview gibt es nun wieder Neuigkeiten zum Thema „Streitigkeiten im Spitzensport“. Dieses Mal betrifft es aber nicht den Fußball.
Wir haben Sportrechtsexpertin Dr. Anna Maria Stelzer (FSM Rechtsanwälte) dazu befragt.
Nassim Ghobrial: Nicht nur im Fußball werden Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht ausgetragen, sondern auch im Eishockey. Kannst du uns darüber mehr erzählen?
Anna Maria Stelzer: Das ist richtig. Bei den aktuellen Streitigkeiten geht es dieses Mal um Eishockey und zwar konkret um eine Wahlanfechtung.
Auch im Eishockey können Streitigkeiten vor einer Schlichtungseinrichtung oder einem Schiedsgericht ausgetragen werden. Der Österreichische Eishockeyverband (ÖEHV) hat davon Gebrauch gemacht und ein Schiedsgericht eingerichtet, das sich aus drei gewählten Schiedsrichtern zusammensetzt. Dieses Schiedsgericht entscheidet demnach über alle Streitigkeiten, die aus dem Verbandsverhältnis entstehen.
Nassim Ghobrial: Worum ging es bei der Wahlanfechtung?
Anna Maria Stelzer: In der Satzung des ÖEHV ist vorgesehen, dass mit der Wahl des Präsidiums auch ein dreiköpfiges Schiedsgericht, jeweils mit einer 4-jährigen Funktionsdauer, einzurichten ist. Die diesbezügliche Wahl fand Ende Juni statt. Gewählt wurden ein neues Präsidium und ein neues Schiedsgericht.
Gegen diese Wahl, konkret gegen die Wahl des neuen Verbandspräsidenten des ÖEHV, kam es zu einem Einspruch aufgrund eines Formalfehlers.
Somit liegt ein Fall für das Schiedsgericht vor. Die große Frage ist nun, welches Schiedsgericht über die Rechtmäßigkeit der Wahl zu entscheiden hat: das Schiedsgericht der alten Funktionsperiode oder das neu gewählte Schiedsgericht.
Nassim Ghobrial: Welches Schiedsgericht trifft nun die Entscheidung?
Anna Maria Stelzer: Genau das ist in diesem Fall besonders skurril. Das Schiedsgericht der neuen Funktionsperiode müsste über die Rechtmäßigkeit der Wahl des Präsidiums und demnach auch über ihre eigene Wahl entscheiden. Das stößt natürlich vehement auf Kritik.
Der ÖEHV sieht das Schiedsgericht der neuen Funktionsperiode voll in Funktion und handlungsfähig, weshalb dieses auch für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Wahl zuständig sei. Klarerweise anders sehen dies die Antragsteller des Einspruchs, die sich für eine Entscheidung durch das Schiedsgericht der alten Funktionsperiode aussprechen, und zwar mit der Begründung, dass der Formalfehler bereits vor der Wahl passiert und daher das „alte“ Schiedsgericht zuständig sei.
Nassim Ghobrial: Wie beurteilst du im konkreten Fall die Zuständigkeit des Schiedsgerichts?
Anna Maria Stelzer: Bereits beim letzten Mal habe ich ausgeführt, dass die Art der Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis in den Statuten zu regeln ist. Wie die Schlichtungseinrichtung oder das Schlichtungsverfahren dann näher ausgestaltet wird obliegt grundsätzlich der Verbandsautonomie. Lediglich Eckpfeiler eines fairen Verfahrens sind einzuhalten: dazu zählen insbesondere die Unbefangenheit der zur Schlichtung berufenen Personen und die Gewährung beiderseitigen Gehörs.
Von einer Unbefangenheit der gewählten Schiedsrichter der neuen Funktionsperiode kann man wohl nicht sprechen, wenn diese im Zuge der Wahlanfechtung auch über die Rechtmäßigkeit ihrer eigenen Wahl zu entscheiden haben. Entscheidungen des Schiedsgerichts der neuen Funktionsperiode sind demnach wohl rechtswidrig.
Meines Erachtens gibt es für die Frage der Zuständigkeit zwei mögliche Varianten. Naheliegend ist, dass über die Rechtmäßigkeit der Wahl noch das Schiedsgericht der alten Funktionsperiode entscheidet. Bestehen aber auch hier Zweifel bezüglich der Unbefangenheit der Schiedsrichter sind wohl im Rahmen der Satzung des ÖEHV neue Schiedsrichter zu wählen.