Co-Kreator Gottes
Im neusten Beitrag zu einer Theologie des Zeitgeistes geht es um Synergie und Konkreativität. Gottes Schöpfermacht ist zwar nicht identisch mit der menschlichen Kreativität, aber sie steht auch nicht in Konkurrenz zu ihr. Der Deus Creator ermächtigt uns zu eigenem, schöpferischem Handeln - homo creator.
Ich wundere mich immer mal wieder darüber, wie sehr der christliche Glaube auf Konkurrenzdenken getrimmt ist. Das beobachte ich zumindest in jenen Kreisen, die Gott, sein Heil und sein Handeln (mit guten Gründen übrigens!) ins Zentrum von Theologie und Spiritualität stellen. Sobald hier auch nur der Hauch einer echten Zusammenarbeit von Gott und Mensch weht, muss man sich auf den Vorwurf gefasst machen: "Das ist doch Synergismus."
Der große Theologe Adolf Schlatter hat diese Denkform, die Gott und Mensch prinzipiell als gegensätzlich vorstellt, einmal als vorchristlich bezeichnet. Ganz einfach deshalb, weil in ihr Jesus Christus keine Rolle zu spielen scheint. Die Gläubigen, die in den ersten Jahrhundert nach Christus versucht haben zu verstehen, was da passiert ist, kamen jedenfalls zu einer anderen Überzeugung: "Wahrer Gott und wahrer Mensch." Dass sich der Mensch seinen Gott als Konkurrent vorstellt und demenstprechend handelt ... schlimm genug. Wir nennen diese menschliche Selbstbehauptung gegenüber Gott, den Mitmenschen und allen Mitkreaturen "Sünde".
Aber das heisst doch noch lange nicht, dass Gottes Verhältnis zu uns geprägt wäre von Selbstbehauptung, Egoismus, Neid, Missgunst, Streit und Konkurrenz.
Auch die menschliche Kreativität kann man in dieses Konkurrenzmodell zwängen. Was dabei entsteht, sind zwei Extreme: Die einen verneinen den homo creator zugunsten des Deus Creator. Die anderen sehen dann keine andere Wahl, als den Göttern das Feuer der Kreativität zu entreissen (Prometheus lässt grüssen), um nun selber die Schöpfer und Übermenschen der Welt zu sein. So schlägt das Pendel hin und her zwischen einer theistischen und einer atheistischen Kreativität.
Mir ist natürlich klar, dass es zu allen Zeiten - vom Turmbau zu Babel bis hin zur Waffentechnik des 21. Jahrhunderts - schöpferische Kräfte und Leistungen gegeben hat, die so etwas wie eine diabolische Gestalt annehmen können. Aber selbst noch da stellt sich doch die Frage: Woher kommt es, dass der Mensch derart kreativ ist? Und die erschütterten Untertöne dieser Frage wandeln sich vollends in helle, wenn wir einmal warhnehmen, was es heute an guten schöpferischen Geistern und Werken zu bestaunen gibt.
Gerade weil der Zeitgeist nicht nur die Sehnsucht nach einer kreativen Lebensart weckt, sondern tatsächich selber ein äusserst kreativer Kollektivgeist ist, scheint es mir angezeigt, zu fragen: Wem verdanken der Geist des Menschen und der Geist der Zeit ihre Kreativität?
Aus Sicht des christlichen Glaubens bietet sich hier ein Denkmodell an, das uns sowohl an die göttliche Quelle aller Kreativität erinnern, als auch zu schöpferischem Leben freisetzen kann. Denn mittlerweile hat sich der moderne Segen menschlicher Kreativität gewandelt und ist zu einem erdrückenden Zwang zur Kreativität verkommen. Das zeigt sich an den erbarmungslosen Kreativbefehlen, die durch die globale Pandemie nur noch verstärkt werden: "Erfinde dich neu!" "Sei kreativer als die anderen!" Verwirkliche dein kreatives Potenzial!" Kreativität aber ist unverfügbar, eher spielerisch. Durch zu viel Druck wird sie erstickt.
Das Denkmodell, an dem ich mich derzeit versuche, eröffnet eine tiefe, in gewisser Weise mystische Schau auf unsere Leben in dieser Welt. Im Grunde ist es ganz schlicht:
Der christliche Glaube erfährt die schöpferische Kraft Gottes als ein gemeinsames Handeln von Vater, Sohn und Geist. Er schliesst daraus auf eine ewige, trinitarische Synkreativität Gottes. So, wie die drei göttlichen Personen sich gegenseitig mit Kreativität beschenken, ermächtigt Gott auch uns Menschen, Schöpfer zu sein. Er will mit uns eine Synergie und Konkreativität verwirklichen, die seiner ewig-göttlichen Schöpfertrinität ähnlich sein soll.
Das Medium, in dem sich die Schöpferkraft Gottes ausbreitet, ist der Heilige Geist. Wenn er die Menschen anhaucht (inspiratio) und in ihnen Wohnung nimmt (inhabitatio), dann gönnt uns Gott damit die echte Teilnahme (participatio) an seinem Schöpfertum.
Wer theologisch hier richtig einsteigen will, der empfehle ich unter anderem zwei Bücher des Theologen Alexandre Ganoczy. Das eine ist schon alt, aber sehr lesenswert: "Der schöpferische Mensch und die Schöpfung Gottes". Das andere ist etwas neuer: "Der dreieinige Schöpfer. Trinitätstheologie und Synergie". Hier zeigt sich auch, wie die modernen Naturwissenschaften durchaus offen sind für den Gedanken, dass eine geistige Kraft hinter den synergetischen Prozessen stehen könnte, die wir heute auf allen Ebenen des Lebendigen beobachten können.
Und wer wissen will, wie Kirstine Fratz und ich auf die Idee kamen, dass der persönliche Menschengeist, der kollektive Zeitgeist und der Heilige Geist eine kreative Trinität bilden können, der kann hier mitgehen, mitdenken und mitdiskutieren: