Der Aufwand einer Candidate Pipeline lohnt sich aus vielen Gründen
Das Thema der Candidate bzw. Talent Pipeline wird aus meiner Sicht in vielen Unternehmen stiefmütterlich behandelt. Das ist in der Regel der oft herrschenden Ressourcenknappheit in HR geschuldet. An vielem, was nicht unmittelbar zu einem quantifizierbar positiven Ergebnis führt, soll ja gespart werden.
Schade eigentlich. Denn Effizienz im Recruiting lässt sich nicht nur in unmittelbaren Erfolgen messen.
Die Erfahrung zeigt es eindeutig: es sind nur wenige, schwierige Rekrutierungsprojekte für schwer zu besetzende Positionen, die einen ansonsten guten Time-to-Hire Indikator in die Höhe treiben. Es sieht aber nicht nur unschön aus, es kann auch für ein Unternehmen geschäftsschädigend sein, wenn zum Beispiel einen Head of Sales oder einen Leiter Forschung und Entwicklung nicht zeitig gefunden werden können.
Selbstverständlich kann keine Candidate Pipeline für jede in der Zukunft zu besetzende Position unterhalten werden. Jedoch weiß jede HR- bzw. Geschäftsleitung, für welche Rollen es gut wäre, eine solche zu haben. Und wenn nicht, ist die Identifizierung relativ einfach, es sind nur zwei Fragen: ist die Rolle absolut kritisch für das Bestehen bzw. den Erfolg des Unternehmens und herrscht am Markt, aus welchem Grund auch immer, eine dauerhafte und besondere Knappheit an potentiellen Kandidaten? Werden die beiden Fragen mit ja beantwortet, ist eine Pipeline schon nicht mehr ein Kann, sondern ein Muss.
Die einfachste Form der Candidate Pipeline begrenzt sich auf das laufende Identifizieren von potentiellen Kandidaten und auf die Sammlung sowie die Aktualisierung von entsprechenden Informationen. Diese können dann im hauseigenen Applicant Tracking System (ATS) gehalten werden. Dieser Vorgang ist eigentlich dem Prozess des Active Sourcing zuzuordnen, nur, dass er "auf Verdacht" erfolgt und nicht durch einen aktuellen Bedarf getriggert wird. Entsteht irgendwann der Bedarf, kann kurzfristig die Erstansprache der bereits identifizierten Kandidaten erfolgen.
In der anderen und umfassenderen Form der Candidate Pipeline entsteht nach der Identifizierung ein persönlicher Kontakt zwischen dem potentiellen Kandidaten und dem Unternehmen. Es wird der Person signalisiert, dass aktuell zwar keine entsprechende Position zu besetzen ist, dass man aber gerne im Kontakt bleiben möchte, sollte sich dieser Umstand ändern und Interesse des Kandidaten bestehen. Im Dialog können dann auch Informationen gesammelt werden, zu Themen wie grundsätzlichem Interesse, derzeitigem Einkommen, Mobilität oder Karriereentwicklung. Im Falle eines konkret entstehenden Bedarfs erfolgt die Ansprache des Kandidaten dann noch schneller und einfacher als im ersten Modell. Bei Führungspositionen empfiehlt es sich, als Dialogpartner Führungskräfte des Unternehmens einzusetzen. Oder, wenn der Bedarf entsprechend groß ist, einen erfahrenen Senior Hires bzw. Executive Recruiter einzusetzen, der um die Wichtigkeit einer Pipeline weiß und mit der gebotenen Seniorität als glaubwürdiger Ansprechpartner fungieren wird.
Für beide Formen der Candidate Pipeline gilt unbedingt: es handelt sich um einen kontinuierlichen Vorgang. Auch wenn eine kritische Position neu besetzt wurde, sollten die Identifizierung und ggf. das Pflegen von Kontakten nicht aufhören. Die Talent Pipeline Strategie sollte übrigens in regelmäßigen Abständen überprüft werden.
Auch für beide Arten gilt, dass die Aktivität für das Kreieren und Halten einer Candidate Pipeline an einen externen Dienstleister vergeben werden kann. Das empfiehlt sich zum Beispiel bei HR-Ressourcenknappheit, aber auch wenn die Identität des Unternehmens vertraulich bleiben muss. Hier sind beim eingesetzten Dienstleister Erfahrung und Fingerspitzengefühl gefragt, denn es geht darum, durch Dialog das Interesse der potentiellen Kandidaten zu wecken und zu halten, über Monate bzw. Jahre, ohne über eine konkrete Position sprechen zu können. Da die meisten ATS cloudbasiert sind, kann im Übrigen die Pipeline auch von unternehmensfremden Personen mit besonderem Zugang in das System eingepflegt werden.
Zusammenfassend: eine Kandidatenpipeline verkürzt die Time-to-Hire, reduziert bzw. verhindert Stillstand in kritischen Funktionen des Unternehmens und schont langfristig Ressourcen. Sie erhöht auch die Recruitingqualität und trägt zu einem besserem Employer Branding bei.
Über den Autor:
Denis Jeanson bietet mir Fair Executive Search - www.fairexecutivesearch.de Dienstleistungen auf dem Gebiet der Talent Acquisition und des Executive Search an. Grundlegend in jedem Projekt ist ein fairer, respektvoller und transparenter Umgang zwischen Klient, Kandidaten und Berater.
Diesen Artikel erhielten zunächst die Adressaten der monatlichen Newsletter von Fair Executive Search. Wollen Sie in den Verteiler aufgenommen werden? E-Mail genügt: info@fairexecutivesearch.de.
Transformational Leader | CEO Bildung mit Fokus auf digitale Transformation & Wachstum | ex IU University CMO
5 JahreGuter Artikel. Stimme ganz vielen Punkten zu. Doch wie geht man mit high Growth um in einer Organisation, die 30-40 Mitarbeiter / Monat einstellen muss, um das „Operative Geschäft“ gut erledigen zu können. Zeitgleich benötigt man demnach im Recruiting Team und Management einen - Talent Growth Plan, um rechtzeitig wichtige Führungsrollen angehen zu können.