Die aktuelle Meinung von J.P. Morgan: Eine kurzfristige Rezession ist möglich, aber nicht wahrscheinlich.



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Eine kurzfristige Rezession ist möglich, aber nicht wahrscheinlich. Hier die Gründe:

Für die meisten Anleger wird es ein erstes Quartal zum Vergessen sein. Die einzigen großen Indizes mit positiven Renditen waren Rohstoffe (Energieaktien, Öl, Erdgas, Kupfer, Gold, Weizen usw.). Die US-Aktienmärkte waren zwar volatil, schlossen aber mit einem Minus von nur -4,6 % (und sie begannen das Jahr auf Allzeithochs). Europäische Aktien schnitten schlechter ab, wobei der STOXX Europe 600 aufgrund seiner physischen und finanziellen Nähe zum russischen Krieg in der Ukraine um -5,9 % nachgab.

Die viel größere Geschichte ist die schlechte Performance von festverzinslichen Wertpapieren. Denken Sie daran, dass die Anleihekurse umgekehrt mit den Zinssätzen korrelieren. Angesichts des großen Schwenks der globalen Zentralbanken zur Bekämpfung der Inflation hatten diese Anleihen die schlechteste Quartalsperformance seit mindestens 30 Jahren.

Hier sind einige andere bemerkenswerte Beobachtungen aus dem ersten Quartal:

Der Sektor mit der besten Performance im S&P 500 ist der Energiesektor, der um erstaunliche 40 % gestiegen ist. Der einzige andere Sektor mit einer positiven Performance ist die Versorgungsbranche (+4,8 %).

Der Sektor mit der schlechtesten Performance im S&P 500 sind Kommunikationsdienste. Allein Meta (geb. Facebook) ist für drei Viertel des Rückgangs verantwortlich.

Die 10 Länder mit der besten Wertentwicklung im MSCI-Universum sind die Schwellenmärkte.

Von den 47 Ländern, die wir verfolgen, haben 21 eine positive Performance, 25 eine negative Performance und eines (Indien) ist für das Jahr unverändert.  

Die bis vor kurzem 8,7 Billionen US-Dollar an global negativ verzinsten Schulden sind verschwunden, da die globalen Zinssätze gestiegen sind.

Zu Beginn des Jahres erwartete der Markt, dass die US-Leitzinsen 2023 bei 1,50 % liegen würden. Heute erwarten die Märkte bis dahin Leitzinsen von 3 %.

Zu Beginn des Jahres erwartete der Markt, dass die Leitzinsen der Eurozone 2023 bei 0,0 % liegen würden. Heute erwarten die Märkte, dass die Leitzinsen bis dahin über 1,25 % liegen werden.

Die letzte Woche des Quartals gab den Anlegern auch einen weiteren Anlass zur Sorge.

Die Renditekurven für 2-jährige US-Staatsanleihen verteuerten sich so sehr, daß diese nun über den 10-jährigen US-Staatsanleihen liegen. Erfahrungsbedingt glauben viele somit, daß eine eine kurzfristige Rezession unvermeidlich ist.

Eine Rezession in den nächsten 12 bis 18 Monaten halten wir zwar für durchaus möglich, aber nicht für wahrscheinlich und schon gar nicht unvermeidlich.  

Warum eine Rezession möglich, aber nicht wahrscheinlich ist?

Die Argumente für eine mögliche Rezession in den nächsten zwei Jahren sind ziemlich einfach zu finden.

Die Zentralbanken haben sich verpflichtet, die Inflation zu senken. Um dies zu erreichen hat der Vorsitzende der US-Notenbank Powell erklärt, dass er um dies zu erreichen das Wirtschaftswachstum aktiv einschränken wird. Die Europäische Zentralbank ist ebenfalls bereit, die Zinsen zum ersten Mal seit zehn Jahren anzuheben. In den meisten Fällen enden diese Straffungszyklen der Zentralbanken, wenn das Sparen durch ansteigende Zinsen angeregt wird.

Der Rentenmarkt deutet bereits an, dass Schwierigkeiten bevorstehen, zumal sich der Spread der 10-jährigen und 2-jährigen US-Staatsanleihen sich letzte Woche umkehrte. Dies hat in den USA traditionell nach einer Anlaufzeit von mehr als ein Jahr zu einer Rezession geführt.

Es gibt noch mehr besorgniserregende Anzeichen. Die Stimmung unter den Verbrauchern ist erheblich gesunken, insbesondere was ihre zukünftigen Erwartungen angeht. Russlands Krieg in der Ukraine erhöht die Unsicherheit und lässt die Rohstoffpreise steigen. Die US-Hypothekenzinsen haben den größten sechsmonatigen Anstieg seit 50 Jahren erlebt, wodurch die Erschwinglichkeit von Wohnraum stark zurückgegangen ist. Irgendwann, argumentieren die Rezessionsrufer, müsse jeder Verbraucher die Anzeichen der Zeit erkennen. In Europa erhöhen die Nähe zum russischen Krieg in der Ukraine sowie die Abhängigkeit von russischem Öl und Erdgas die kurzfristigen Rezessionsrisiken. Ein langsameres Wachstum in Europa würde sich sicherlich auch auf die USA auswirken.

Aber nur weil ein Argument einfach ist, heißt das nicht, dass es richtig ist.

Die Fed und andere Zentralbanken werden die Inflation in diesem und wahrscheinlich auch im nächsten Jahr bekämpfen, aber es gibt Möglichkeiten, die Inflationsorgen unabhängig vom Verlauf der Zinssätze zu reduzieren.

Bei den Lieferketten und Halbleitern gibt es weitere Anzeichen für eine Entspannung. In den USA sind die Gebrauchtwagenpreise zwei Monate in Folge gesunken. Taiwan Semiconductor gab an, in China eine nachlassende Nachfrage nach Smartphones, PCs und Fernsehern zu verzeichnen. Der Logistik-Managers-Index, der die Lieferkettenkennzahlen in den USA verfolgt, deutet darauf hin, dass die Warenlager der Unternehmen stark ansteigen – eine deutliche positive Veränderung gegenüber dem letzten Jahr, als Verbraucher und Unternehmen wegen der Verknappung des Angebotes vor Weihnachten besorgt waren. Diese Entwicklung ist besonders begrüßenswert, insbesondere wenn China mit zukünftigen Sanktionen konfrontiert wird, die die Lieferketten weiter stören könnten. Der Ladelöschrückstand der Schiffe, die vor der Küste von Los Angeles warten, nimmt weiter ab. All diese Anzeichen könnten im Jahresverlauf zu schrumpfenden Warenpreisen führen, wodurch die Inflation bald deutlich erträglicher ausfallen könnte.

Wir sehen derzeit auch keine großen Schuldenungleichgewichte, die einen Abschwung verschärfen könnten. Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher in den USA und Europa haben historisch gesunde Bilanzen. Die private Haushaltsverschuldung sinkt seit Jahren fortlaufend. Das Wachstum der Unternehmensverschuldung ist zwar hoch, aber die Schuldentilgungsquoten sind alles andere als alarmierend. Die meisten Verbraucher verfügen immer noch überschüssiges Bargeld aus Ersparnissen aus der Pandemiezeit. Aufgrund der niederen Arbeitslosigkeit verfügen die meisten Verbraucher über die für Kreditaufnahmen notwenigen Voraussetzungen. Somit sind derzeit nur wenige Menschen nicht in der Lage ihre laufenden Ausgaben zu tätigen.  

Die Gewinnmargen der Unternehmen sind erheblich und und sprechen eindeutig gegen eine kurzfristige Rezession. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Gewinnmargen nach Steuern mehrere Quartale vor Beginn der Rezession nachgelassen. Heute sind die Gewinnmargen nach Steuern trotz steigender Input- und Arbeitskosten auf Allzeithochs. Dies deutet darauf hin, dass die Unternehmen wenig Anreiz haben, Kosten zu senken und Arbeitnehmer zu entlassen. Wenn die Gewinnmargen zu sinken beginnen, könnte die Uhr schneller in Richtung einer Rezession ticken. 

Tatsächlich ist die Anzahl der US-Stellenangebote, die ein Maß für die Nachfrage nach Arbeitskräften ist, auf einem Allzeithoch und steigt weiter. Ein frühes Anzeichen dafür, dass sich der Arbeitsmarkt abkühlt, wäre ein Rückgang oder zumindest eine Stabilisierung der Stellenangebote. Auch in der Eurozone, wo die Arbeitslosenquote so niedrig wie noch nie ist, steht der Arbeitsmarkt auf starken Beinen. Höhere Zinsen werden dazu beitragen, den Arbeitsmarkt zu bremsen, aber es ist noch ein langer Weg, bis die Wirtschaft in einen sich selbst verstärkenden Abschwung eintritt, der durch steigende Arbeitslosigkeit gekennzeichnet ist.

Wir sind uns einig, dass sich das Wachstum verlangsamen wird, insbesondere im Wohnungsmarkt und in den Sektoren langlebiger Güter. Höhere Zinssätze und höhere Preise werden die Verbraucher unter Druck setzen und der Anstieg der Hypothekenzinsen zeigt bereits Anzeichen einer Abkühlung des Immobilienmarktes. Aber eher als eine Rezession ist das wahrscheinlichere Ergebnis eine Verlangsamung des Wachstums.

Bereiten Sie Portfolios auf langsameres Wachstum vor.

Die Renditekurve hat letzte Woche die Schlagzeilen gefüllt, aber sie ist wirklich nur einer von vielen Indikatoren, die uns sagen, dass wir von den mittleren Phasen des Wirtschaftszyklus in die späteren Phasen des solchen Zyklus übergehen.

Aber das ist kein Grund für langfristige Anleger, in Panik zu geraten, es bedeutet nur, dass sie einige Änderungen an den Portfolios in Betracht ziehen sollten. Für uns bedeutet dies, daß wir uns auf Qualitätsaktien konzentrieren und langsam fixverzinste Kernanleihen bevorzugen.

Die Aktienmärkte entwickeln sich tendenziell gut, sobald sich die Renditekurve umkehrt (durchschnittliche S&P 500-Renditen von 20 % bis 25 % zwischen der Umkehrung und dem letztendlichen Höchststand der Aktien) und wir haben keinen Grund zu der Annahme, dass dies diesmal anders sein würde. Bei den Aktien konzentrieren wir uns mehr auf Sektoren, die konsistentere Cashflows vorweisen (z. B. Gesundheitswesen) und auf Sektoren, die dann outperformen, wenn sich das Wachstum verlangsamt (z. B. Technologie). Wir vermeiden Sektoren, die an Konjunkturzyklen gebunden sind.

Die Renditen von Investment-Grade-Anleihen in den USA (~4 %) sind auf dem höchsten Stand seit Anfang 2019 und in Europa (~1,5 %) auf dem höchsten Stand seit dem Ausbruch von COVID-19. Vor einer echten Rezession würden wir erwarten, dass Investment-Grade-Anleihen Renditen von 5 % bis 7 % böten, bevor die Zinsen wirklich sinken. Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie erhalten Anleger eine angemessene Rendite für eine Investition in einen unserer Meinung nach relativ sicheren Vermögenswert, der auch im Falle einer Rezession einen gewissen Schutz bietet.

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