Die Bank als Steckdose: Wie sich eine Institution selbst abschafft

Eine Streitschrift und Aufforderung zum Widerspruch!

Das Image der Banken in der Bevölkerung ist seit Jahren schlecht. Jetzt sind es auch die Nachrichten, kaum ein Tag, an dem nicht von Filialschließungen, Personalabbau und Costcutting die Rede ist. Keine Frage: die Banken stecken in der Klemme. Aber warum?

Die Druckpunkte werden oft an der aktuellen Zinsflaute und der internen Kostenstruktur festgemacht (lohnintensive Personalstruktur, hohe IT-Kosten, nicht vorhandenes oder untaugliches und damit teures Risikomanagement), das spielt sicher alles eine Rolle, die tatsächlichen Ursachen gehen aber tiefer. 

Die Bank hat den Kontakt zu ihren Kunden verloren

Automatisierung und Digitalisierung haben den Zahlungsverkehr wie die Geldgeschäfte allgemein dematerialisiert. Es ist nicht mehr ein physischer Austausch zwischen Subjekten sondern ein technischer Prozess. Geld fließt wie Strom aus der Steckdose. Wenn Bankgeschäfte aber analog der Grundversorgung funktionieren, bröckelt die Beziehung zum Kunden; während einzelne Kunden aus den Filialen verschwinden, schmilzt insgesamt das Geschäftsmodell, weil der Kontakt und das Verständnis für die bestehende Zielgruppen abreißt und neue nicht erschlossen werden.   

Entfremdete Beziehung: Anspruch und Alltag der Beratung, drei Beispiele:

  1. Individuelle Beratung vs. interne Zielvorgaben und hauseigene Produkte

Ein bekanntes Phänomen: Mit dem Hammer in der Hand hat jedes Problem die Form eines Nagels. Der Kunde bekommt nicht das beste Angebot, sondern das Angebot, das aus Sicht der Bank am besten passt.

  1.  Individuelle Risikoanalyse vs. Scoring-Modelle

Kreditvergaben und Finanzierungen basieren nicht mehr auf individuellen Einschätzungen, die ihre Wurzeln haben in langjährigen Kundenbeziehung, der Kenntnis der Situation und dem Verständnis für die finanziellen Möglichkeiten, sondern auf Scoring-Modellen und Entscheidungslogiken, die an allem Individuelle vorbeigehen. (Sie sollen in erster Linie das Risiko der Bank minimieren.)

3. Beratung vs. Exkulpation

Verbraucherschutz, Compliance- und Regulierungsvorgaben zielen zwar auf den Kundenschutz, bedienen aber das Risikovermeidungsbedürfnis der Institute. Denn allen guten Absichten zum Trotz: wer versteht denn wirklich, wie Finanzprodukte funktionieren? Wo mangelndes Finanzwissen auf Überinformation trifft, unterläuft die Intention sich selbst, das Verständnis nimmt ab statt zu.      

Der Kunde möchte für sein Problem die beste Lösung, nicht das best-of der Hausbank, er möchte in seiner Gesamtsituation gesehen, nicht gescored werden. Und er möchte mit seiner Unterschrift die Beratung quittieren, nicht aber die Bank exkulpieren. Dass dies nicht geschieht, zerstört, wo es erkannt wird, das Vertrauen in die Funktion der Bank. So schafft sich eine Institution ab, deren Know-how und Dienstleistung, wenn sie denn am Kunden ausgerichtet wäre, dringend gebraucht wird. Falls diese Analyse stimmt, stellt sich die Frage, warum das System noch (halbwegs) funktioniert. Antwort: weil der deutsche Kunde extrem strukturkonservativ ist, besonders in den höheren Altersklassen. Hier teilen viele Banken das Schicksal der CDU, bestehende Wähler wie Kunden sterben weg, neue bleiben aus, weil und solange das Angebot nicht stimmt. 

Die Bank und ihr Angebot neu zu positionieren kann indes nicht gelingen, solange das Management sich als Grundversorger sieht. Dass Finanzdienstleistungen für eine junge Zielgruppe relevant sind, zeigen die Erfolge von Trading-Apps wie Robinhood und Trade-Republic oder das Phänomen der Anlageberatung via Twitter und Reddit. Erfolge, die man als Vollblut-Banker nicht anders als kritisch sehen kann, denn Finanzdienstleistungen über Convenience und Gamification zu vertreiben (mache es dem Kunden so einfach wie möglich, mache ihn süchtig (addictive design) und belohne ihn in der App für seine Trades), bedeutet das genaue Gegenteil einer informierten und selbstbestimmten Entscheidung, die für Finanzgeschäfte angemessen wäre. Nachhaltige Geldanlage ist auf dem Komplexitätsniveau von Candy Crush mit Konfettiregen am Horizont nicht zu haben. Die zu besetzende Lücke zwischen Grundversorgung und Gamification ist das Feld, in dem sich die Bank mit kreativen und mutigen Ansätzen bewegen muss. Tut sie das nicht, wird sich als Institution schneller abschaffen als es die SPD als Volkspartei geschafft hat.    



Werner Hübner

Subdirektor bei ERGO Versicherungsgruppe AG

3 Jahre

...ja, dem ist nicht hinzuzufügen. trifft voll den Kern des Problems.Helikoptersicht ist nicht immer gut....

Thorsten Düser

Unabhängiger Investment Banker | #M&A | #CorporateFinance | strategische Partnerschaften | Nachfolgelösungen Familienunternehmen | #IPO | #Aufsichtsrat | #Vorstand | CEO | SPAC | Weltweit | td@solutionpartners.global

3 Jahre

Sehr gut durchdacht und geschrieben, Kersten!

Andreas Oelerich

Nachhaltigkeit und Transformation.

3 Jahre

Lieber Kersten, recht hast Du, mit vielen Punkten stimme ich auch überein. Es bleibt viel zu tun. Liebe Grüße aus dem Norden !

Kurt Wechsler

Bankangestellter bei Credit Suisse

3 Jahre

😎 👍

Kurt Wechsler

Bankangestellter bei Credit Suisse

3 Jahre

Lieber Kersten, recht hast Du, so sollte man es nicht machen, mehr darf und kann ich nicht dazu sagen. Liebe Grüsse aus dem Süden, der Schweiz !

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