Was die Hilfen für die Ukraine kosten – bisher nur Geld!
Mainz, 20. Dezember 2022 │ Dieter Wermuth
Stand Ende November 2022 wurden der #Ukraine für ihren Abwehrkrieg gegen Russland, die laufenden Staatsausgaben und den späteren #Wiederaufbau etwa 129 Mrd. Euro an Hilfen zugesagt. Das sind 0,3% des aggregierten Bruttoinlandsprodukts der USA und der Europäischen Union. Die Kosten für die Geberländer fallen nicht alle in diesem oder im nächsten Jahr an, sondern verteilen sich über einen längeren Zeitraum, so dass wir für die kommenden Jahre über Hilfen von maximal 0,15% des BIP pro Jahr reden. Zum Vergleich: Die #Militärausgaben der NATO lagen zuletzt bei 2,6% jährlich. Die #Unterstützung der Ukraine fällt daher kaum ins Gewicht und könnte, theoretisch, leicht um ein Mehrfaches gesteigert werden, ohne dass es bei den Geberländern zu einem fühlbaren Rückgang des allgemeinen Lebensstandards käme. Noch ist der Westen weit von einer echten #Kriegswirtschaft entfernt. Nur dass wir ein bisschen frieren und weniger Auto fahren.
In der Ukraine wird auch die Freiheit Europas verteidigt. Wenn das Land von Russland annektiert würde, könnten als Nächstes die drei baltischen Länder, Moldawien, Georgien und vielleicht sogar Teile Polens gefährdet sein. Unter allen Umständen muss daher verhindert werden, dass sich so etwas wie eine Ukraine-Müdigkeit einstellt und die #Finanztransfers und die #Lieferung von Waffen nicht weiter gesteigert werden. Da die russische Wirtschaft fast neunmal größer ist als die des südlichen Nachbarlandes (2021), wäre der Ausgang des Krieges auf Dauer vorgegeben. Die Ukraine darf nicht sich selbst überlassen werden.
Im Jahr 2021, also vor der Invasion, betrug das nominale #Sozialprodukt der Ukraine nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds 199,7 Mrd. Dollar. Zahlen für den Wert des gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks gibt es nicht, dürften aber kaum mehr als das Zehnfache des jährlichen BIP betragen, also höchstens 2 Billionen Dollar. Wenn am Ende ein Viertel davon zerstört ist und ersetzt werden muss, wird die Ukraine #Nettokapitalimporte von 50 Mrd. Dollar jährlich benötigen, fünf Jahre lang, zusätzlich zu einer ebenso großen Summe aus inländischer Ersparnis. Je rascher der Krieg beendet wird, desto geringere #Schäden richtet er an, und desto geringer fällt die finanzielle #Belastung der Geberländer aus. #Knausrigkeit zahlt sich in der aktuellen Situation nicht aus und wäre eine verfehlte Politik. Einige der obigen Zahlen sind natürlich aus der Luft gegriffen, dürften aber, was die #Kosten angeht, eher zu hoch als zu niedrig sein. 50 Mrd. Dollar entsprechen etwa einem achtel Prozent des BIP der NATO-Länder und fallen daher aus Makrosicht kaum ins Gewicht. Wichtig ist, dass nicht nur einige wenige Länder des Westens die Lasten schultern, sondern dass sie fair verteilt werden. Dafür wird, nicht zuletzt aus Transparenzgründen, ein #Wiederaufbaufonds benötigt. In welcher Form die Gelder ausgezahlt werden, als verlorene #Zuschüsse oder #Kredite, lässt sich nicht leicht bestimmen, für die Akzeptanz in der westlichen Öffentlichkeit sind Kredite sicher die bessere Alternative – sie müssten allerdings langfristig sein, und die Zinsen niedrig, mit einer Karenzzeit von mehreren Jahren.
In einem künftigen #Friedensvertrag muss festgelegt werden, welchen Anteil der Aggressor zum #Wiederaufbau der Ukraine beitragen muss. Durch den Krieg haben die #Auslandsaktiva Russlands gewaltig zugenommen – allein im Jahr 2022 dürfte der Überschuss in der Leistungsbilanz (ein Indikator für die Nettokapitalexporte) 260 Mrd. Dollar erreichen, Folge der hohen Öl- und Gaspreise und der (wegen der Sanktionen) rückläufigen Importe.
Fragt sich nur, wie man an dieses #Auslandsvermögen kommt. Das Wenigste dürfte in den USA oder Westeuropa gelandet sein, eher schon auf verschlungenen Wegen in Dubai, Katar, Singapur oder in der Karibik. Wenn die USA nur wollten, könnten sie diese #Steuerparadiese zwingen, die tatsächlichen Eigentümer aller bei ihnen gehaltenen Konten offenzulegen. Das ist aber leider erfahrungsgemäß ein aussichtsloses Unterfangen.
Das Problem ist, dass Russland den Krieg nicht verlieren kann und sich auf Reparationen nicht einlassen wird. Vermutlich wird es daher auf absehbare Zeit bei den aktuellen, oder sogar bei weiter verschärften #Sanktionen bleiben. Nur ein #Regimewechsel in Moskau kann daran etwas ändern. Es gibt zurzeit nur einen positiven Effekt der russischen Invasion: Die Preise für Öl und Gas werden hoch bleiben und den #Umstieg auf erneuerbare Energie deutlich beschleunigen. Gut für das Klima dieser Welt.
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Jochen Wermuth gründete WAM im Jahr 1999. Er ist ein deutscher Klimafolgeninvestor, der im Lenkungsausschuss von "Europeans for Divest Invest" tätig war. Seit Juni 2017 ist er auch Mitglied des Anlageausschusses für den 24 Milliarden Euro schweren kerntechnischen Entsorgungsfonds (KENFO).
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