[Corporate Design Thinking] Digital nutzbare Methoden für online Innovationsprozesse (Teil 2)
Im ersten Teil zum Thema digital nutzbare Methoden für online Innovationsprozesse wurde auf die ersten Phasen (Verstehen und Synthese) eines remote durchgeführten Innovationsprozesses allgemein bzw. Design Thinking Prozesses im Speziellen eingegangen. Die Intention lag und liegt dabei darauf, möglichst einfache Methoden mit Eignung zur remote Durchführung ohne spezielle (Innovations)Software zu beschreiben. Nun geht es um die Phasen im Lösungsraum des Innovationsprozesses, beginnend mit der Ideation sowie dem Prototyping und dem Testing an Nutzern.
Für die Phase der Ideenentwicklung lassen sich unterschiedliche Brainstormingmethoden über die Sprach und Chatfunktion von Videotelefonie-Tools wie z.B. Skype sowie einen geteilten Monitor des Moderators nutzen. Ein gemeinsam bearbeitbares Powerpoint-Dokument über beispielsweise Microsoft Teams, Google Docs o.ä. bietet noch weiter reichende Möglichkeiten. So ist ein „Silent Brainstorming“, bei dem jeder Teilnehmer in einem durch den Moderator zuvor gesetzten Zeitrahmen zunächst für sich selbst eigene Ideen zur konkreten Fragestellung entwickelt, in diesem Setting sehr einfach möglich. Der so bei den Teilnehmern entstandene Input kann dann entweder verbal oder direkt über die Chatfunktion nach Ablauf der Timebox in der Gruppe geteilt werden. Die Nutzung der Chatfunktion hat dabei den Vorteil, dass der Moderator die Beiträge direkt per copy-paste in ein Powerpoint Dokument überführen kann, dass über den geteilten Bildschirm alle Teilnehmer einsehen können. Bei der Nutzung von Tools mit gemeinsam bearbeitbaren Dokumenten können alle Teilnehmer ihre zuvor erdachten Ideen direkt im Powerpoint Dokument z.B. auf zuvor angelegten Formen als digitale Post-Its auf dem somit digitalen Whiteboard teilen. Während die Teilnehmer ihre Einfälle kurz erläutern und digital anpinnen, können diese direkt mit den Beiträgen anderer Teilnehmer nach Ähnlichkeit oder Symbiosepotential geclustert werden.
Auch Brainstormingmethoden, die auf eine kollektive Dynamik setzen, können durchaus remote realisiert werden. So lässt sich z.B. die „heiße Kartoffel“ auch rein über die Chatfunktion abbilden. Das kann dann so aussehen, dass ein Teilnehmer mit einer Idee startet und danach einen anderen Teilnehmer benennt, ihm dadurch digital die heiße Kartoffel zuwirft, sodass dieser als nächstes aufgefordert ist, so schnell wie möglich eine Idee (ohne Anspruch an hohe Qualität) einzubringen. Dadurch kann das assoziative Denken und unmittelbare Teilen von Gedanken in der Gruppe angeregt werden. Unter Einbindung von bspw. Microsoft Teams und einem gemeinsam und gleichzeitig bearbeitbarem Dokument lässt sich auch problemlos die sogenannte 6-3-5 Methode anwenden. Der Moderator hat dazu vorab die notwendigen Templates mit drei Spalten und sechs Zeilen auf sechs Powerpoint Slides vorbereitet. Die Teilnehmer (sechs Stück, aber auch adaptierbar) werden dann dazu aufgefordert jeweils pro Runde die oberste noch freie Zeile, bestehend aus 3 Kästchen, mit ihren Ideen zu füllen. Dabei soll auf den Ideen der Vorgänger in der darüber stehenden Zeile, falls vorhanden, aufgebaut werden. Nach einer Runde wird analog ein Blatt zum nächsten Teilnehmer weitergereicht – im digitalen ziehen die Teilnehmer auf die nächste Powerpoint Folie weiter. Die gleiche Logik des aufeinander Aufbauens lässt sich auch rein verbal nutzen. So nennt jeder Teilnehmer eine Idee und rundenweise müssen alle anderen Gruppenmitglieder einen Beitrag bringen, indem sie die Idee weiter führen und ergänzen. Die Dokumentation erfolgt hier wiederrum über den Moderator in einer Powerpoint Präsentation, die von allen eingesehen wird. Dies sind nur einige wenige Beispiele für eine ganze Reihe an Ideenfindungsmethoden für Gruppen, die mit ein wenig Anpassung und Vorbereitung durch den Moderator auch online durchführbar sind.
Die Priorisierung von Ideen (oder auch Erkenntnissen in den ersten Phasen) kann im virtuellen Raum genauso wie in einem physischen Raum über „Punkte kleben“, also eine sichtbare demokratische Stimmabgabe, erfolgen. Auch dieser Schritt ist wiederrum in bspw. Microsoft Teams unmittelbar von allen Teilnehmern direkt durchführbar oder alternativ von den Teilnehmern per Chat und vom Moderator in einem zentralen Dokument mit geteiltem Bildschirm zusammenzuführen. Je nach Thema und Gruppe kann auch eine anonyme Priorisierung sinnvoll sein, damit jede Meinung frei eingebracht werden kann. Das lässt sich auch über die Abstimmungsoption innerhalb eines Skypegesprächs (Bildschirm teilen -> Mehr -> Umfrage) oder analoge Funktionalitäten in anderen Videotelefonie-Tools durchführen. Alternativ lässt sich der gleiche Zweck auch über direkte Chatnachrichten oder Emails an den Moderator realisieren. Eine weitere Variante der Bewertung ist die Nutzung einer Priorisierungsmatrix. In dieser können Inhalte entlang zweier Dimensionen wie z.B. „Innovationsgrad“ und „Nutzen für die Stakeholder“ durch die Gruppe einsortiert werden. Auf dieser Grundlage ist einfacher zu entscheiden, welche Erkenntnisse im Fokus stehen oder welche Ideen weiter verfolgt werden sollen.
Die prototypische Umsetzung der zuvor priorisierten Ideen kann anhand unterschiedlichster Methoden erfolgen. Primär erfolgt die Auswahl der Methode in jeder Phase und ganz speziell bei der Prototypenerstellung, angemessen für den konkreten Fall. In vielen Fällen kann die Darstellung und somit Testbarkeit von Ideen über Storyboards, Wireframes, Mockups, Service Blueprints und Business Model Canvas erreicht werden. Dabei soll an dieser Stelle nicht tiefer auf die einzelnen Methoden eingegangen werden. Alle der zuvor genannten Methoden brauchen zur online Bearbeitung in einer Gruppe lediglich ein Template und können dann via bspw. Skype und einem geteiltem Bildschirm bearbeitet werden. Skype bietet über die Whiteboard-Funktion (Bildschirm teilen -> Mehr -> Whiteboard) ein sehr simples aber praktisches Tool, um kollaborative Scribbles von Prototypen anzufertigen. Da die Funktionalität sehr beschränkt ist, ist die Qualität der Darstellung dadurch eher niedrig. Das ist dabei aber sogar zweckdienlich, da es ganz bewusst um eine sehr abstrakte erste Stufe der Darstellung geht. Dadurch kann der Brückenschlag zwischen einer Idee mit wenigen Schlagwörtern auf einem Post It aus einem Brainstorming zu einem tiefergreifenden Prototypenformat wie beispielweise einem Mockup oder einem Clickdummy erreicht werden. Etwas komplexere interaktive Prototypen wie Clickdummys für die Darstellung von Apps und Websiten lassen sich auf ersten Scribbles aufbauend dann über z.T. kostenlose Software (z.B. Marvelapp.com) kollaborativ online und ohne viel Vorwissen erstellen. Es liegt hier natürlich in der Natur der Sache, dass digitale Produkte oder Services in einem remote Setting besser prototypisch dargestellt werden können, als physische Produkte. Dennoch lassen sich auch physische Objekte über Skizzen oder filmische Illustrationen gewissermaßen erfahrbar darstellen. Auf all diesen Wegen lassen sich Prototypen erstellen, die ausreichend Potential für die Testphase haben. Anhand der prototypischen Ausarbeitungen sollen zuvor gewonnen Erkenntnisse anschließend verfeinert und validiert werden.
In der Testing-Phase geht es darum, etwas über die Nützlichkeit des Lösungsvorschlags zu erfahren und allgemein den Nutzer noch besser kennenzulernen. Die oberste Regel erfolgreichen Testings ist „zeigen und nicht erklären“. Dabei ist es häufig sehr aufschlussreich, den Nutzer einerseits darum zu bitten, seine Gedanken während der Interaktion mit dem Prototypen direkt mitzuteilen. Andererseits kann es ebenso aufschlussreich sein, den Nutzer bei der Interaktion einfach zu beobachten. Seine natürlich erste Reaktion kann dann interpretiert und im anschließenden Gespräch vertieft thematisiert werden. Sowohl die Beobachtung bei der Interaktion mit einem digitalen Prototypen als auch die Befragung können über Skype oder andere Videotelefonie-Tools stattfinden. Gerade für Befragung nach der wenig bis gar nicht angeleiteten Interaktion mit dem Prototypen ist es sinnvoll, einen Leitfaden mit einigen Fragen vorzubereiten (z.B. „Warum hast du dich an dieser Stelle so verhalten?“, „Was ist für dich unklar gewesen?“). Für eine optimale Dokumentation bedarf es im digitalen wie im analogen Testing mindestens zwei Personen, sodass Gesprächsführung und Mitschrift getrennt sind. Häufig kann es dabei sinnvoll sein, auf Ton- und Videoaufnahmen zu verzichten, da diese z.T. einen unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand nach sich ziehen. Denn die wichtigsten Erkenntnisse können auch niedrigschwellig durch Beobachtung und Befragung gewonnen und festgehalten werden. Eine ergänzende offene Form des Testings ist die asynchrone Versendung von Einladungen zur Erfahrung und Kommentierung des Prototypen. Hierdurch kann einer größeren Gruppe an Personen Zugang gewährt werden. Jedoch kann es im Nachgang schwieriger als im Einzeltesting sein, die richtige Interpretation zu finden, um Erkenntnisse aus den Kommentaren zu ziehen. Jedoch können sich beide Zugänge zu Stakeholdern durchaus gut ergänzen. Zur Auswertung aller Erkenntnisse aus dem Testing eignet sich eine Matrix, die die Kategorien „Gefällt dem Nutzer“, „Konstruktives Feedback und Wünsche des Nutzers“, „Offene Fragen des Nutzers“ und „neue Ideen des Nutzers“ abbildet. Diese Quadranten können auch als grober Leitfaden für die Befragung gesehen werden.
All dieser Methoden sind generell für digitale Innovationsprozesse geeignet. Sie können für die Arbeit in online Workshops und ebenso für die asynchrone Zusammenarbeit an längerfristig angelegten Innovationsprozessen im digitalen Raum genutzt werden. Denn wie bereits in einem vorherigen Beitrag ausgeführt, Innovationsprozesse im Allgemeinen und Design Thinking im Speziellen sind nicht mit Workshops gleichzusetzen. Workshops sind lediglich ein Interaktionsformat, dass in Innovationsprozessen je nach Sinnhaftigkeit angewendet werden kann. Genauso wird hier dafür argumentiert, mit dem Format eines online Workshops umzugehen. Unter den besonderen Rahmenbedingungen der Corona Pandemie sind digitale Workshops eine tolle Möglichkeit, die kollaborative Innovationsarbeit dennoch weiter zu führen, da face-to-face Zusammentreffen nicht möglich sind. Aber auch darüber hinaus wird dafür plädiert, das jeweilige Format auf Grundlage der Aufgabe, der Anforderungen und des Ziels zu wählen. Das durch die Notwendigkeit während der Corona Pandemie erlernte Format des online Workshops wird somit zu einem weiteren Werkzeug in der Toolbox für zukünftige Innovationsprozesse.
Welche Methoden hast du bereits online zur Gestaltung des Lösungsraums von Innovationsprojekten in Gruppen angewendet? Nutzt du spezielle Software für die remote Zusammenarbeit an Innovationsthemen? Welche Erfahrungen hast du damit gesammelt?
Agile Transformer @Volkswagen Konzern
4 JahreStatt über Skype und Powerpoint die Inputs zu erhalten kann man auch Collaborationstools wie Deon #deon #vw nutzen. Was ist mit spezieller Innovationssoftware gemeint? Hast du Beispiele?