Der erste SPAC an der Deutschen Börse
Die SPAC-Welle schwappt über nach Deutschland. Offensichtlich waren wir mit unserem ersten SPAC an der Deutschen Börse zehn Jahre zu früh.
Exzerpt aus: Hermann Simon, Zwei Welten, ein Leben - Vom Eifelkind zum Global Player, Autobiografie, Campus-Verlag Frankfurt
Im Jahre 2011 brachten wir den ersten SPAC an die Deutsche Börse. Hierbei handelte es sich um eine sogenannte Special Purpose Acquisition Company (SPAC). Das Projekt ging auf eine Initiative des französischen Investitionshauses Wendel und des Investmentbankers Roland Lienau zurück. Lienau, ein gebürtiger Hamburger, erlernte das Handwerk des Kapitalmarktes bei der Deutschen Bank. Da er in Frankreich studiert und dort seine Frau kennengelernt hatte, zog es ihn nach Paris zu Wendel. Das heutige Investitionshaus Wendel entstand aus einem im Jahre 1704 gegründeten lothringischen Stahlunternehmen. Im Jahre 1978, ironischerweise unter dem Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing und dem Premierminister Raymond Barre, beides Konservative, wurde die Familie enteignet und investierte die erhaltenen Mittel in diverse Unternehmungen. So wurde in einigen Jahrzehnten aus 50 Millionen Euro ein hoher einstelliger Milliardenbetrag.
Beim SPAC-Konzept stellen die Initiatoren zunächst einen gewissen Betrag zur Verfügung. Sie suchen dann Koinvestoren, sammeln also weitere Mittel ein. Dies taten wir in einer Kampagne, die mich in eine neue Welt führte. Wir präsentierten unsere Idee vor Investoren in allen wichtigen Finanzzentren diesseits und jenseits des Atlantiks. Aufhänger war dabei das Hidden Champions-Konzept. Unser Ziel bestand darin, mit den eingesammelten Mitteln einen Hidden Champion zu erwerben. Eine wichtige Besonderheit einer SPAC ist, dass das Konstrukt vor dem Erwerb an der Börse eingeführt wird. Das zu erwerbende Unternehmen wird dann mit dem bereits börsennotierten SPAC verschmolzen und ist somit selbst börsennotiert. Lienau und ich begannen mit dem Fundraising Mitte 2009 und hatten zum Ende des Jahres die geplanten 200 Millionen Euro eingesammelt. Auf dem Weg dahin gab es zahlreiche aufregende Begegnungen. In New York saßen wir beispielsweise einer 34-jährigen Dame mit Harvard-Abschluss gegenüber. Sie verwaltete einen Fonds, der nur in SPACs investierte, im Umfang von 1 Milliarde Dollar. Als ich sie fragte, wer über die Investitionen entscheide, antwortete sie sehr knapp und klar: „Ich.“ In einem anderen Fall fuhren wir in einem New Yorker Hochhaus in den 26. Stock. Als wir aus dem Aufzug traten, öffnete sich eine kleine Tür und man geleitete uns in eine Art Schwarzwaldstube. Dort begrüßten uns die Nachfahren des Gründers einer sehr kapitalkräftigen Investmentfirma. Der Gründer war in den zwanziger Jahren aus Deutschland nach USA ausgewandert. Er brachte eine Reihe seltener Vögel mit sich, die er von einem Kunden, der in die Insolvenz gerutscht war, als Bezahlung erhalten hatte. Er gründete in Amerika ein Tierfutterunternehmen, das zum zweitgrößten seiner Art in der Welt aufstieg. Es wurde später an einen noch größeren Wettbewerber verkauft, und aus dem Erlös entstand der Investmentfonds. Nach diesem Gründer ist auch eine bekannte Business School in Amerika benannt. Ich warf Blicke in die Handelsräume großer Banken. Ich fragte mich, wer diese Komplexität überblicken und managen kann. Was machen die Tausenden von Händlern, die ich vor ihren Bildschirmen sitzen sah? Jeder von ihnen hatte nicht nur einen, sondern drei oder manchmal fünf Bildschirme vor sich. Ich bekam mächtig Respekt vor den Kapitalmärkten, die ich bisher eher als abstrakte Konstrukte kennengelernt hatte.
Im Februar 2010 brachten wir die Helikos S.E. in Frankfurt an die Börse. Die Bilanz bestand zu diesem Zeitpunkt auf der Aktivseite aus 200 Millionen Barmitteln und auf der Passivseite aus 200 Millionen Eigenkapital. Dann begann die Suche nach einem Übernahmekandidaten. Hierin lag aufgrund meiner Beziehungen zu den Hidden Champions meine Hauptrolle. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Wirtschaft noch voll in der Krise. Als ich am Telefon mit 200 Millionen Euro Eigenkapital winkte, war das Interesse bei vielen Unternehmern groß. Doch als ich nachschob, das Projekt sei mit einem Börsengang verbunden, verlosch das Interesse bei mehr als 80 Prozent der Familienunternehmer. Der Börsengang bildete aber den Kern des SPAC-Konzeptes. Wenn jemand die Listung ausschloss, machte es keinen Sinn, einen Besuch und eine Präsentation durchzuführen. Dennoch bekamen wir zahlreiche Termine. Doch viele Kandidaten schieden schon beim ersten Hinschauen aus. Lienau und ich waren rund 18 Monate unterwegs. Schließlich übernahmen wir die in Luxemburg ansässige Exceet Group S.E., einen Hersteller von sogenannten Embedded Computern. Hierbei handelt es sich um kundenspezifische Anfertigungen, die in der Medizintechnik zum Beispiel in Hörgeräten, Herzschrittmachern oder Magnetresonanz-Tomographen sowie in der Sicherheitstechnik eingesetzt werden. Im Juli 2011 fanden die Übernahme, die Fusion und damit die Börsennotierung (IPO) von Exceet statt.