Clubhouse - New Hot oder Shit?
Viele Meinungs- und Medienmacher*innen sitzen in diesen Tagen mit Augenringen und Druckschmerz von Earpods im Homeoffice, geschwächt und gleichzeitig inspiriert vom nächtelangen Durchchatten im Clubhouse.
Audio boomt, vor allem die neuen Audio-Angebote wie Podcasts und Streamingangebote haben rasante Zuwächse. Jetzt ist diese neue Social Media-Plattform mit einer Mischung aus Live-Podcasts, Paneldiskussion und legitim belauschten Privatunterhaltungen mitten in den zweiten Lockdown gekracht – und geht auch wohl so schnell nicht wieder weg.
Dank Bodo Ramelows sexistischer Äußerungen zu später Stunde ist Clubhouse in Deutschland im Mainstream angekommen. Die Lernkurve im Umgang mit dem neuen Tool steigt zwar nicht so rasant wie die User-Zahlen, aber noch herrscht Goldgräberstimmung:
Räume mit hochkarätiger Besetzung finden sich mehrmals am Tag zusammen, die normalerweise das Budget sämtlicher Fernsehsender sprengen würde.
Thomas Gottschalk und Joko plaudern eine Stunde miteinander, fast 5000 Nutzer hören gebannt zu wie bei einem Privattelefonat. Es geht um Madonna, Rotlichtphobie und Lampenfieber. Persönliche Erfahrungen und Gedankengänge, die bislang nie öffentlich geäußert wurden – alles gratis und auf Augenhöhe. Auch Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder ist seit vergangenem Wochenende als erster ehemaliger Regierungschef bei Clubhouse und hat nach einer Diskussion mit Media Pioneer-Chefredakteur Michael Bröcker über 6.000 Follower.
Abseits bekannter Mediengrößen liegt der noch größere Charme von Clubhouse. Für sämtliche Interessen und Lebenslagen finden sich Gruppen zusammen und diskutieren oft stundenlang auf hohem fachlichem Niveau über Themen wie Renntaubenzucht, Rotwein und Vollblüter. Zwar gibt es in manchen kleinen Runden kein Korrektiv und falsche Informationen stehen wie Elefanten im Raum, aber positiv ist das Fehlen von Bewertungskriterien. Es hält Hater und Trolle fern und schafft ansatzweise eine respektvolle Diskussionskultur, die nur gelegentlich in Haarspalterei abdriftet.
Jetzt ist die Zeit, in der sich Meinungsmacher*innen ihre Follower-Basis aufbauen, jetzt ist es wichtig für Nutzer*innen, Accounts mit eigenem Namen zu sichern – wer möchte schon auf ewig ein Kürzel wie @trollobär3482 nutzen, weil alle brauchbaren Namen bereits vergeben sind?
Die disruptive Kraft von Clubhouse wird einige Branchen hart treffen. Keiner muss mehr im unterkühlten ICE nach Düsseldorf reisen, um in einem abgeranzten Messehotel einer Paneldiskusion zum Thema Gattungssterben zu lauschen – und spart dabei noch mehrere hundert Euro. Künftig könnte man bei Branchentreffs gleich zum geselligen Part übergehen ...
Auch würde die Diskussionstiefe einiger Räume bei Clubhouse jeden Rahmen einer organisierten Fachmesse sprengen, besonders Teilnehmer hoch spezialisierter Runden bleiben stundenlang dabei und tragen somit indirekt zum Wert dieser neuen Company bei.
Frank Thelen beklagt sich Anfang der Woche auf hohem Niveau darüber, dass nur 5.000 Follower in seinen Clubhouse-Raum passen, während auf Instagram Hunderttausende seinen Posts folgen können. Was er dabei außer Acht lässt: diese 5.000 User verbringen viel Zeit im Raum und hören aufmerksam zu, statt schnell abgelenkt über ein Foto zu wischen und aus Gewohnheit einen Like dazulassen.
Für Audio-Anbieter ist Clubhouse ein neuer Mitbewerber im Kampf um wertvolle Mediennutzungszeit. Während vor 10 Jahren noch konkurrenzlos das analoge UKW-Radio tagsüber in der Küche oder in der Werkstatt lief und erst abends pünktlich zur Tagesschau im TV ausgeschaltet wurde, gibt es nun Alternativen.
Streamingdienste wie Applemusic und Spotify treffen brutal genau den persönlichen Musikgeschmack, Podcasts und On Demand-Audio-Angebote liefern Content, sogar länger als 1:30 min.
Und Clubhouse? User-generated, inhaltstief, werbefrei und mit echtem Suchtfaktor. Meistens auch einfach nur beim Lean-back-Genuss. Selbst Staatsministerin Dorothee Bär gestand in einer Clubhouse-Runde, dass sie schon überlegt, sich anonym anzumelden, um einfach nur mal zuzuhören und nicht sofort prominent auf jedes Panel gezerrt zu werden.
Und so kommen wir nahtlos zu den Hürden dieses neuen Social-Media-Tools: offiziell darf kein Content aus den Räumen zu kommerziellen Zwecken genutzt oder zitiert werden. Nur das weiß oder beachtet kaum jemand. Juristen, die mit Rechtsstreitigkeiten in solchen Grauzonen Geld verdienen, dürften sich die Hände reiben.
Was könnte den Hype beenden? Entscheidend ist, welches Modell zur Monetarisierung der Plattform in Zukunft gewählt wird. Verschwinden exklusiver Content und prominente User mit hohen Reichweiten hinter Pay-Walls, wird die Willkommenseuphorie abrupt ausgebremst. Auch die Platzierung von PR und Schleichwerbung würde der hohen Glaubwürdigkeit schaden.
Wer frisch eintaucht in die schöne, neue Welt von Clubhouse und sich nach stundenlangem Zuhören doch leicht langweilt, dem empfehle ich eine Runde Bullshit-Bingo :-):
Garantierte Begriffe in diversen Runden sind:
Deep Dive, Bubble, Pain Points, Ökosystem, Learning, Credibility, Framing....
Viel Erfolg - wer zuerst hundert Punkte erreicht, schickt bitte direkt eine Mail - wir verschenken Clubhouse-Einladungen, solange der Vorrat reicht.
Mutert Consulting
3 JahreClubhouse ist eine gelungene Alternative zu abgedroschenen und sich ewig wiederholenden Moderationen im Rundfunk. Dabei spielt es keinerlei Rolle welche Zielgruppe angesporchen, oder ob es sich um private, bzw. öffentlich-rechtliche Sender handelt. Clubhouse bietet dem akkustischen Einheitsbrei im Radio die Strin und wie ich persönlich finde, sehr gelungen. Gerade auch und vor allem, weil es kontrovers ist, sich die Gäste um Kopf und Kragen "labern", wie Herr Ramelow und weil die Themen Platz für Interpreationen wie auch für Kritik bieten. Dies fördert die Kommunikation innerhalb unserer Gesellschaft. Radio hätte die Möglichkeiten ebenfalls, orientiert sich jedoch lieber an Reichweiten und Werbeeinnahmen statt echte Innovation zu fördern.