Wirkungszentrierte Organisationen arbeiten konsequent darauf hin, eine für den Kunden bedeutsame Wirkung zu erzielen - und richten alle ihre Aktivitäten hierauf aus. In diesem Kontext werde ich nun häufig gefragt: Was ist denn eigentlich eine bedeutsame Kundenwirkung? Woran können Unternehmen und Teams festmachen, dass sie mit ihrem Produkt, Service, Prozess ("Output") tatsächlich eine für den Kunden bedeutsame Wirkung erzielen ("meaningful customer outcomes")?
Hierzu habe ich bereits diverse Aspekte und Ansätze vorgestellt, werde im Folgenden aber noch einmal dediziert hierauf eingehen. Speziell werde ich das Konzept von "Customer Assets" (auf Deutsch: "Kundengut") vorstellen, welches in der Praxis ein sehr hilfreiches Werkzeug darstellt.
Beginnen werde ich aber mit fünf Kernherausforderungen, die mir im Beratungsalltag immer wieder begegnen, wenn über Kundenwirkung nachgedacht wird:
In der typischen Organisation wird häufig nur an eine kleine, limitierte Auswahl an Wirkungen, die für Kunden von Bedeutung sein könnten, nachgedacht. Nehmen wir bspw. eine typische Customer Journey Mapping Übung, aus der Anforderungen aus Kundensicht abgeleitet werden. Das Ergebnis: Der zukünftige Prozess sollte "so einfach wie möglich", "so schnell wie möglich" oder "so günstig wie möglich" sein . Das sind alles relevante Punkte, keine Frage. Aber es gibt darüber hinaus noch viele weitere Möglichkeiten, um eine bedeutsame Wirkung für Kunden zu erzielen. Was in der Praxis fehlt, ist eine Übersicht, um sich zu orientieren und das Blickfeld zu erweitern.
Zudem wird selten darüber nachgedacht, warum - um beim Beispiel oben zu bleiben - Einfachheit, Geschwindigkeit und preisliche Attraktivität relevant für Kunden sind. Diese sind, keine Frage, Anforderungen aus Kundensicht. Aber die Frage ist doch: Haben wir ein klares Verständnis, warum diese für Kunden bedeutsam und relevant ist? Klingt banal, aber, Hand auf's Herz, haben Sie sich bereits diese Frage gestellt? Wie lautet Ihre Antwort?
Kundenwirkung hat naturgemäß eine hohe Schnittmenge zu Bedürfnissen, Werten und Einstellungen. Viele Unternehmen tun sich in in der Praxis allerdings schwer, hierüber zu sprechen. Und zwar aus einem einfachen Grund: Dies widerspricht dem vermeintlich sachlichem "Corporate Lingo" (Stichwort "Personalressourcen" vs. "Menschen"). Dies ist ärgerlich, führt es doch zu einer stärkeren Trennung zwischen der Unternehmens- und Kundenwelt, als eigentlich sein müsste. Daher ist der Ansatz von Customer Assets erfahrungsgemäß hilfreich. "Assets" ist eine Sprache, die Unternehmen im Alltag nur zu gut verstehen und über die sich problemlos in jedem Meeting und Workshop austauschen lässt. (Der "Jobs to be Done" Ansatz findet übrigens aus meiner Sicht genau aus diesem Grund Anklang in der Praxis.)
In der Welt von Bedürfnissen, Werten und Einstellungen ist das klassische Marketing zu Hause. UX und Produktmanagement dagegen sind häufig in einer leicht anders gelagerten Sphäre unterwegs. Hier wird dann speziell von Nutzererlebnis und Nutzungsverhalten gesprochen. Diese zwei Welten gehören vereint; aber auch hier fehlt es in der Praxis häufig an einer gemeinsamen "Landkarte" für Marketing und UX/Produktmanagement, an der man sich orientieren kann.
Zuletzt muss im Kontext Kundenwirkung natürlich unterschieden werden, dass unterschiedliche Dinge für unterschiedliche Menschen von Bedeutung sein können. Nicht jedem ist alles gleich wichtig. Hierfür werden in der Praxis Segmente und/oder Personas eingesetzt. Die Herausforderung hierbei ist allerdings, dass dies in der Praxis häufig dazu führt, dass mehr über Unterscheidungen zwischen unterschiedlichen Kundengruppen sinniert wird, als über das, was de facto allen Menschen wichtig ist, wie bspw. Gesundheit, Vermögen und Zeit.
Aus diesen Gründen arbeite ich mit dem Ansatz der sogenannten "Customer Assets". Ein Ansatz, der aus meiner Erfahrung sehr hilfreich ist und der es Mitarbeitenden ermöglicht, sich mit der notwendige Schärfe und in der notwendige Tiefe mit Kundenwirkung auseinanderzusetzen. Was also ist ein Customer Asset:
Ein Customer Asset (Kundengut) zeichnet sich grundsätzlich dadurch aus, (1) dass mir dies als Mensch grundsätzlich wertvoll erscheint und (2a) etwas ist, was ich bereits besitze und weiter stärken möchte, oder (2b) was ich noch nicht oder kaum besitze und haben möchte, oder (2c) was ich zwar besitze, aber nur in negativer Ausprägung (bspw. Gefühle in Form von negativen Gefühlen).
In Summe ist ein Customer Asset wie ein Asset auf Unternehmensseite. Es handelt sich dabei um ein Gut, etwas Wertvolles.
Ich unterscheide zwischen vier Kategorien oder "Domänen" von Assets (siehe Darstellung unten). Diese Domänen sind nicht pyramidal zu verstehen, allerdings sind einige Domänen funktional geprägt ("Ressourcen & Fähigkeiten"), während andere Domänen emotionaler/sozialer Natur sind.
Eine für den Kunden bedeutsame Wirkung ist eine Wirkung, die sich positiv auf seine Assets auswirkt. Als Kunde - und als Mensch - "erfolgreich" zu sein bedeutet, möglichst viele dieser Assets zu besitzen und ein Leben zu führen, welches hierauf bestmöglich einzahlt. Stellen Sie sich ein Leben vor, in dem Sie alle diese Assets (in der richtigen Valenz und in voller Ausprägung) besäßen - das wäre wahrhaft ein göttliches Leben!
Vereinfacht gibt es nun zwei Möglichkeiten, eine für den Kunden bedeutsame Wirkung zu erzielen: (1) Entweder mein "Output" (also Produkt, Service, Prozess) zahlt darauf ein, ein oder mehrere dieser Assets auf Kundenseite zu stärken und auszubauen oder (2) mein Output nimmt diese Assets nur minimal in Anspruch (im Sinne einer negativen Wirkung auf bspw. das Customer Asset "Vermögen" durch einen günstigen Preis).
Hinweis: Die unten aufgeführten zwanzig Assets sind natürlich nicht grundsätzlich neu und sicherlich auch nicht vollständig. Aber sie sind praxiserprobt und funktionieren als ganzheitliches Framework sehr gut. Diese beziehen sich in erster Linie auf B2C-Kunden.
Was ergibt sich nun konkret hieraus für Unternehmen? Nun, basierend auf diesem Verständnis lassen sich eine Reihe wertvoller Fragen stellen - ganz im Sinne eines ganzheitlichen "Customer Asset Managements". Dabei geht es natürlich nicht darum - und das ist genau der Clou - den Kunden als Asset zu managen, sondern umgekehrt die Assets auf Kundenseite. Konkret:
Wie können wir als Team oder Unternehmen mit unserem Output, also unseren Liefergegenständen, dafür sorgen, dass die Assets auf Kundenseite gestärkt und ausgebaut oder umgekehrt nur minimal belastet werden?
Auf welche Customer Assets zahlen unsere konkreten Produkt- und Servicemehrwerte (Benefits) ein? Ergibt sich hier ein Muster? Wie sieht die Heatmap aus? Welche weiterführenden Potenziale und Chancen ergeben sich für uns, um die Wirkung auf Kundenseite weiter zu stärken?
Wie können wir auch über die Ebene "Ressourcen & Fähigkeiten" hinaus eine relevante Wirkung für den Kunden erzielen? (Bspw. in dem wir unseren Output derart gestalten, dass wir auf die Ziele unserer Kunden einzahlen, ihr Netzwerk stärken oder ihre wahrgenommene Autonomie steigern?)
Welche Veränderung in einem dieser Assets ist für die Kundengruppe XY von besonders hohem Wert? Welche Assets sind umgekehrt für alle unsere Kunden von hoher Bedeutung?
Ein beispielhaftes Mapping von Customer Assets und typischen Produkt- und Servicemehrwerten ist unten aufgeführt. Dies hilft, zu verstehen, auf welche Customer Assets der Output einzahlt und hilft damit die Frage zu beantworten, ob und in welcher Form eine für den Kunden bedeutsame Wirkung erzielt wird.
Spielen wir das Ganze entlang ausgewählter Beispiele durch, um diesen Ansatz noch greifbarer zu machen.
Beispiel 1: Customer Asset: Aufmerksamkeit → Produkt Benefit: Zugänglich
Das Customer Asset "Aufmerksamkeit" ist begrenzt (ein tempäres Gut) und Kunden möchten ihre Aufmerksamkeit auf Aktivitäten oder Inhalte richten, die ihnen wichtig sind oder Freude bereiten. Vor allem ist es Kunden wichtig, dass dieses Asset nicht unnötigerweise aufgebraucht wird.
Wie Unternehmen/Teams darauf einzahlen können: Intuitive UX, damit Kunden möglichst schnell das finden, was sie suchen und das nutzen können, was sie konkret brauchen.
Beispiel 2: Customer Asset: Selbstbild→ Produkt Benefit: Hochwertig
Zunächst hat jeder ein gewisses Bild von sich selbst, insofern ist "Selbstbild" pro forma ein neutrales Customer Asset (analog bspw. Gefühlen). Natürlich strebt jeder von uns an, ein möglichst positives Bild von sich selbst zu haben (positive Valenz).
Wie Unternehmen/Teams darauf einzahlen können: Premium- und Luxusmarken bspw. wirken gezielt darauf hin, hochwertige Produkte bereitzustellen, was dann eine für den Kunden bedeutsame Wirkung erzielt, in dem es das eigene Selbstbild stärkt. De facto macht es aber für jede Branche und Service Sinn zu reflektieren, inwiefern durch den zur Verfügung gestellten "Output" (Produkt, Service, Prozess) nicht das Selbstbild auf Kundenseite im positiven Sinne gestärkt werden kann.
Beispiel 3: Customer Asset: Netzwerk → Produkt Benefit: Vermittelnd
Jeder Mensch und damit Kunde "besitzt" ein Netzwerk an mehr oder wenigen losen Kontakten, und dieses Netzwerk stellt natürlich einen Wert dar, ist also auch ein Customer Asset. Dies gilt sowohl für den beruflichen als auch privaten Kontext.
Wie Unternehmen/Teams darauf einzahlen können: Gerade im Zeitalter der Plattformökonomie sollten sich Unternehmen die Frage stellen, wie sie dazu beitragen können, das Netzwerk auf Kundenseite weiter zu stärken - und zwar durch eine vermittelnde Funktion/Rolle. Die sozialen Netzwerke sind hierfür ein gutes Beispiel.
Beispiel 4: Customer Asset: Autonomie → Produkt Benefit: Flexibel
Autonomie ist dahingehend ein Customer Asset, als dass jeder zunächst erstmal einen gewissen Grad an Autonomie in seinem täglichen Leben "besitzt". Der Autonomiegrad kann dabei natürlich je nach Rolle und Situation erheblich schwanken.
Wie Unternehmen/Teams darauf einzahlen können: Beim Produkt- und Servicedesign sollten sich Unternehmen die Frage stellen, wie sie die Autonomie auf Kundenseite stärken können. Dies könnte zum Beispiel durch eine erhöhten Flexibilitätsgrad bei Nutzung ihrer Produkte geschehen. Der Kunde ist also frei, das Produkt so oder so nutzen. Damit wird die Autonomie auf Kundenseite gestärkt und eine für den Kunden bedeutsame Wirkung erzielt.
Wie immer freue ich mich über Feedback oder weiterführenden Austausch. Zudem großen Dank an
Jenny Wang
für den Support mit dem Artikel!