Desksharing – eine gute Idee, die gerade gar nicht gut ankommt

Desksharing – eine gute Idee, die gerade gar nicht gut ankommt

In den meisten Büros sind immer Plätze oder Schreibtische frei. Die eine ist im Urlaub, der andere krank und dazu sind manche außer Haus unterwegs. So sah es schon vor Corona aus und seitdem lässt Homeoffice noch mehr Büroarbeitsplätze die meiste Zeit verwaist zurück. Die Kosten für ungenutzte Arbeitsplätze und Flächen bleiben dennoch. Um hier zu sparen, wollten viele Verantwortliche auf ein neues Arbeitskonzept setzen: Desksharing. Wohlweislich wurde im Vorfeld dafür viel Werbung und Überzeugungsarbeit gemacht. Geholfen hat das nichts. Der Unmut unter den Mitarbeitenden war schnell groß. Folgt man Psychologinnen und Psychologen, stellt diese Reaktion keine große Überraschung dar. Die ersten Unternehmen rudern zurück. Ist die Idee des Desksharing damit schon wieder Geschichte?

 

Teilweise nur noch 30 Prozent Auslastung der Büroflächen

Google-CEO Sundar Pichai machte vor Kurzem in der Abteilung Google Cloud Bestandsaufnahme. Für die rund 30.000 Angestellten nur in diesem Bereich hält man riesige, teure Büroflächen vor, die zuletzt aber nur zu gut einem Drittel genutzt wurden. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht liegt es natürlich nahe, diese Fläche deutlich zu reduzieren. Moderne Bürokonzepte können auch auf wenig Raum viel gestalten. Eine durchdachte Büroeinrichtung berücksichtigt dabei nicht nur formale Punkte, sondern genauso die Erkenntnisse verschiedener Wissenschaften zur angenehmen, gesunden und produktiven Arbeitsplatzgestaltung – und entwickelt daraus Konzepte für ein rundherum attraktives Büro. Hier greifen viele neue Desksharing-Lösungen zu kurz und wollen einfache Antworten auf eine vielschichtige Herausforderung geben. Im Ergebnis endet das immer gleich: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Google oder dem Norddeutschen Rundfunkt (NDR) beschweren sich reihenweise in immer gleichem Tenor.

Woran Desksharing schnell scheitern kann

Die Professorin für Wirtschaftspsychologie Sandra Ohly von der Uni Kassel benennt die größten Hürden beim Desksharing mit wenigen klaren Worten:

  • Durch Desksharing entsteht bei Mitarbeitenden zuerst der Eindruck, dass ihnen etwas weggenommen wird – ihr persönlicher Raum im Unternehmen.
  • Dieser Raum, ein eigenes Territorium, bedeutet jedoch ein großes Stück Sicherheit.
  • Fehlende Sicherheit beeinträchtigt Wohlbefinden und Produktivität.

Hinzu kommen praktische Probleme. Eine Individualisierung des Arbeitsplatzes ist beim Desksharing schwierig. Bestenfalls können bei Arbeitsbeginn aus dem privaten Rollcontainer Fotos oder ein Glücksbringer geholt werden. Diese müssen dann zum Feierabend genauso wieder weggeräumt werden. Rund um den Desksharing-Platz fällt es außerdem schwerer, Routinen zu entwickeln. Denn es ist vollkommen ungewiss, an welchem Platz man am nächsten Tag sitzen wird. Ein Platz muss zusätzlich überhaupt erst reserviert werden – eine weitere Aufgabe auf dem Tagesplan und zusätzlicher Stress. Vielen bereitet es außerdem Unsicherheit, wenn sie nicht wissen, mit wem sie am Folgetag in nächster Nähe zusammenarbeiten sollen. Am Ende leidet sogar die innere Bindung an den Kollegenkreis, Gruppen, Teams oder das ganze Unternehmen unter dem täglichen Wechselspiel. Innere oder tatsächliche Kündigungen sind die Folge und die allgemeinen Personalprobleme wachsen nur.

 

Desksharing kann grundsätzlich funktionieren

Das Desksharing erscheint auf den ersten Blick als wirkungsvoller Kostensenker. Noch vor der Umsetzung müssen sich Verantwortliche aber der potenziellen Probleme bewusst werden und für jedes einzelne eine gute Antwort finden. Wie bei anderen tiefgreifenden Veränderungen am Arbeitsplatz ist es wichtig, Mitarbeitende dazu nicht nur mit schönen, warmen Worten zu berieseln. Sie müssen mit erlebbaren Verbesserungen und Vorteilen überzeugt werden. 08/15-Lösungen bewirken eher das Gegenteil, wie allein die Reaktionen bei Google oder dem NDR zeigen. Besser durchdachte Konzepte zum Desksharing erfordern dann außerdem einige Anfangsinvestitionen etwa in ergonomische, individuell anpassbare höhenverstellbare Schreibtische und einiges mehr. Ansonsten reduziert Desksharing zwar kurzfristig Kosten für Flächen oder Energien, schadet allerdings direkt und nachhaltig der Produktivität des Unternehmens.

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