Das Bundesgericht bestärkt die Haltung der IV zu ressourcenorientierten Abklärungsverfahren mit dem Fokus auf Eingliederung.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen nimmt erfreut zur Kenntnis, dass das Bundesgericht mit den beiden Urteilen 8C_841/2016 und 8C_130/2017 vom 30. November 2017 seine Praxis zur Beurteilung des Anspruchs auf eine IV-Rente bei psychischen Leiden geändert hat. Künftig findet die Rechtsprechung nach BGE 141 V 281 auch auf sämtliche psychischen Erkrankungen Anwendung. Das Bundesgericht bestärkt mit der Änderung seiner Rechtsprechung die Haltung des Bundesamts für Sozialversicherungen, wonach ein offenes, ressoucenorientiertes und einheitliches Abklärungsverfahren für alle Arten von Gesundheitsschäden (psychische, psychosomatische und somatische) angewendet werden soll (vgl. dazu auch die Antworten des Bundesrates zu Ip Schenker Silvia 17.3948 und Ip Graber Konrad 17.3366). Im Rundschreiben Nr. 339 vom 9. September 2015 wurde dies präzisiert, indem ein auf den Indikatoren des Bundesgerichtes basierender, einheitlicher Gutachtensauftrag mit einem einheitlichen Fragekatalog für alle Arten von medizinischen Begutachtungen in der IV Anwendung findet. Der in der juristischen Lehre (Gächter T./Meier M., „Rechtsprechung des Bundesgerichts im Bereich der Invalidenversicherung“, in SZS 3/2017, S. 292) dazu geäusserten Kritik der Ausweitung der ressourcenorientierten Leistungsabklärung folgt das Bundesgericht nicht.
Das BSV wird in seiner Haltung weiter bestärkt, dass nur eine umfassende fachliche Beurteilung der konkreten Defizite und Ressourcen die vorgebrachten Einschränkungen plausibel zu begründen vermag. Mit der neuen Rechtsprechung wird dem Grundsatz Eingliederung vor Rente Rechnung getragen.
Die geänderte Rechtsprechung bedeutet indes keine grundlegende Änderung für die Beurteilung des Anspruchs auf eine IV-Rente. Die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen sowie die Anforderungen an die versicherten Personen haben sich mit den beiden Entscheiden vom 30. November 2017 nicht geändert. Namentlich besteht weiterhin eine Schadenminderungspflicht der versicherten Person, indem die aus fachärztlicher Sicht indizierten zumutbaren Behandlungsmöglichkeiten optimal und nachhaltig ausgeschöpft werden müssen.
Mit dem geänderten Beweisverfahren werden gemäss altem Verfahrensstandard eingeholte Gutachten nicht per se ihren Beweiswert verlieren. Wie mit der Änderung der Rechtsprechung zu den somatoformen Störungen (BGE 141 V 281) wird künftig in jedem Einzelfall zu prüfen sein, ob die beigezogenen administrativen oder gerichtlichen Sacherverständigengutachten eine schlüssige Beurteilung erlauben oder nicht.
Mit den beiden Bundesgerichtsurteilen ändert sich ebenfalls nichts am Grundsatz, wonach die versicherte Person die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat. Nach wie vor obliegt es der betroffenen Person, auf objektiver Basis den Beweis einer invalidisierenden Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit zu erbringen.