Deutscher Referentenentwurf für Änderungen des Schutzes vor Kinderehen

Deutscher Referentenentwurf für Änderungen des Schutzes vor Kinderehen

Bereits zweimal (Le mariage avec un mineur, 2022; Mariage forcé, 2028) hat das SIR in der jüngeren Vergangenheit Gutachten zu Kinderehen verfasst. Im Hinblick auf das Recht in Deutschland beziehen sich beide Gutachten auf die seit Juli 2017 geltende Rechtslage, nach welcher solche Ehen unwirksam sind, bei denen mindestens eine der beiden Personen im Zeitpunkt der Eheschliessung noch nicht 16 Jahre alt war. War das Kind bei der Eheschliessung zwischen 16 und 18 Jahre alt, so ist die Ehe zwar grundsätzlich wirksam, kann jedoch aufgehoben werden.

In seinem Beschluss vom 1. Februar 2023 hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber jedoch aufgegeben, bis spätestens Ende Juni 2024 Nachbesserungen am Gesetz vorzunehmen. Zwar sei es grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar, pauschal alle Ehen für ungültig zu erklären, bei deren Schliessung eine der Personen noch nicht ein bestimmtes Alter erreicht habe. Da das Gesetz jedoch weder Regelungen zu den Folgen der Unwirksamkeit enthalte noch über die Möglichkeit, die Ehe nach Erreichen der Volljährigkeit zu bestätigen, verstosse es in seiner derzeitigen Form gegen den Schutz der Ehefreiheit in Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes. Es bleibe vorerst in Kraft unter der Massgabe, dass bestimmte Unterhaltsansprüche Anwendung fänden.

Das deutsche Bundesministerium für Justiz hat daher im April 2024 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen veröffentlicht, in welchem es die vom Bundesverfassungsgericht kritisierten Punkte berücksichtigt. Der Entwurf sieht vor, dass auch weiterhin solche Eheschliessungen ausnahmslos unwirksam sein sollen, bei denen mindestens eine der Personen das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Dadurch sollen Minderjährigenehen unmissverständlich geächtet werden. Allerdings sieht der Entwurf nun sowohl Unterhaltsansprüche zugunsten des Kindes sowie eine Heilungsmöglichkeit vor.

Demnach soll das an der unwirksamen Ehe beteiligte Kind Anspruch auf ehelichen und nachehelichen Familienunterhalt haben; im Gegensatz zur vom Bundesverfassungsgericht verordneten Übergangslösung soll der anderen an der Ehe beteiligten Person jedoch kein Anspruch auf Unterhalt zugutekommen. Zum Schutze der Kinder soll jedoch kein Unterhaltsanspruch bestehen, wenn beide an der Eheschliessung beteiligte Personen unter 16 Jahren waren.

Bei Erreichen der Volljährigkeit, also bei Vollendung des 18. Lebensjahres, kann die nunmehr ehemündige Person beim Standesamt und in Anwesenheit der anderen Person erklären, die Ehe fortführen zu wollen. Dadurch wird die vormals unwirksame Ehe geheilt. Ist die andere Person inzwischen verstorben, so kann die nunmehr ehemündige Person erklären, die Ehe fortgeführt zu haben.

Der Referentenentwurf muss nun zunächst von der Bundesregierung in Form eines Regierungsentwurfs konkretisiert werden und sodann das Gesetzgebungsverfahren in Bundestag und Bundesrat durchlaufen.

 

Artikel von Johanna Fournier

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