Willkommen zurück zu unserem Blick auf die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Tage, womit wir wieder einmal in Berlin wären.
Die Demontage des eigenen Spitzenpersonals wird in keiner anderen Partei so kunstvoll betrieben wie in der deutschen Sozialdemokratie. Kurt Beck, Andrea Nahles, Martin Schulz – sie alle wurden Opfer parteiinterner Intrigen.
Olaf Scholz ist, Stand gestern Abend, noch einmal davongekommen. Aber die vergangenen Tage, die Revolte der Basis, der Wunsch den Kanzlerkandidaten Scholz durch Boris Pistorius zu ersetzen, haben schwere Blessuren hinterlassen.
Am Ende dieser Woche bleiben vor allem Fragen: Wie soll ein Kanzler, an den nicht einmal die eigene Partei noch glaubt, erfolgreich Wahlkampf führen? Mit welchem Versprechen? Und wie soll die SPD den Rückstand zur Union mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz noch aufholen, wenn aus der eigenen Fraktion die Ansage kommt: „Niemand will für Scholz Plakate kleben“?
Unser Berliner Büro hat die Woche der Revolte aus nächster Nähe verfolgt. Handelsblatt-Chefreporter Martin Greive war mit dem Kanzler in Brasilien, erlebte aus nächster Nähe, wie Scholz die Debatte um seine Kandidatur entglitt. Der Kanzler verkürzte seine Reise, sagte nach der Landung am Mittwoch in Berlin alle Termine ab und griff zum Telefon.
Scholz ließ keinen Zweifel daran, dass er die Kanzlerkandidatur beansprucht. Trotz miserabler Zustimmungswerte, trotz angekratzter Autorität.
Die Botschaft war an seinen Rivalen gerichtet. Pistorius hatte sich selbst nicht ins Gespräch gebracht, aber es offenkundig genossen, ins Gespräch gebracht zu werden. Hätte die Partei ihm die Kandidatur angetragen, hätte Pistorius nicht abgelehnt. Aber einen offenen Machtkampf wollte er sich und seiner Partei ersparen.
Am Donnerstag kam es zur Entscheidung. Kurz nach 13:00 telefonieren Pistorius und Scholz. Eine Stunde später kamen die beiden mit den Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil, Generalsekretär Matthias Miersch und Fraktionschef Rolf Mützenich zusammen, um das weitere Vorgehen zu beraten. Im Anschluss nahm Pistorius das Video auf, in dem er erklärte, für die Kanzlerkandidatur nicht zur Verfügung zu stehen.
Was bleibt von dieser Woche? Ein beschädigter Kanzler, eine verunsicherte Partei und ein sehr zufriedener Friedrich Merz.
Was uns diese Woche sonst noch beschäftigt hat:
In seinem erstengroßen Interview spricht Kurzzeit-Finanzminister Jörg Kukies mit dem Handelsblatt über das, was er in den nächsten Wochen noch bewegen will. Er äußert Sorgen über Deutschlands Wirtschaftslage und plädiert für eine moderate Reform der Schuldenbremse, um langfristige Investitionen zu sichern. Wir erleben hier einen Minister, der zwar noch sehr vorsichtig spricht, aber sichtlich Gefallen an seiner neuen Rolle zu haben scheint.
Die Diskussion um die Rückkehr zur Atomkraft nimmt Fahrt auf: Der US-Konzern Westinghouse bietet an, stillgelegte deutsche Reaktoren binnen sechs Monaten mit neuen Brennstäben zu versorgen – falls die Politik das Atomgesetz ändert. Hier analysiert unser Energieteam, was das bedeuten würde.
Nicht nur die SPD hat turbulente Tage hinter sich. Auch in der FDP gab es intensive Diskussionen, nachdem vergangenes Wochenende bekannt wurde, dass die Parteiführung offenbar detailliert den Bruch der Koalition geplant hat. Darüber habe ich in meinem Podcast Handelsblatt Disrupt mit dem ehemaligen FDP-Schatzmeister Harald Christ gesprochen. Der Unternehmer und Berater zeigt sich ziemlich zerknirscht nach den Enthüllungen: Das sei nicht das, was er unter politischer Verantwortung verstehe, sagt er, und will sogar einen Ausstieg aus der FDP nicht ausschließen. Es war ein bemerkenswert offener Podcast.
Dieses Hotel spielt in einer der größten Handelsblatt-Recherchen der vergangenen Monate eine ganz besondere Rolle. Wochenlang hat ein Autorenteam tief hinter die Kulissen der verschlossenen Private-Equity-Branche geschaut - und was sie aufgedeckt haben, hat gestern viele aufgeschreckt: Es geht um die Zustände beim Milliardenfonds Triton, den Sie vielleicht als Großaktionär des Rüstungskonzerns Renk kennen. Insider beschreiben die Zustände dort so, als hätte es die Mee-Too-Debatte nie gegeben. Einen halbnackten CEO, der mit seinen Mitarbeiterinnen in einem Hotelzimmer Flaschendrehen spielt. Einen Manager, der seine Untergebenen befördern will, wenn sie „der im blauen Kleid meine Nummer“ geben. Oder ein Anwalt, der den vermeintlichen „Halsbiss“ seines Mandanten als „Bewegungsunfall“ bezeichnet. Apropos Anwälte: Bevor wir diesen Artikel veröffentlichten, bekamen wir massenhaft Post von elf Kanzleien. Viel wurde bestritten, manches als Humor, anders als Privatvergnügen erklärt. Nichts davon gehöre veröffentlicht. Aber bilden Sie sich lieber eine eigene Meinung: Hier finden Sie die Recherche von Ina Karabasz, René Bender, Michael Verfürden und Sönke Iwersen.
Hier nehmen Ina Karabasz und unsere Podcast-Chefin Solveig Gode gerade den Podcast mit allen Hintergründen zu der Triton-Story auf, der ebenfalls nun mit dem sehr passenden Titel online ist: „Very Private Equity“. Mit dabei, unser Chefjustiziar Peter Koppe und Reporter Verfürden.
In weniger als 60 Tagen wird Donald Trump als 47. US-Präsident vereidigt. Sein Ziel: die USA umfassend nach seinen Vorstellungen zu verändern. Mit einer republikanischen Mehrheit im Kongress und einem konservativ geprägten Supreme Court hat er die Macht, weitreichende Reformen durchzusetzen. Fünf Bereiche stehen dabei im Fokus. Unsere US-Korrespondentinnen und -Korrespondenten haben die Details.
Diese Zahlen haben mich diese Woche dann doch überrascht: Ausgerechnet die einst günstigen Handelsmarken sind zum Preistreiber geworden. Während Markenprodukte seit 2022 durchschnittlich 14,5 Prozent teurer wurden, stiegen die Preise von Eigenmarken um 24,9 Prozent. Woran das liegt? Hier finden Sie die wichtigsten Fakten zur „Cheapflation“.
Das Elektroauto-Start-up Lucid will mit Luxus, Hightech und einer radikalen Qualitätsstrategie Tesla, Porsche und Mercedes übertreffen. Unter der Leitung des charismatischen Ex-Tesla-Ingenieurs Peter Rawlinson beeindruckt Lucid mit innovativer Technologie, einer enormen Reichweite und eigenen Entwicklungen, etwa bei LED-Leuchten. Das einzige was fehlt sind Kunden. Warum nur? Hier finden Sie die Analyse von Felix Holtermann.
Ich gebe es zu: Dieser Termin macht mir einfach gute Laune. Jedes Jahr um diese Zeit fahren wir nach München, um rund 30 beeindruckende Persönlichkeiten auszuzeichnen. Zusammen mit Boston Consulting Group (BCG) bringen wir Menschen auf die Bühne, die in großen Unternehmen oder Start-ups Großes geleistet haben. Menschen, die im besten Sinne Vordenkerin oder Vordenker sind. Und ich bin mir ziemlich sicher: Von diesen 29 Persönlichkeiten werden wir in den nächsten Jahren noch hören.
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1 Monat"Scholzweg" ist auf jeden Fall eine starke Zeile.