Der Gewinnausblick steht zunehmend auf wackeligen Beinen

Der Gewinnausblick steht zunehmend auf wackeligen Beinen

War das letzte Jahr noch geprägt durch einen globalen synchronen Konjunkturaufschwung, ist das Bild in den letzten Monaten doch erheblich differenzierter geworden. Die Weltwirtschaft ist in die Spätphase des Konjunkturzyklus mit nachlassendem Wachstumsmomentum, auseinanderdriftenden Wirtschaftsregionen und steigender Inflation eingeschwenkt. Zeitgleich schreitet die geldpolitische Normalisierung der großen Notenbanken weiter voran.

Der globale Höhepunkt an zusätzlicher Liquidität ist überschritten. Die EZB plant zwar, die Leitzinsen „über den Sommer 2019“ unangetastet zu lassen. Doch das Anleihekaufprogramm wird aller Voraussicht nach zum Jahresende beendet werden. Da ist die US-Notenbank Fed schon deutlich weiter und hat bereits zum achten Mal die Leitzinsen auf 2,25% angehoben – und wird wohl noch nachlegen. Die nächste Zinserhöhung im Dezember erscheint angesichts der Wachstumszahl von 3,5% in den Sommermonaten und einer Arbeitslosenquote von zuletzt 3,7% als sicher. Weitere Zinsschritte dürften 2019 folgen. Daneben reduziert sie bereits ihre Bilanzsumme wieder.

Gleichzeitig wird die Liste der (geo-)politischen Belastungsfaktoren nicht kürzer und reicht von dem US-geführten Handelskonflikt bis zu einem möglicherweise ungeordneten „Brexit“. So sind zuletzt die Abwärtsrisiken für das zugrunde liegende Konjunkturumfeld deutlich gestiegen.

Der Oktober wird an den Aktienbörsen als schwacher Monat in Erinnerung bleiben. Der Deutsche Aktienindex DAX und der S&P 500 verloren jeweils knapp 7%, die technologielastige NASDAQ sogar mehr als 9%. Ein wesentlicher Belastungsfaktor war die Quartalsberichtssaison, die von den Anlegern mit sehr kritischen Augen verfolgt wurde.

Die Quartalsergebnisse konnten in der Breite die Anleger nicht überzeugen. Auffällig sind dabei die teilweise sehr starken Kursverluste einzelner Dividendentitel, die die hohen Erwartungen verfehlten. Gleichzeitig werden die Investoren hinsichtlich des weiteren Wachstumsausblicks skeptischer. Die aufkeimenden Konjunktursorgen erhielten neue Nahrung, nachdem die Einkaufsmanagerindizes für Deutschland und die Eurozone unerwartet starke Rückgänge verzeichneten.

■ Die aktuelle Berichtssaison impliziert, dass  ein schwächeres Gewinnwachstum bevorsteht. Die Gewinnrevisionsquoten signalisieren eine globale Verlangsamung der Gewinnschätzungen, was Aktien anfälliger für Rückschläge macht.

Insgesamt hat sich das Aktienmarktumfeld eingetrübt. Die globale „risk-off“-Stimmung verstärkte sich. Die implizite Volatilität des Euro STOXX 50 erreichte den höchsten Stand seit Februar dieses Jahres. Auch der S&P 500 verzeichnete im Oktober den 19. Tag mit Verlusten in den letzten 24 Börsensitzungen. Das entspricht der schlechtesten Verlustreihe seit Oktober 2000. Dieses „risk-off“-Umfeld ist in gewisser Hinsicht hartnäckigen politischen bzw. geopolitischen Sorgen zuzuschreiben. Dennoch werfen die Investoren derzeit einen zunehmend kritischen Blick auf die Fortführung einer soliden Gewinnentwicklung. Tatsächlich beginnt sich das Wachstum der Gewinnschätzungen bereits zu verschlechtern.

■ Das US-Gewinnwachstum war bisher solide, konnte aber die Stimmung nicht drehen.

In früheren Quartalen unterstützten US-Ergebnisberichte die globalen Aktienmärkte, wobei die meisten Unternehmen oft positiv überraschten und die Schätzungen übertrafen. Nachdem 230 der 500 S&P 500 Unternehmen bereits ihre Berichte vorgelegt haben, ist die aktuelle US-Berichtssaison jetzt voll im Gange. Anders als zuvor konnte sie die Investoren jedoch nicht beeindrucken, obwohl mehr als 80% der Unternehmen positiv überraschten. Als Belastung erwiesen hat sich, dass die Schätzungen für wirtschaftliche Leitunternehmen in den Sektoren Maschinenbau und Technologie lediglich erfüllt bzw. sogar verfehlt wurden. – sowohl in den USA als auch in Europa. Das verstärkt die Besorgnis, die Unternehmensgewinne könnten ihren Höhepunkt durchschritten haben und lässt Befürchtungen aufkommen, das organische Wachstum könnte sich in den kommenden Quartalen verlangsamen.

■ Abwärtsrevisionen der Gewinnschätzungen überwiegen

Die Gewinnrevisionsquote ist im Allgemeinen ein guter Indikator für die Entwicklung des künftigen Gewinnwachstums und folglich auch der Aktienmarkt-Performance. In dieser Hinsicht sind einige dunkle Wolken am Horizont aufgetaucht. Denn die Gewinnrevisionsquoten sind kürzlich weltweit spürbar in negatives Terrain gerutscht. Das untermauert unsere Erwartung künftig niedrigerer Wachstumsraten für die Unternehmensgewinne.

Dies wiederum legt nahe, dass das verbleibende positive Kurspotenzial für globale Aktien begrenzt ist und macht auch eine deutliche Zunahme der Schwankungsbreite und Korrekturen wahrscheinlicher. Die Verkaufspreiserwartungen in der Chemieindustrie, die als Gewinnindikator für zyklische Sektoren dienen, deuten ebenfalls auf eine bevorstehende Verlangsamung der Gewinne hin.

■ Der Kursrückgang am Aktienmarkt seit Ende September liefert Hinweise darauf, welche Sektoren nächstes Jahr weiter mit dem Risiko erhöhter Volatilität konfrontiert bleiben. Angesichts des aktuellen Trends zu rückläufigen Wachstumsraten der Unternehmensgewinne ist eine Outperformance von Zyklikern unwahrscheinlich. Defensive Sektoren sind weiterhin vorzuziehen.

Die Aktienmärkte haben zuletzt begonnen, sich vom Kurseinbruch im Oktober wieder zu erholen. In einer solchen Erholung legen in der Regel diejenigen Sektoren am meisten zu, die während der Korrekturphase am stärksten unter Druck standen. Unserer Ansicht nach ist das aktuelle Umfeld jedoch noch nicht reif für eine grundsätzliche Wende. Tatsächlich rechnen wir damit, dass die globalen Aktienmärkte ihre breite Seitwärtsbewegung fortsetzen. Das verbleibende Potenzial bis Jahresende ist vermutlich begrenzt auf die höchsten Niveaus, die seit Ende September zu beobachten waren (Euro STOXX 50: 3.400 Punkte, DAX: 12.300).

■ Gewinnsorgen sind derzeit der limitierendste Faktor

Hinter dem starken Kursrückgang an den globalen Aktienmärkten seit Anfang Oktober standen verschiedene Ursachen, von Besorgnis hinsichtlich stark steigender Zinsen in den USA bis zu politischen Unsicherheiten in Italien. Der wichtigste Belastungsfaktoren jedoch die starke Verlagerung der Gewinnerwartungen und zunehmende Anzeichen, dass die Unternehmensgewinne ihren Höhepunkt überschritten haben. Grundsätzlich begrenzt dies das Aufwärtspotenzial der Aktienmärkte. Zudem zeigen die Sektortrends im Oktober, in welchen Branchen das Risiko erhöhter Volatilität besteht. Das könnte zugleich als Vorlage für das kommende Jahr betrachtet werden, sollten sich die Sorgen der Investoren hinsichtlich einer Wachstumsverlangsamung der Unternehmensgewinne als gerechtfertigt erweisen.

■ Zykliker gaben in den letzten Wochen am meisten nach.

Für Zykliker war die deutliche Eintrübung des Gewinnumfelds im Oktober ein perfekter Sturm. Folglich verzeichneten alle zyklischen Sektoren im MSCI EMU-Index eine Underperformance, während alle defensiven Sektoren outperformten.

Angesichts der aktuellen Einschätzung der Investoren, dass der Höhepunkt des Gewinnwachstums hinter uns liegt, wird sich an der allgemeinen Zurückhaltung gegenüber Zyklikern unseres Erachtens vorerst nichts ändern. Das Ifo-Geschäftsklima (Erwartungskomponente) ist ein solider Indikator für die relative Performance von Industrie- gegenüber defensiven Sektoren. Defensive Titel dürften weiter outperformen, bis sich die konjunkturellen Frühindikatoren beleben. Damit rechnen wir in der unmittelbaren Zukunft nicht.

■ Nicht jeder Anstieg der Anleiherenditen ist negativ für Aktien. Die langfristige Beziehung zwischen Aktien und Anleihenrenditen korreliert zumeist positiv. Steigende Renditen sind nicht unbedingt ein Vorbote negativer Aktienerträge

Zuletzt wurden steigende Anleiherenditen häufig als Belastung für risikobehaftete Anlagen genannt und mit dem Kursverfall am Aktienmarkt in Verbindung gebracht. In den meisten Fällen steigen die Renditen von Staatsanleihen aufgrund eines soliden konjunkturellen Umfelds. Das ist auch der Hauptgrund für den aktuellen Anstieg der US Treasury-Renditen. Gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen implizieren indes eine Verbesserung der Unternehmensgewinne – der wesentliche Einflussfaktor für die Aktienmärkte.

Eine weiter starke Aufwärtsbewegung könnte sicherlich das Risiko einer übermäßigen Belastung des Wirtschaftswachstums beinhalten. Allerdings sind für vorsichtigere Anleger US-Staatsanleihen bereits zunehmend zu einer interessanten Alternative geworden. Die zweijährigen Treasuries rentieren mit 2,9%. Dagegen liegt die Dividendenrendite im US-Markt bei etwa 2%.

Die gestiegenen Finanzierungskosten für Unternehmen dürften vor dem Hintergrund der deutlich angestiegenen Verschuldung aber auch die Mittel für aktionärsfreundliche Maßnahmen wie Dividendenerhöhungen oder Aktienrückkäufe belasten. So ist eine Wiederholung der rekordhohen Aktienrückkäufe in den USA von rund 850 Mrd. US-Dollar eher unwahrscheinlich.

■ Bei steigenden Renditen zeigt die Erfahrung, dass defensivere Werte die Wachstumstitel outperformen.

In der Vergangenheit konnten Value-Aktien eine Outperformance verzeichnen, wenn die Rendite stieg, während Wachstumstitel in einem Umfeld mit fallenden Renditen besser abschnitten. Nur zwei Mal in nahezu 40 Jahren war diese Korrelation nicht zu beobachten (auf dem Höhepunkt der TMT-Blase in 1999/2000 und seit Anfang 2017). Doch selbst in diesen Fällen hielt die Abweichung nicht lange an. Vor diesem Hintergrund und in Verbindung mit der abnehmenden Dynamik von US-Technologiewerten sowie recht hohen Bewertungen (das aktuelle S&P 500 KGV basierend auf den ausgewiesenen Gewinnen beträgt 23, während der Durchschnitt seit 2003 bei 18,7 liegt) gehen wir davon aus, dass Value-Aktien in den USA allmählich wieder attraktiver werden.

Fazit für den Anleger: Die Zeiten werden rauer. Der Gegenwind nimmt zu. Wir befinden uns in einer Spätphase der aktuellen Aufwärtsbewegung. Das Wachstumsmoment nimmt ab. Eine Rezession ist jedoch nicht in Sicht. Die zu erwartenden Zugewinne auf der Aktienseite dürften kleiner werden und mit höheren Schwankungen verbunden sein. Es gibt also weniger zu verdienen bei höherem Risiko. Allerdings sind Spätphasen durchaus noch mit Gewinnen auf der Aktienseite verbunden. Es wird aber deutlich selektiver. Wir haben die Aktienquote daher schon länger auf neutral reduziert. Auf der Sektorenseite bevorzugen wir die defensiveren Sektoren nahe am Konsum wie Haushaltsgüter, Gesundheitswesen und Nahrungsmittel. Anleger sollten aktiv werden und die Portfolioaufstellung prüfen und wetterfest machen. Eine ausgewogene und vorsichtigere Positionierung erscheint angebracht. Daneben dürfte ein konsequentes Risikomanagement immer wichtiger werden.


DISCLAIMER

Unsere Darstellungen basieren auf öffentlichen Informationen, die wir als zuverlässig erachten, für die wir aber keine Gewähr übernehmen, genauso wie wir für Vollständigkeit und Genauigkeit nicht garantieren können. Wir behalten uns vor, unsere hier geäußerte Meinung jederzeit und ohne Vorankündigung zu ändern. Die in diesem Report diskutierten Anlagemöglichkeiten könnten – je nach speziellen Anlagezielen, Zeithorizonten oder bezüglich des Gesamtkontextes der Finanzposition – für bestimmte Investoren nicht anwendbar sein. Diese Informationen dienen lediglich der eigenverantwortlichen Information und können eine individuelle Beratung nicht ersetzen. Bitte wenden Sie sich an den Anlageberater Ihrer Bank. In der Bereitstellung der Informationen liegt kein Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages. Alle Angaben dienen nur der Unterstützung Ihrer selbständigen Anlageentscheidung und stellen keine Empfehlungen der Bank dar. Diese Information genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Unvoreingenommenheit von Finanzanalysen und unterliegt keinem Verbot des Handels vor der Veröffentlichung von Finanzanalysen. Die Informationen in diesem Bericht beruhen auf sorgfältig ausgewählten Quellen, die für zuverlässig erachtet werden, doch kann die UniCredit Bank AG deren Vollständigkeit oder Genauigkeit nicht garantieren. Alle hier geäußerten Meinungen beruhen auf der Einschätzung der UniCredit Bank AG zum ursprünglichen Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung, ganz gleich, wann Sie diese Information er- halten, und können sich ohne Vorankündigung ändern. Die UniCredit Bank AG kann andere Publikationen veröffentlicht haben, die den in diesem Bericht vorgestellten Informationen widersprechen oder zu anderen Schlussfolgerungen  gelangen. Diese Publikationen  spiegeln andere Annahmen, Meinungen und Analysemethoden der sie erstellenden Analysten wider. Wir behalten uns des Weiteren vor, ohne weitere Vorankündigung, Aktualisierungen dieser Information nicht vorzunehmen oder völlig einzustellen. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit sollte nicht als Maßstab oder Garantie für die zukünftige Wertentwicklung genommen werden, und eine zukünftige Wertentwicklung wird weder ausdrücklich noch implizit garantiert oder zu- gesagt. Die Informationen dienen lediglich der Information im Rahmen der individuellen Beratung durch Ihren Berater und können diese nicht ersetzen. Alle Angaben sind ohne Gewähr.

München, November 2018

Zum Anzeigen oder Hinzufügen von Kommentaren einloggen

Weitere Artikel von Oliver Postler

  • Gezeitenwende aktiv managen

    Gezeitenwende aktiv managen

    Zentrale Aufgabe von uns als aktiver Vermögensverwalter ist es, systematisch und konsequent Verschiebungen in Politik…

  • Ausblick Kapitalmärkte zum Halbjahr

    Ausblick Kapitalmärkte zum Halbjahr

    Wir blicken zurück auf ein sehr erfreuliches erstes Halbjahr an den Märkten. In diesem hat der deutsche Leitindex satte…

  • Zinswinter

    Zinswinter

    Wer hätte Anfang des Jahres erwartet, dass die Renditen für zehnjährige deutsche Staatsanleihen innerhalb weniger…

  • L4L - Lower for longer

    L4L - Lower for longer

    Am Aktienmarkt scheint das miserable Börsenjahr 2018 mittlerweile abgehakt zu sein. Auch am Rentenmarkt ging es…

  • Starker Jahresauftakt noch kein Omen für ein gutes Aktienjahr

    Starker Jahresauftakt noch kein Omen für ein gutes Aktienjahr

    Zum Jahresauftakt haben Anleger wieder viel Geld in die Aktienmärkte gesteckt. Nach dem fast 14-%igen Einbruch in den…

    1 Kommentar
  • Kapitalmarktausblick 2019 – Wachstum in der Spätzyklusphase mit Abwärtsrisiken – Zeit sich defensiver zu positionieren

    Kapitalmarktausblick 2019 – Wachstum in der Spätzyklusphase mit Abwärtsrisiken – Zeit sich defensiver zu positionieren

    War das Jahr 2017 noch gekennzeichnet von einem Goldilocks-Szenario aus besser als erwartetem Wachstum, geringer…

  • Zinsbeben

    Zinsbeben

    Die Einigung im nordamerikanischen Handelsstreit hat bei Anlegern nur kurzzeitig für Entspannung gesorgt. Zwar wird die…

  • Aus dem Takt

    Aus dem Takt

    Nach einer Phase eines weitgehend synchronen Wachstums wirkt die Weltwirtschaft aus dem Takt geraten. Die USA hat dank…

  • Glanzlos ohne direktionale Dynamik

    Glanzlos ohne direktionale Dynamik

    Das erste Halbjahr ist an den Kapitalmärkten ziemlich durchwachsen verlaufen. Auf einen guten Jahresstart an den…

  • Anleger sollten etwas vorsichtiger werden

    Anleger sollten etwas vorsichtiger werden

    Das BIP-Wachstum in Deutschland hat sich in Q1 mit 0,3% ggü. Vq.

Ebenfalls angesehen

Themen ansehen