Das Positive zählt
Wie ein genialer Sprachlehrer seine Schüler inspirierte. Was jeder Sprachtrainer (und auch Sprachlerner) wissen sollte.
Bis zu seinem frühen Tod in Oktober 2011 arbeitete mein Bruder, John Elsted, als Lehrer an einer Grundschule in Newbridge, Irland, wo er die irische Sprache unterrichtete. Sehr früh (in den 1970ern) in seiner Karriere erkannte John, dass die damals gängigen Lehrmethoden die Kinder eher demotivierten: Zu viel Wert wurde auf das technische Meistern (sprich, auf die Grammatik) der Sprache gelegt.
Wo blieb der Spaß an der Sprache? Womit würden die Kinder im späteren Leben die irische Sprache verbinden? Mit Langeweile und Versagensangst? Wenn sich nichts ändere, dachte er, würde die Sprache durch Mangel an Interesse aussterben. Er musste handeln!
Das Positive zählt!
Seine Strategie war einfach: Die Kinder sollten ermutigt werden, die Sprache zu sprechen. Sie durften nie kritisiert oder getadelt werden, wenn sie versuchten, Irisch zu sprechen und dabei Fehler machten. Bei Fehlern konzentrierte sich John auf die Teile, die richtig waren. Wenn die Kinder Hausaufgaben bekamen, die sie nur teilweise erfüllt hatten, wurden sie trotzdem für die Teile gelobt, die sie erfüllt hatten.
Was heute als eine Selbstverständlichkeit betrachtet wird, war damals ein Novum. Denken Sie daran, dass in den 1970ern beim Sprachenlernen die ständige Wiederholung von sinnlosen Sätzen (das sogenannte „Drilling“) dem Stand der Technik entsprach. Damals war es in Irland auch normal, Kinder für die kleinsten Fehler körperlich zu bestrafen.
Sprache als Schauspiel
Schon früh hatte John angefangen, Irisch mit seiner Leidenschaft für Theater und Musik zu verbinden. Er schrieb witzige Theaterstücke, in denen alle Kinder mitspielen durften. Dabei spielte Musik eine wichtige Rolle – John war schließlich ein leidenschaftlicher Sänger und Musiker.
Sollte ein Schüler einmal nichts gelernt haben, so durfte er trotzdem mitmachen und wurde ermutigt, es einfach mal zu probieren. Wie kann man erwarten, sagte John, dass ein Kind Spaß am Lernen entwickelt, wenn es ständig bestraft wird? Das Mitmachen muss freiwillig erfolgen. Die Schüler verstanden aber sehr schnell, dass es besser war, die Texte zu lernen. Sie wollten schließlich ihre Mitschüler nicht im Stich lassen!
Mit der Zeit entwickelte sich aus den irischsprachigen Theaterstücken die Idee, irischsprachige Musicals zu veranstalten, die einmal im Jahr vor der ganzen Schule vorgeführt wurden. Solche Musicals wurden als die Krönung des Jahres betrachtet worden und jedes Kind, das mitspielen durfte, fühlte sich geehrt.
Das ganze Schuljahr durch wurde im Sprachunterricht geübt, gesungen, geprobt und gelernt – alles mit dem Ziel, die Kinder auf das Musical am Ende des Schuljahrs vorzubereiten. Zu Weihnachten und zu Ostern gab es auch kleinere Konzerte, die quasi als eine Art von „Zwischenprüfung“ dienten. Die Kinder (wie alle guten Schauspieler) waren stets bereit, immer wieder zu üben: Übung macht schließlich den Meister.
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Sinnengerecht und motivierend
Schauen wir uns noch einmal genauer an, was John erreicht hat:
Was John wichtig war: Man muss ein Gefühl für die Sprache entwickeln und nicht den Anspruch haben, „perfekt“ zu sein. Es ist besser, zunächst einfach mal draufloszusprechen, dann kann man sich immer noch um Korrekturen kümmern. Dass er Kinder beim Lernen positiv begegnet ist, förderte die Bereitschaft, die Sprache einfach mal auszuprobieren.
Natürlich aber genial
Ich halte Johns Strategie für genial. Er selbst hat sie für das natürlichste überhaupt gehalten: Er hatte ein Problem erkannt, das es zu ändern galt, und probierte Ideen aus. Was funktionierte, behielt er, was nicht funktionierte, verwarf er. Er ließ sich auch von den Kindern inspirieren und gewährte ihnen ein Mitspracherecht!
Mit seinem Ansatz hat John einen wertvollen Beitrag geleistet, um die Popularität der irischen Sprache in Irland zu beleben. Vor allem hat er die Dankbarkeit und den Respekt seiner Schüler gewonnen. In einer der Karten, die die Kinder nach seinem Tod zeichneten, stand: „We will miss you terribly. We cannot imagine life without you.“ („Wir werden dich furchtbar vermissen. Wir können uns das Leben ohne dich nicht vorstellen“).
Positiv erleben lassen und zweckdienlich anwenden – so kann man sein Konzept kurz zusammenfassen.
Das letzte Wort überlasse ich Einstein:
„Die Schule soll stets danach trachten, dass der junge Mensch sie als harmonische Persönlichkeit verlasse, nicht als Spezialist“.
Certified Agile Coach | Certified Scrum Master® | SAFe® Agilist
8 MonateDanke fürs teilen.
Organisations-und Kulturentwicklerin | Agile Coach | Agile Bildungsgestalterin | Brücke zwischen Kulturen und Innovationen | Leidenschaft für nachhaltige Entwicklung & Zusammenarbeit | Gründerin des BFC-Vereins
8 MonateLieber Donal, vielen Dank für den tollen Text und dafür, dass du ihn mit uns geteilt hast. „Positive Erlebnisse zulassen und zweckdienlich anwenden” ist für mich als Pädagogin auch ein sehr wichtiges Konzept. Ich habe das pädagogische Konzept meines Vereins zur Förderung der chinesischen Sprache und Kultur nach Montessori ausgerichtet und versuche, Kinder in ihrer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung und in einer positiven Gemeinschaft zu fördern. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass Begeisterung der Schlüssel zu allem ist.