Krieg in der Ukraine
Saskia Gaymann für Schön & Co Marktupdate - alle Rechte liegen bei Schön & Co

Krieg in der Ukraine

Der Text basiert auf unserem Schön & Co-Marktupdate vom 27.02.2022. Für die sonntäglich erscheinende aktuelle Ausgabe können Sie sich jederzeit kostenlos und unverbindlich unter info@schoenco.de anmelden.

Unsere Vermögensverwaltungsgesellschaft gibt es seit über 50 Jahren. Seit fast 15 Jahren erscheint – teilweise in anderen Formaten – unser wöchentliches Schön & Co Marktupdate. Es ist in dieser Zeit zwei Mal außerplanmäßig ausgefallen. Nie hätten wir allerdings erwartet, ein Marktupdate in europäischen Kriegszeiten schreiben zu müssen. Dieser Fall ist nun eingetreten. Seit dem vergangenen Donnerstag kämpfen russische Truppen in der Ukraine, die teilweise u. a. durch westliche Waffenlieferungen unterstützt wird. In dieser Spirale gibt es erste Drohungen, die auf die Bereitschaft, atomare Waffensysteme zu nutzen, hindeuten. Russland hat seine entsprechenden Verteidigungspläne aktiviert. Die Unsicherheit ist auf allen Ebenen sehr groß und umfasst auch den Kapitalmarkt. Die Schwankungen, die dort zu verzeichnen sind, hätten früher Tage oder Wochen benötigt; jetzt geschehen sie teilweise in Stunden und manchmal auch Minuten. Insbesondere in Phasen, in denen die Handelsvolumina gering sind, sind die Ausschläge besonders groß. Dies bietet natürlich Marktchancen, die sich aber manchmal schnell wieder relativieren. So gibt es derzeit kaum Handel in russischen Anleihen oder in Zinspapieren, die in russischer Währung notieren. Diese Umsatzlosigkeit sorgt für starke Kursbewegungen, bei denen dann u. a. Schweizerische Kreditinstitute für weiter fallende Kurse sorgten, weil dort russische Anleihen nicht mehr als Kreditsicherheit akzeptiert werden. Von der US-Ratingagentur Standard & Poor´s wurden russische Staatsanleihen auf „Ramschniveau“ herabgestuft, was natürlich nicht der wirtschaftlichen und finanziellen Realität entspricht. Solange Russland Energielieferant für weite Teile Europas ist, kann der Krieg gegen die Ukraine allein aus den Einnahmen finanziert werden. Die immensen weiteren Rohstoffreserven, die Goldbestände der russischen Notenbank und die hohen Devisenreserven müssen dafür nicht angerührt werden. Deswegen mutet ein Großteil der Wirtschaftssanktionen auch wie ein „zahnloser Tiger“ an. Wirtschaftlich wird man Russland kaum an den Verhandlungstisch zwingen können.

Daran ändern auch die Überlegungen, Russland aus dem SWIFT-Abkommen teilweise auszuschließen, wenig. Damit sind international bargeldlose Zahlungen deutlich eingeschränkt. Da aber die Energieversorgung ausgenommen sein soll, ist der Druck relativ gering, der dadurch entstehen wird. Vordergründig wirksamer scheinen Sanktionen und Einziehungen russischer Vermögen im Ausland zu sein. Ob und wie dies umgesetzt werden kann, ist mehr als unklar. Diese Unklarheit wird auch in den nächsten Tagen der wesentliche Belastungsfaktor an den Kapitalmärkten sein. Die Schwankungen werden sehr groß sein und von der Nachrichtenlage rund um den Krieg in der Ukraine maßgeblich beeinflusst werden. Dabei besteht die Gefahr, dass andere Themenfelder unbeachtet bleiben, deren Einfluss auf die Kapitalmärkte möglicherweise wesentlich größer ist. So hat aktuell Nordkorea einen weiteren Raketentest durchgeführt, Elon Musk will über seine Satelliten das Internet in der Ukraine aufrecht erhalten und Unternehmens-, Konjunktur- und Konsumdaten geben weiteren Aufschluss über die „normalen“ wirtschaftlichen Entwicklungen, auf die beispielsweise die internationalen Notenbanken schauen müssen. Gerade in den USA wäre eine Erhöhung des Leitzinses um 25 Basispunkte nicht nur geboten, sie erscheint auch wahrscheinlich. Ob dieser Schritt bei dem durch den Krieg in der Ukraine ohnehin gestiegenen Außenwert des US-Dollars und den drohenden Kostensteigerungen für Energierohstoffe tatsächlich erfolgen wird, bleibt abzuwarten. In Europa ist eine Zinserhöhung faktisch ausgeschlossen. Schließlich gelingt es Wladimir Putin mit seinem Vorgehen, Europa mindestens wirtschaftlich zu schwächen. Die ohnehin stark gestiegenen Energiekosten werden sich weiter verteuern. Dies heizt die Inflation an, ohne dass dies von der EZB wirklich wirksam bekämpft werden kann. Eventuell müssen dämpfende Effekte durch weitergehende Steuersenkungen erfolgen. Diese Mindereinnahmen laufen aber einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben diametral entgegen. Deutschland, Österreich, Finnland oder auch das Nicht-EU-Land Norwegen könnten sich dies vielleicht noch leisten. Frankreich oder – mit Abstrichen – das aus der EU ausgetretene Großbritannien dürften an dieser Stelle viel größere Probleme bekommen. Entsprechend kann die Strategie Putins auch sein, nicht nur einen Kreis neutraler Staaten um Russland zu haben, sondern auch mindestens einige europäische Staaten an den Rand der Zahlungsunfähigkeit zu führen. Damit würde die überraschend starke Einigkeit der westlichen Staaten möglicherweise Risse bekommen. Derzeit ist also die Vermögensanlage besonders komplex. Neben den kurzfristigen Kriegsfolgen sind Aspekte wie die Fungibilität – zuvor beispielsweise bei russischen Staatsanleihen kein großes Thema –, die Sicherheit der Anlagen und vor allem die langfristigen Folgen wesentliche Aspekte. Man darf auch nicht vergessen, welche Auswirkungen die Sanktionen haben und wie möglicherweise die sanktionierten Personen, Unternehmen und Institutionen mit den Sanktionen umgehen. Würden sich alle russischen Oligarchen von ihren jeweiligen Aktien trennen, würde dies in diesem Umfeld für eine deutliche Abwärtsbewegung an den Kapitalmärkten sorgen. Umgekehrt stellt sich aber auch die Frage, ob beispielsweise Luxusgüter weiter überproportional wachsen, wenn mit Russland eine nachfragestarke Region durch die Sanktionen „wegfällt“.

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Zudem finanzieren sich Unternehmen gerade sehr zurückhaltend. In der vergangenen Handelswoche ist außer dem Konsumgüterkonzern Unilever kein größeres Unternehmen mit der Emission von Anleihen aktiv gewesen, obwohl die Nachfrage hoch ist. Schließlich steht ein nahezu unbegrenztes Volumen an Geld einem begrenzten Angebot an Anlagemöglichkeiten gegenüber. Dies müsste eigentlich für fallende Zinsen sorgen, weil die Kurse der Anleihen aufgrund der Nachfrage steigen müssten. Allerdings ist die Nervosität so groß, dass die Risikoaufschläge stark steigen und kaum ein Unternehmen derzeit das Risiko eingehen will, sich zu teuer zu refinanzieren. Zudem sind die Ausblicke der meisten Konzerne zur weiteren Geschäftsentwicklung – auch ohne den Krieg – eher verhalten.

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Dies ist kein positives Signal für die Aktienentwicklung, die vor allem bis einschließlich Donnerstag unter den Entwicklungen zwischen Russland und der Ukraine litt. Erst mit leichten Entspannungssignalen am vergangenen Freitag konnten sich die Indices erholen und die US-Technologiebörse Nasdaq erreichte sogar ein positives Wochenergebnis. Auf Jahressicht 2022 sind die US-Technologieaktien mit knapp 13% aber immer noch sehr deutlich im Minus. Der DAX hingegen profitierte von einem möglichen Porsche-Börsengang und der positiven Stimmung bei den Automobilwerten. Durch den Krieg rücken auch Klimaziele wieder in den Hintergrund. Entsprechend könnte sich der Weg in die Elektro-Mobilität verlangsamen. Auch dies könnte für einige Automobilwerte gut sein. Werte mit starker Substanz, geringer Verschuldung und zukunftsfähigem Geschäftsmodell werden durch diese Krise gut hindurchkommen, wenn sich der Krieg nicht zu einem atomaren Konflikt oder einem Weltkrieg entwickelt. 

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Im Wochenvergleich konnte der Euro nur gegen den Russischen Rubel gewinnen. Der Anstieg war mit rund 7% relativ stark. Auf Jahressicht hat die russische Währung gegenüber dem Euro 10% an Wert eingebüßt. Dies ist ein politischer Preisverfall, weil fundamental Russland wirtschaftlich und finanziell deutlich robuster als die Eurozone ist. Anlass zur Sorge entsteht aber auch, weil der Euro gegen alle anderen Währungen in einer echten Krisensituation verloren hat. International ist die Gemeinschaftswährung eben kein sicherer Hafen. Besonders deutlich war das Minus gegenüber der Norwegischen Krone, die über 2% hinzugewinnen konnte. Teilweise ist dies auf die Möglichkeit, russische Energielieferungen durch Norwegen zu ersetzen, zurückzuführen. Vor allem ist dies aber ein Zeichen, dass Europa nicht als wesentlich in dem Konflikt wahrgenommen wird.

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Dies mag zunächst als nicht so relevant wahrgenommen werden; es ist aber ein Problem, weil Europa dann viel weniger gestaltend agieren kann, als dies notwendig wäre. Deswegen ist es zunächst gut, dass sich der steile Anstieg der Ölpreise nicht fortgesetzt hat, sondern im Wochenvergleich lediglich ein Plus von knapp 1% zu verzeichnen war. Eine große Überraschung waren die Edelmetallpreise, die zunächst deutlich gestiegen waren, um dann – mit Ausnahme von Silber – auf Wochensicht Verluste zu verzeichnen. Damit ist Silber mit einem Gewinn 2022 von 4% nach Platin der zweitbeste Edelmetallwert in diesem Jahr. Bislang wird hingegen Gold aber weder seinem Ruf als Inflationsschutz noch als Krisenwährung gerecht. Dies gilt auch für die Digitalwährung Bitcoin, die nach einem Wochenverlust von 2% im bisherigen Jahr 2022 mehr als 15% an Wert verloren hat.

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