Die Reise zum Mittelpunkt. Dorthin, wo der Kunde steht. (6) Durchs Sprüche-Tal zum gold'nen Gral
Das Wetter war sonnig aber nicht zu warm, die Blütenpracht erfreute das Auge, der weiche Boden die Füße. Damit sind aber leider alle positiven Dinge aufgezählt. Denn von den ersten Schritten an wurde der Weg durch das Land der Binsen ein beschwerlicher.
Die Frösche quakten ihre Weisheiten, die Bienen hatten ebenfalls summend eine Menge zu bieten. Selbst die Blumen säuselten vor sich hin, sich selbst sanft in der Brise wiegend.
Es schien, als hätten sie Jahre oder sogar Jahrzehnte damit gewartet, ihren Sermon loszuwerden, und mich jetzt als eine einmalige Gelegenheit betrachteten, ebendies zu tun.
Die Themenvielfalt war unendlich, die Sprüche selbst nicht immer eindeutig, sodass hier und da sogar noch Platz für persönliche Interpretationen geblieben wäre – ja wenn. Um es ebenso platt auszudrücken wie sich einige der Weisheiten präsentierten: Die Vielfalt war einfach zu viel.
Hier eine kleine Auswahl von Binsen, mit denen ich berieselt und besäuselt wurde, während ich mir meinen Weg bahnte:
Eine Blume die blüht, taugt nur schwer als Dünger.
Die Freude über geprelltes Geld begrüßt den Schlaf. Die Faust des Wirtes begrüßt den Morgen.
Wer Freundschaft mit sich selbst schließt, hat es einfach bei Verabredungen.
Ein Notizblock ohne Stift ist wie ein Kopf ohne Hirn.
Wer bei Schafen nur an Wolle denkt, ist Vegetarier.
Es ziemt den Vollendeten, bescheiden auf das winzige Staubkorn der Unvollkommenheit aufmerksam zu machen. Es zeigt den Grad der eigenen Tugend und spornt einen Jeden an, es noch besser zu tun.
Das und noch mehr prasselte bereits in der ersten Minute auf mich ein.
Die weitere Fortsetzung des Weges hätte auch bei gefestigteren Charakteren als ich einer war, früher oder später zur Hirnerweichung geführt. Oder man ging in die Hocke und begann hemmungslos zu wimmern. Das jedenfalls legte die Stellung des Skelettes nahe, auf das ich stieß. Offenbar war ich doch nicht der erste gewesen.
Ich riss zwei Binsen aus, und versuchte, mir damit die Ohren zu verstopfen. Das funktionierte natürlich nicht. Im Gegenteil. Irgendein geheimnisvoller Mechanismus führte offenbar dazu, dass ich alles noch klarer und besser verstand.
Spätestens jetzt war jener Punkt erreicht, an dem jeder normale Mensch schlicht freigedreht hätte.
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Andererseits war ich in der Werbung.
Und so kam mir die rettende Idee: Ich dachte schlicht an die Brainstormings, an denen ich teilgenommen hatte. Die meisten davon zwei Stunden dauernd (zu lang) und vorab in den PC-Terminkalender gehämmert (zu offiziell).
Hinzu kommt, dass man gerade in großen Unternehmen einige langjährige Kolleginnen und Kollegen aus anderen Abteilungen zum ersten Mal leibhaftig sieht. Das alles hindert zuverlässig daran, loszulassen und lässig einen rauszuhauen, aufdaß die Augen des Gegenübers erfreut aufblitzen, um dann noch einen draufzusetzen.
Dafür entsteht aber viel von dem, was mich auch im Lande Binsen erwarten könnte. Welche Weisheit sollte mich da noch wirklich aus der Fassung bringen? Schon wurde ich gelassener.
Noch besser war aber, dass ich noch kein einziges Brainstorming ever erlebt hatte, das nicht in vollkommener Harmonie geendet hätte. Alle, wirklich alle, waren sich einig:
Ja, das wäre zwar jetzt noch nicht 100%ig auf den Punkt, aber da waren schon tolle Sachen dabei. Und würde man die vertiefen ... ommmm.
Den Rest des Weges legte ich also im Geiste eines Hippies zurück, der gerade frisch vom Guru kommt.
Ich genoss jeden Schritt, fühlte mich fit und kräftig. Und die Quelle des Lichts, auf die ich zielstrebig hinwanderte, wurde größer und größer.
„Das wäre ein prima Cliffhanger“, dachte ich noch bei mir. Und so seien Sie dabei, wenn diese Geschichte am nächsten Freitag ihre Fortsetzung und ihr Ende findet und es heißt „Es bleibt spannend“.
Wenn Sie vorher etwas von mir lesen möchten: Mail genügt. Auftrag auch.
Ein schönes Wochenende J
Michael Funke