Die Mogelpackung, ein leidiges Thema
Mogelpackung
Bekanntlich verbietet § 43 (2) Mess- und Eichgesetz (MessEG) Fertigpackungen mit einer Gestaltung und Befüllung, die eine größere Füllmenge vortäuscht als faktisch enthalten (Mogelpackung).
Bundesgerichtshof
Der BGH stellte jüngst fest, bei der Auslegung des Irreführungstatbestands des § 43 Abs. 2 MessEG könnten die Grundsätze zur Irreführung herangezogen werden (BGH, Urteil 29.05.2024 - I ZR 43/23, Fundstelle openJur 2024, 5028 - Hydra Energy, unter Verweis auf BGH, Urteil 11.10.2017 - I ZR 78/16, Fundstelle openJur 2018, 4930 - Tiegelgröße), demnach auf die Vorstellungen des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abgestellt werden, der dem Produkt die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringe. Wäre eine Überdimensionierung eines Warenbehältnisses technisch bedingt (Schutz gegen Druck), sei nicht von einer Täuschung auszugehen (BGH, 30.10.1981 - I ZR 156/79 – Kippdeckeldose).
Der BGH stellte in dem Urteil „Hydra Energy“ in Egr. 33 jedoch auch (und verfehlt) fest, von einer sogenannten Mogelpackung wäre regelmäßig auszugehen, wenn das Füllvolumen weniger als 70 % des Verpackungsvolumens betrage (mit Bsp. aus der Rspr. in Egr. 34). Der BGH wertet dabei als „Indiz“ für die Erheblichkeit der Irreführung die rechtlich unverbindliche Verwaltungsrichtlinie mit allgemeinen Grundsätzen für die Gestaltung von Fertigpackungen im Sinne von § 17a EichG aF vom 31. Januar 1972, geändert gemäß Bekanntmachung vom 23. Januar 1978. Diese Richtlinie sieht vor, dass undurchsichtige Fertigpackungen grundsätzlich zu beanstanden wären, wenn der Freiraum 30 % oder mehr betrage.
Nur, diese Verwaltungsrichtlinie konnte allenfalls zum damaligen Zeitpunkt ein Indiz für die Verbrauchererwartung darstellen. Der im Jahr 1977 ergangenen Verwaltungsrichtlinie lag die frühere, inzwischen obsolete deutsche Rechtspraxis zugrunde, wonach bei der Prüfung des Aussagegehalts einer Werbung von der Auffassung eines „flüchtigen Verbrauchers“ auszugehen sei; dieses Verbraucherleitbild ist jedoch längst überholt und wurde von dem eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abgelöst, wie dies der EuGH und auch der BGH vorgeben. Die Feststellung des BGH in Egr. 33 des „Hydra Energy“-Urteils steht daher in Kontrast zu der eigenen Überlegung des BGH, bei der Auslegung des Irreführungstatbestands des § 43 Abs. 2 MessEG können die für § 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG geltenden Grundsätze zur Irreführung herangezogen werden (Egr. 26).
Die Verwaltungsrichtlinie dürfte insofern heute gar keine Anwendung mehr finden.
Nationale lebensmittelrechtliche Vorschriften bedürfen zudem einer Notifizierung, die in der Richtlinie (EU) 2015/1535 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (zuvor Richtlinie 83/189/EWG) ausdrücklich vorgesehen ist; eine solche Notifizierung der Verwaltungsrichtlinie des Bundesfinanzministeriums ist jedoch nicht erfolgt. In ständiger Rechtsprechung des EuGH sind nationale Rechtsakte, die nicht das erforderliche Notifizierungsverfahren durchlaufen haben, gemeinschaftsrechtswidrig und nicht anzuwenden (bzgl. Richtlinie 83/189/EWG: EuGH C-194/94, 30.4.1996 - CIA Security International; EuGH C-13/96, 20. März 1997 – BIC Benelux SA).
Empfohlen von LinkedIn
Jedwede mögliche Täuschung kann übrigens relativiert werden, durch aufklärende Hinweise. Auch damit befasste sich der BGH in „Hydra Energy“. Als Beispiele nennt der BGH die
Auch höchste Gerichte irren, manchmal.
Bundesrat
Das Saarland macht sich mit dem Antrag zu einer Entschließung des Bundesrates über „Mogelpackungen kennzeichnen: Verbraucher und Umwelt schützen“ (BR Drs. 568/24, 12.11.2024) dafür stark, Hinweise zu Täuschungspackungen einzuführen. Zur Schaffung von Transparenz für VerbraucherInnen sollte dazu eine Kennzeichnung von Inhalts- oder Qualitätsveränderungen bei Produkten in Supermärkten und großen Einzelhandelsgeschäften für einen Zeitraum von sechs Monaten erfolgen. Die französische Regelung zur Kennzeichnung von Täuschungspackungen solle hierbei als Vorbild dienen. Mögen - hier nur unterstellt - Verpackungen mit weniger Inhalt bei gleichbleibendem oder höherem Preis (sog. Shrinkflation) oder Produkte, bei denen höherwertige Zutaten durch qualitativ minderwertige und damit billige Inhaltsstoffe ersetzt werden (sog. Skimpflation), so ist ein Bashing im Handel ein Irrweg.
Der Bundesrat hat in seiner 1050. Sitzung am 20. Dezember 2024 beschlossen, die Entschließung nicht zu fassen. Richtig.