Gasgemisch der Sehnsucht
Sowohl die Bibel als auch die Philosophie unterscheiden zwischen einem reellen und einem symbolischen Himmel. Über einen Kompass, eine Drohkulisse und eine keltische Prophezeiung.
Was können wir heute mit dem «Himmel» anfangen, der einst als Sitz der Götter galt, uns Entzauberten hingegen nurmehr als physikalische Grösse und nur noch Wenigen als realer Ort, den zu erreichen man sich verdienen muss? Die Unterscheidung zwischen realem und symbolischem Ort findet sich bereits in der Bibel: «Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde», womit der reelle Himmel gemeint ist. Zugleich ist der Himmel der Wohnort Gottes, der sich in einer anderen Dimension von Zeit und Raum befindet als die Erde.
Ein Ort – kein Ort Für den Theologen Friedrich Schleiermacher war der Himmel kein Ort, sondern eine Beziehung zu Gott. Er lehnte die Lehren über den Himmel als belohnende oder strafende Gerechtigkeit Gottes ab und betonte dagegen die ethische Bedeutung des Himmels als Vollendung menschlichen Lebens. Doch es gibt auch Theologen, die den Himmel als Ort verstehen und sagen, man komme nur in den Himmel, wenn man einsehe, dass man vor Gottes Gericht schuldig sei, wie etwa Markus Voss. Eine Drohkulisse. Ein anderes Verständnis bietet Evelyne Baumberger vom Zürcher RefLab, wenn sie sagt, ob man in den Himmel komme, sei für Jesus nicht die wichtigste Frage gewesen, er habe mehr über den Himmel auf Erden erzählt. In Geschichten über Leute, die etwas gewagt hätten, das ihr Leben verändert habe und die oft angefangen hätten mit «Im Himmelreich ist es wie…» Ein Ausdruck für die Magie, die sich ereigne, wenn besondere Werte zählten.
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Symbol der Sehnsucht Der Himmel trieb auch Philosophen, Soziologen und Psychologen um. So unterschied etwa Immanuel Kant zwischen «phänomenalem Himmel» als realem Phänomen und «noumenalen Himmel» als Ausdruck unserer Hoffnung auf ein höchstes Gut. Max Weber beschrieb den Himmel als Motivator, unsere Pflichten zu erfüllen. Fragte sich allerdings, ob der moderne Mensch den Himmel noch als «heilige Wirklichkeit» begreifen könne. Und Carl Gustav Jung sah den Himmel als Symbol unserer Sehnsucht nach dem Selbst, als Einheit von Mensch und Gott.
Keine verschiedenen Himmel Geballte Symbolik aus gescheiten Köpfen - doch was wir tagsüber als «Himmel» sähen, sei von der Sonne an Luftmolekülen gestreutes Licht, erklärt Marco Stoll von Meteo Swiss. Und weil die kurzwelligen Anteile der Strahlung am stärksten gestreut würden, erscheine uns der Himmel mehrheitlich blau. Ein physikalischer Sachverhalt, der überall auf der Erde derselbe sei. Auch «die Zusammensetzung der Luft ist überall auf der Welt sehr ähnlich», so Stoll weiter. Diese bestehe aus etwa 78 Prozent Stickstoff und 20 Prozent Sauerstoff, der Rest verteile sich auf Wasserdampf, Edel- und Spurengase sowie Schwebstoffe, sogenannte Aerosole. Es gibt also keine verschiedenen Himmel; der Himmel über der Schweiz ist derselbe wie derjenige über Indien.
Keltische Prophezeiung Viele Kulturen verstehen den Himmel als Dach über unseren Köpfen. Ein Dach, das einstürzen könnte, wovor sich etwa Asterix und Obelix fürchten: ihre grösste Angst ist, dass ihnen «der Himmel auf den Kopf fallen» könnte. Eine Anspielung auf eine keltische Prophezeiung, eines Tages stürze der Himmel ein und verschlinge die Erde. Und damit nicht zufällig eine Anspielung auf uns. Denn seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts beeinflusst der Mensch in nie gekannter Weise den Werdegang der Erde und allen Lebens darauf. Es ist deshalb wichtig, besondere Werte unter diesem Gasgemisch zu pflegen, das wir «Himmel» nennen und nicht, ob wir dereinst dorthin kommen. Beim Teutates!