Die Luft über dem Kopf gehört zur Privatsphäre
Ob bei OpenAir-Konzerten, Sportanlässen oder an privaten Partys – immer häufiger sieht man an solchen Anlässen auch Drohnen über den Köpfen der Leute schweben - und manchmal auch abstürzen wie kürzlich am Weltcup-Slalom in Madonna di Campiglio. Meist haben solche Minidrohnen eine Kamera an Bord, die hochauflösende und spektakuläre Aufnahmen aus nie gesehener Perspektive machen kann. Und zweifellos werden solche Videoclips werden Youtube erobern – aber auch massenhaft für Ärger sorgen! Denn längst nicht jeder möchte ungefragt Neben- oder gar Hauptdarsteller in einem Youtube-Videoclip werden.
Die neuesten Modelle solcher Minidrohnen kosten deutlich weniger als tausend Franken, sind in kurzer Zeit zusammengebaut und können von jedem Anfänger geflogen werden. Im Gegensatz zu den Billigmodellen aus dem Spielzeughandel, die man schon für weniger als hundert Franken bekommen kann, sind solche Modelle von Anfang an für den Betrieb im Freien ausgelegt, verfügen über eine ausgereifte Elektronik und können standardmässig mit einer der gängigen Actionkameras ausgerüstet werden. Laut Angaben eines spezialisierten Online-Shops werden jeden Monat mehrere hundert solcher Minidrohnen verkauft, und die Kurve zeigt steil nach oben.
Sowohl den Paparazzi als auch Hobby-Detektiven, neugierigen Schnüfflern oder Kriminellen eröffnen sich dadurch ganz neue Möglichkeiten. Aber auch staatliche Organe wie die Polizei, das Grenzwachtkorps oder die Feuerwehr setzen immer häufiger auf Überwachungsdrohnen. Die einzelnen Personen hingegen sind solchen fliegenden Augen meist ziemlich schutzlos ausgeliefert.
Drohnen dürfen fast überall fliegen…
…aber nicht überall filmen! Bis zu einem Gewicht von 30 Kilogramm gelten Drohnen als Modellflugzeuge und dürfen gemäss den allgemeinen Bestimmungen des Bundesamtes für Zivilluftfahrt ohne Bewilligung eingesetzt werden. Voraussetzung ist, dass der „Pilot“ jederzeit Sichtkontakt zu seinem Fluggerät hat. Für eine Erweiterung der natürlichen Sichtweite der Augen, etwa durch einen Feldstecher oder eine Videobrille, braucht es allerdings eine Bewilligung des Bundesamtes. Ausdrücklich verboten sind Minidrohnen ohne direkten Sichtkontakt.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, darf man mit einer solchen Minidrohne – mit Ausnahme von Flughäfen oder Flugplätzen, in deren Nähe der Einsatz solcher Fluggeräte aus naheliegenden Gründen verboten ist – fast überall fliegen. Selbstverständlich dürfen dabei keine Menschen gefährdet werden, und es dürfen auch keine Gebäude (Fensterscheiben) oder andere Fahrzeuge beschädigt werden. Und auch die Vorschriften über die Nachtruhe und andere Lärmschutzvorschriften sind natürlich zu beachten.
Wichtigste Regeln beim Einsatz von Drohnen
Der „Pilot“ muss jederzeit direkten Augenkontakt zum Flugobjekt haben.
Technische Hilfsmittel zur Erweiterung der natürlichen Sichtweite sind bewilligungspflichtig.
Luftaufnahmen sind zulässig, sofern die Vorschriften zum Schutz militärischer Anlagen berücksichtigt werden.
Die Privatsphäre Dritter darf nicht verletzt werden.
Wer eine Drohne mit mehr als 500 Gramm Gewicht betreibt, muss für eine Haftpflichtversicherung über mindestens 1 Million Franken haben.
In der Nähe von Flugplätzen bestehen Einschränkungen für Flüge von Drohnen und Flugmodellen.
Zugegeben: Es macht ja Spass, haarscharf an Bäumen vorbeizurasen oder im Slalom um parkierte Autos herumzufliegen und das Ganze auch aus der Vogelperspektive aufzunehmen, um es dann mit seinen Freunden auf Facebook, Youtube oder Instagram zu teilen. Man kann auch mal – nur zum Spass – einen verstohlenen Blick in Nachbars Garten werfen. Aber die wahre Verlockung eines fliegenden Auges ist natürlich der Blick dorthin, wo man sonst nicht schauen kann… zum Swimmingpool in Nachbars Garten, ins Schlafzimmer im Haus gegenüber oder auf den fremden Balkon im vierten Stock.
Das Recht am eigenen Bild
Jede Person darf grundsätzlich selbst bestimmen, ob und welches Bild von ihr gemacht wird und für welchen Zweck es verwendet wird. Das Recht am eigenen Bild ist Teil des Persönlichkeitsrechts und gilt natürlich auch für Videoaufnahmen, die aus der Luft gemacht werden. Insofern gehört die Luft über dem Kopf eben auch zur Privatsphäre.
Das heisst ohne Einwilligung der betroffenen Personen sind solche Aufnahmen, auf welchen einzelne Personen zu erkennen sind, unrechtmässig und verletzen deshalb deren Persönlichkeitsrechte. Der heimliche Blick in Nachbars Garten ist also tabu. Er kann unter Umständen sogar strafbar sein (Artikel 179quater Strafgesetzbuch)!
Aber wer fragt denn schon vorher? Der Reiz (und manchmal auch der Zweck) solcher Aufnahmen liegt ja gerade darin, dass die betroffenen Personen nichts davon merken!
Öffentlicher Grund
Die Überwachung von öffentlichem Grund durch die Gemeinden oder die Kantone selbst ist in den kantonalen Datenschutzgesetzen detailliert geregelt. Diese Bestimmungen gelten aber nicht für Privatpersonen. Das heisst, grundsätzlich dürfen private Drohnen auch über öffentlichem Raum eingesetzt werden, sofern die Persönlichkeitsrechte der Personen, die sich in diesem Raum bewegen, dadurch nicht verletzt werden.
Kantone und Gemeinden dürfen allerdings gestützt auf ihr Hoheitsrecht, das sie über den öffentlichen Grund ausüben, einschränkende Bestimmungen für den Einsatz von Drohnen über öffentlichem Grund erlassen. Es wäre zum Beispiel vorstellbar, dass ein Kanton aus Sicherheitsüberlegungen in einem bestimmten Umkreis eines Gefängnisses den Einsatz privater Drohnen verbietet. Aber auch zum Schutz der Persönlichkeitsrechte von Personen, die sich an einem bestimmten öffentlichen Ort aufhalten, könnten Bestimmungen erlassen werden (zum Beispiel ein Verbot von Drohnen in der stark frequentierten Fussgängerzone).
Kantone und Gemeinden sind gefordert
Bisher sind – soweit ersichtlich – noch keine solchen einschränkenden Bestimmungen erlassen worden. Es sind auch keine Fälle von Privatpersonen bekannt geworden, die sich von Überwachungsdrohnen auf öffentlichem Grund belästigt gefühlt haben. Aber das könnte sich sehr schnell ändern. Sollten sich Überwachungsdrohnen tatsächlich massenhaft verbreiten, werden sie auch bald in grosser Zahl über öffentlichem Grund herumfliegen. Spätestens dann müssen sich die Kantone und Gemeinden Gedanken darüber machen, wie sie die Bürgerinnen und Bürger, die sich im öffentlichen Raum bewegen, vor den neugierigen Blicken der fliegenden Augen ihrer Mitbürger schützen können.