Die wahren Gewinner und Verlierer des digitalen Wandels
Homeoffice, Online-Sprechstunde mit dem Arzt oder die Maskenpflicht in öffentlichen Bereichen – 2020 war ein Jahr mit einschneidenden Veränderungen in vielen Lebensbereichen. Wer denkt, dass der Wandel mit dem Jahreswechsel beendet war, irrt. Wilhelm Petersmann, Geschäftsführer Fujitsu Österreich und Schweiz, wagt einen Blick in das Jahr 2021.
Covid-19 hat sich als wahrer Katalysator für digitale Umbrüche erwiesen, und Unternehmen, die ihre IT-Infrastruktur gestärkt haben, kamen deutlich besser durch die Krise. Ganz weit vorne ist der Handel: In Ländern, die von Lockdowns betroffen waren, wechselten bis zu 70 Prozent der Kunden, die zuvor in Geschäften gekauft haben, ins Internet – eine Gewohnheit, die viele beibehalten werden. Auch im Bankensektor gab es einen Shift, denn obwohl gerade die Digital Natives schon vorher Online-Banking-Angebote genutzt haben, hat die Akzeptanz, Bankgeschäfte online zu erledigen, während der Pandemie noch weiter zugenommen. Auch die Gastronomie, eine der am stärksten betroffenen Branchen, musste neue Wege finden – z.B. durch QR-Codes auf Tischen, über die man Speisekarte aufrufen kann, um das Herumreichen von physischen Karten zu vermeiden. Der öffentliche Dienst, Schulen und Universitäten wurden aus einem vermeintlichen „Dornröschenschlaf“ gerissen und die Pandemie äußerte sich als Weckruf für die notwendige Digitalisierung von Verwaltung und Bildungseinrichtungen.
In vielen Fällen war die Corona-Krise genau der „Gamechanger“ für ein altes System, der im Bereich Digitalisierung dringend notwendig war. Doch neben Gewinnern gibt es auch Verlierer – und das wird 2021 immer deutlicher:
- Für all jene, die mit dem technologischen Fortschritt nicht mithalten können, wird es zunehmend schwieriger, nicht den Anschluss zu verlieren. Die Digitalisierung sorgt dafür, dass viele Dienstleistungen nur noch über Technologien und die Geräte, auf denen diese laufen, bereitgestellt werden. Das vergrößert einerseits die Kluft zwischen den Generationen, andererseits die Spaltung zwischen ärmeren und reicheren Bevölkerungsgruppen, denn nicht jeder kann sich Geräte wie ein Smartphone oder Laptop leisten oder diese bedienen.
- Arbeitsplätze, bei denen wiederholbare und rollengebundene Aufgaben ausgeführt werden, sind besonders gefährdet, unter die Räder der Technologisierung zu geraten. In Bereichen wie der Risikobewertung von Versicherungen, in Call- und Service-Centern beschleunigt sich die Automatisierung durch künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Die Prognosen für die Mitarbeiter aus diesen Bereichen sehen eher schlecht aus: Umschulungen erfordern Zeit, gut bezahlte Jobs erfordern einige Jahre Erfahrung und verfügbare Arbeitsplätze sind aufgrund der gegenwärtigen Wirtschaftslage Mangelware.
- Homeoffice ist für viele zum neuen Standard geworden, eine permanente Rückkehr an den Arbeitsplatz hingegen nahezu unvorstellbar. Immer mehr Unternehmen – wie auch Fujitsu – betrachten ihren Bedarf an Büroflächen daher aus einer neuen Perspektive: Anstatt in Büroflächen zu investieren ist es eher sinnvoll, Mitarbeiter dabei zu unterstützen, einen ruhigen, dauerhaften Arbeitsplatz mit entsprechenden Geräten und der notwendigen Bandbreite im eigenen Zuhause zu planen – denn auf der Bettkante, der Couch oder am Küchentisch zu arbeiten, ist sicherlich weder nachhaltig noch förderlich für die Gesundheit der Mitarbeiter.
- Wo früher die Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel ein großer Preis-Dumper bei Immobilienpreisen war, könnten das zukünftig Internetgeschwindigkeiten sein, nämlich in ländlichen Regionen. Gemeinden, die in die Erhöhung der Bandbreite investieren, werden einen entsprechenden Anstieg der Immobilienwerte erleben.
- Die Innenstädte könnten eine weitere Revolution erleben, denn der Rückgang der Büroflächenbelegung um mehr als 20 Prozent ist nur der Anfang einer Massenabwanderung in die Vororte. Wenn Menschen die Vorteile des Stadtlebens nicht nutzen können und es nicht mehr notwendig ist, in der Nähe des Büros zu leben, könnten sich die Innenstädte leeren – zumindest bis mehr Büroflächen in Wohnraum umgewandelt werden.
- Die Verlagerung von Kapitalkosten zu Betriebskosten wird sich beschleunigen. Unternehmen gehen dazu über, Technologie anders zu nutzen – weg vom Kauf über einen Lebenszyklus von drei bis fünf Jahren hin zu mehr verbrauchsabhängigen Modellen, die nach dem „Pay-as-you-go“-Prinzip funktionieren. So können diese auf Anstiege oder Rückgänge der Nachfrage flexibler reagieren. Das macht sich besonders im On-Premises-Rechenzentrum bemerkbar, wo sich die Einführung der Cloud beschleunigt hat.
- Datenschutzbedenken und Föderalismus können den Digitalisierungsfortschritt bremsen. Es wäre daher wichtig, die Datenschutzgesetze zwischen den europäischen Ländern zu vereinheitlichen. Nur dann kann GAIA-X, der europäische digitale Service, zu einer echten Alternative zu den US-Hyperscalern werden.
Die Learnings für 2021
Wer sich mit Daten und Technologie als Ganzes beschäftigt, verschafft sich einen massiven Wettbewerbsvorteil. Es empfiehlt sich, einen lösungsorientierten, funktionszentrierten Ansatz über Teams und Wissensbasen hinweg zu forcieren, anstatt eine fragmentierte Herangehensweise an die IT-Infrastruktur und -Dienste zu verfolgen. Partner wie Fujitsu können Unternehmen mit ihrer Expertise unterstützen, um die verschiedenen Stränge zu einem sinnvollen Gesamtbild zusammenzuführen.
Managementtrainer und Berater
3 JahreWir lernen uns am digitalen Kaminabend im Rahmen des CSM/SDM Curriculums am 23. März kennen. Vielleicht wäre das auch ein Input für diese Runde.
Wilhelm F. Petersmann, Deine Analyse zeigt wichtige Handlungsfelder auf. Besonders wichtig scheint mir der Punkt zu den Datenschutzbedenken und Föderalismus. Europa könnte dank GAIA-X einen wichtigen Beitrag leisten.