Der Fachkräftemangel – Deutschlands Achillesferse im globalen Wettbewerb
Sagt Ihnen der Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ etwas? Wenn nicht, schauen Sie ihn sich doch bei Gelegenheit einmal an. Parallelen zur hiesigen Bekämpfung des Fach- und Arbeitskräftemangels sind unübersehbar.
Dabei wurde dieser schon vor Jahrzehnten treffsicher diagnostiziert. Bis 2030 werden in Deutschland rund 5 Mio. Menschen mehr in den Ruhestand gehen als in den Arbeitsmarkt neu eintreten. Der Arbeitskräftepool wird somit zunehmend schrumpfen. Gleichzeitig leistet sich Deutschland den Luxus einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 34,7 Stunden und liegt damit weit unter dem europäischen Durchschnitt von 37,0 Stunden.
Was ist dagegen zu tun? Nun, diese Herausforderung erfordert jedenfalls eine gemeinsame Anstrengung von Staat, Unternehmen, Bildungseinrichtungen und der Gesellschaft. Eine koordinierte strategische Planung und ein kooperatives Handeln im Sinne eines „Deutschlandpaktes“, der auf mehr als eine Legislaturperiode angelegt ist, sind dafür unumgänglich. Einzelne Stränge sind jedoch meiner Meinung nach essentiell und schlichtweg für den Erhalt unserer Wettbewerbsfähigkeit und den Wiederaufbau unserer Innovationskompetenz überlebensnotwendig. Angesprochen sind Investitionen, (Weiter-)Qualifizierung und eine wettbewerbsorientierte Industriepolitik, basierend auf einer Rückbesinnung der staatlichen Aufgabe in der sozialen Marktwirtschaft. Dies idealerweise verknüpft mit einer umfassenden Strukturreform, die nach der Agenda 2010 in unserem Land überfällig ist.
Die Investition in die Zukunft beginnt bei der Investition für unsere Kinder
Die Möglichkeiten der Kinderbetreuung (insbesondere) in Westdeutschland und große Teile des Steuersystems beruhen noch auf dem Grundgedanken des männlichen Alleinverdieners der 1960er bis 1980er Jahre. Hier ist das notwendige Update noch nicht hinreichend programmiert, geschweige denn installiert.
Zwar ist die Erwerbsquote von Frauen im Jahr 2022 gegenüber 2002 von 44,6 % auf 46,8 % gestiegen, im Vergleich zum Anteil an der Gesamtbevölkerung von 50,9 % aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Betrachtet man die Teilzeitquote, so sind Frauen mit einem Anteil von 49,2 % deutlich stärker in einer Teilzeittätigkeit beschäftigt als Männer mit 12,7 %. Lägen die Erwerbsquoten der Frauen in Deutschland gleichauf mit denen der Männer, würde sich das Erwerbspersonenpotential 2035 um 640.000 erhöhen. In Schweden sind übrigens 82,2 % der Frauen erwerbstätig. Würde man dieses Niveau erreichen, kämen nochmals 900.000 Vollzeitbeschäftigte in Deutschland dazu.
Eine verstärkte Erwerbstätigkeit bedingt zwangsläufig einen verstärkten Ausbau von Ganztagsangeboten in Kindergärten und Schulen. Beide Elternteile oder auch Alleinerziehende müssen die Möglichkeit haben, in Vollzeit zu arbeiten. (West-)Deutschland und insbesondere Baden-Württemberg hat hier aber noch einen deutlichen Nachholbedarf. So fehlten 2023 rund 60.000 Kita-Plätze in Baden-Württemberg. Zwar wurden hier deutliche Fortschritte erzielt, verlässliche Prozesse sind aber eher die Ausnahme als die Regel. Zeitweilige Schließungen aufgrund des Fachkräftemangels und starke Beschränkungen der Betreuungszeiten, oftmals äußerst kurzfristig angezeigt, stehen an der Tagesordnung und machen eine vorausschauende Planung nahezu unmöglich. Neben Investitionen in die Infrastruktur ist aber eines unabdingbar. Eine professionelle Betreuung erfordert eine markt- und leistungsgerechte Bezahlung – das müssen uns unsere Kinder wert sein. Das geltende Steuersystem leistet dann sein Übriges. Es ist nicht zu verdenken, dass der betreuende Teil in der Kindererziehung, das ist dann doch weit überwiegend die Mutter, von einer Vollzeitbeschäftigung Abstand nimmt, wenn Frau sieht, was netto übrigbleibt. Ähnliches gilt bei einer Rückkehr von Teilzeit auf Vollzeit in Anbetracht der progressiven Besteuerung. Ernüchterung allenthalben.
Eine große Herausforderung für die Politik, die unter dem Stichwort Lohnabstandsgebot anzusiedeln ist. Arbeit muss sich aber lohnen und eine umfassende Steuerreform ist daher unausweichlich.
Proaktive Qualifizierungspolitik – Digitalisierungskompetenz – sinnvolle Automatisierung und verantwortungsbewusste Integration von Künstlicher Intelligenz
Ein weiterer Lösungsbaustein ist die Weiterqualifizierung von an- und ungelernten Mitarbeitern zu Facharbeitern. Bei meinen Betriebsbesuchen erlebe ich immer wieder, dass einfache oder sogar einfachste Tätigkeiten weiterhin von Menschen durchgeführt werden. Diesen teuren „Luxus“ können und dürfen wir uns nicht mehr erlauben. Hier muss konsequent automatisiert, digitalisiert und sofern bereits jetzt möglich, mit KI-basierten Methoden diese Arbeitsleistung ersetzt werden. Die Automatisierung muss dabei als Chance betrachtet werden, um repetitive Aufgaben zu übernehmen und menschliche Ressourcen auf anspruchsvollere Tätigkeiten zu lenken. Dies erfordert jedoch eine gezielte Weiterbildung der Arbeitnehmer, um ihre Fähigkeiten an die Anforderungen automatisierter Prozesse anzupassen. Der Staat und die Unternehmen müssen weiterhin Anreize schaffen, um Mitarbeiter in diesem Transformationsprozess zu unterstützen. Auch die Digitalisierung spielt eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung des Fach- und Arbeitskräftemangels. Unternehmen sollten verstärkt in die digitale Infrastruktur investieren, um effizientere Arbeitsprozesse zu schaffen. Gleichzeitig muss die digitale Bildung in Schulen und Hochschulen noch weiter ausgebaut werden, um die nächste Generation besser auf die Anforderungen der modernen Arbeitswelt vorzubereiten. Zentraler Baustein ist der Bereich der MINT-Berufe, der weiterhin die Innovationen der Zukunft vorantreiben wird. Künstliche Intelligenz ist ein zusätzlicher entscheidender Aspekt. Investitionen in Forschung und Entwicklung im Bereich KI können nicht nur neue Arbeitsplätze schaffen, sondern auch bestehende Tätigkeiten optimieren. Gleichzeitig müssen ethische Richtlinien eingeführt werden, um den verantwortungsbewussten Einsatz von KI zu gewährleisten.
Eine derart zielgerichteter Skill-Shift führt auch dazu, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deutlich motivierter sein werden. Eine qualitativ anspruchsvollere Aufgabe führt einerseits zu einer verstärkten intrinsischen Motivation und wird sich andererseits auch auf dem Lohnzettel bemerkbar machen.
Über 50 % aller arbeitslosen Menschen in Deutschland sind ohne abgeschlossene Berufsausbildung, in der Grundsicherung für Arbeitssuchende liegt dieser Wert sogar bei ⅔.
Insofern ist es dringend geboten, eine arbeitsmarktorientierte Qualifizierung dieser Menschen in den Blick zu nehmen. Das erfordert ein ganzheitliches und begleitendes Coaching, welches die aktuelle Lebenssituation einbezieht. Unser Sozialstaat beruht aber nicht ausschließlich auf dem Aspekt des Förderns, gleichwohl muss der Aspekt des Forderns wieder mehr in den Vordergrund gestellt werden. Erste Tendenzen in der Bundespolitik sind zumindest vorsichtig zu erahnen.
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Wettbewerb annehmen, alte Zöpfe abschneiden und dennoch „back to the roots“
Schließlich sind eine gezielte Zuwanderungspolitik und eine gut organisierte und vor allem schnelle Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen wichtige Schritte zur Fachkräftesicherung. Der Arbeitsort Deutschland muss beworben werden und am Windhundrennen teilnehmen, sonst übernehmen das – wie bisher – andere. Dies erfordert bei Auslandsvertretungen und Ausländerbehörden dringend massive personelle Verstärkung. Lange Wartezeiten bei Behörden und Botschaften sind immanente Hemmnisse. Unter Umständen ist auch eine Priorisierung des Fachkräftemangels im Fachkräftemangel gerade bei Positionen, die als Flaschenhals fungieren, angezeigt. Neben der Anwerbung von Fachkräften aus Drittstaaten gilt es gleichzeitig, möglichst viele Flüchtlinge für Ausbildung und Beschäftigung zu ertüchtigen. Auch hier ist die Balance zwischen Fördern und Fordern ausschlaggebend. Man darf jedenfalls gespannt sein, ob das Fachkräfteeinwanderungsgesetz hält, was es verspricht.
Frühverrentungsansätze, den Berechtigten ist eine Inanspruchnahme derselben nicht zu verübeln, müssen abgeschafft werden. Die „Rente ab 63“ ist ein Kardinalfehler. Unternehmen sind darauf angewiesen, ältere Mitarbeiter länger im Betrieb zu halten. Nicht nur als Fach- oder Führungskräfte, sondern insbesondere auch als Wissenspaten. Flankierend hierzu ist ein stärkeres Engagement im betrieblichen Gesundheitssystem erforderlich. Andererseits ist aber auch eine 4-Tage-Woche, sozialromantisch am besten noch mit vollem Lohnausgleich, keine Lösung für den deutschen Fach- und Arbeitskräftemangel. Es sei daran erinnert, die 35-Stunden-Woche wurde in den 1980er Jahren nicht zuletzt deshalb eingeführt, um den damaligen Arbeitskräfteüberhang abzumildern. Als Kehrseite dieser Medaille müssen wir daher jetzt mehr und länger arbeiten, denn Aufträge sind ja zum Glück sehr häufig (noch) genug da. Sicherlich keine populäre Forderung, aber im Zuge des Fachkräftemangels und der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland unausweichlich - sonst sind die nächsten Generationen klima- und wohlstandsneutral.
Auch halte ich eine Rückbesinnung auf das Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft, das Grundgesetz feiert dieses Jahr sein 75-jähriges Bestehen, dringend notwendig. Der Staat sollte sich auf die Schaffung der Rahmenbedingungen konzentrieren und nicht weiterhin ausschließlich als „Fürsorge-Onkel“ auftreten. Eine Abkehr von der „Vollkasko-Mentalität“ ist dringend notwendig. Entscheidend ist, dass Individuen und Unternehmen eigenverantwortlich handeln und insbesondere auch die Haftung für Risiken übernehmen. Der Staat sollte Eingriffe in das Marktgeschehen wieder tunlichst vermeiden und sich vorrangig auf seine Ursprungsaufgabe konzentrieren, nämlich die Spielregeln zu definieren und die Einhaltung derselben zu überwachen. Insbesondere muss der Staat durch eine valide Wirtschaftspolitik die Rahmenbedingungen für ein investitionsfreundliches Deutschland ebenso schaffen wie überbordende Bürokratie abschaffen.
Nicht reden, machen!
Was haben meine Ausführungen nun mit dem Kinofilm aus dem Jahr 1993 zu tun? Nun, wie im Film wiederholt sich diese wie eine Vielzahl anderer Analysen in steter Regelmäßigkeit, eine konkrete, effektive und vor allem nachhaltige Behandlung der Ursachen ist aber nicht erkennbar. Und das seit Jahrzehnten. Diese Erkenntnis reiht sich in den Gesamtkontext unserer bundesdeutschen Realität ein: Deutschland ist Analyseweltmeister und Umsetzungszwerg.
Der Werkzeugkasten, mit dem der Arbeits- und Fachkräftemangel zu reparieren ist, ist prall gefüllt. Man sollte aber an vielen Stellen die Feile nehmen und nicht ausschließlich mit Sandpapier die Symptome entgraten. Agenda 2030 ist das Stichwort.
Aber auch wir müssen den momentanen Zeitgeist hinterfragen. „Bock auf Arbeit“, Ehrgeiz und mehr Respekt für die wirtschaftliche Stärke sind dringend angezeigt. Starke Wirtschaft - starker Staat - starke Gesellschaft - starke Demokratie. Es ist eigentlich recht einfach.
⏩️ Prozesse ↗️ Verbessern 🔄 Kontinuierlich *️⃣ Systematisch — Wo Wertschöpfung stattfindet, unterstützt oder gelenkt wird — Kaizen2go 🎙 Podcast & Blog ✒️
12 Monate1/3 Viele Aspekte der geschilderten Randbedingungen im Kontext von Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel erinnern mich an eine Situation vor 80 Jahren als die USA vor vergleichbaren Herausforderungen standen, weil ein Großteil ihrer (industriellen) Arbeits- und Fachkräfte mit der Flinte in Asien und Europa unterwegs waren. Auch damals war es notwendig, innerhalb kurzer Zeit eine große Zahl von Menschen aus drei Bevölkerungsgruppen ohne einschlägige Ausbildungen und Erfahrung (Langzeitarbeitskräfte, aus der Landwirtschaft, Frauen) in Industriebranchen zu integrieren.
Der Fachkräftemangel geht uns alle an! Fachkräfte sichern Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung, Wohlstand und Lebensqualität. Jedoch fehlen diese vor allem in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) und im Gesundheitsbereich. Es ist entscheidend, aktiv dagegenzusteuern!
Hauptgeschäftsführer bei GenoAGV
1 JahrDie Schlussfolgerung aus dem reinen Zahlenmaterial ist zwingend, ein sich daraus ergebender Handlungsbedarf auch. Aber mit "wir brauchen" stellen Sie eine Nachfrage dar, die in Deutscland nicht mehr im Angebot ist. Zu pessimistisch? Nein! Das wirtschafts- und sozialpolitische Wolkenkuckucksheim Deutschland (F.J.S. hatte es - in Bezug auf die Grünnen - einstmals das Narrenschiff Utopia genannt) ist zur Lieferung nicht mehr in der Lage. Wie soll eine Strukturreform gelingen, ohne das Wellnessgefühl der Work Live Balance Generation allzusehr zu beeinträchtigen? Der Staat selbst saugt der Wirtschaft die Fachkräfte weg und bläht seine Verwaltung auf, die nichts besseres zu tun hat, als im Gegenzug eine überbordende Regulatorik zu verwalten. Ein vor 30 Jahren funktionierendes Schulsystem wurde völlig an die Wand gefahren. Gewerkschaften erstreiken rücksichtslos Arbeitszeitreduzierungen und nehmen die Wirtschaft in Geiselhaft. Sozialleistungen in nie gekannter Höhe, ersticken jeglichen Leistungsanreiz im Keim. Die Innere und äußere Sicheheit ist ein Scherbenhaufen. Ich befürchte, dass Staat, Gesellschaft und Wirtschaft nicht mehr in der Lage sind, die von Ihnen genannte und sicher notwendige Strukturreform, auch nur im Ansatz zu stemmen.
Unternehmer | Human first | KI- & Automatisierungsberater
1 JahrJeder weiß es keine unternimmt etwas. Ich fühle mich am Ende der Zeit schon einmal wöchentlich veräppelt aber wie ist das mit der Generation der Eltern die nach und kommt. diese hat gar keine Kinderbetreuung bzw nur noch reiche Menschen haben das Recht oder das Privileg eine Kinderbetreuung zu bekommen