Digitalisierung und Ethik

Jahr 2025, Sie fahren in ihrem brandneuen selbstfahrenden Audi R8, hören entspannt Musik und schauen aus dem Fenster. Auf einmal rennt ein Kind auf die Strasse.   Blitzschnell errechnet ihr Auto zwei Möglichkeiten. 1. Es weicht dem Kind aus – kracht dafür in ein entgegenkommendes Auto. 2. Sie überfahren das Kind. Welche Option soll ihr Auto wählen? Es wird diejenige Option wählen, auf das es programmiert ist. Doch sagen Sie ehrlich, würden sie ein Auto kaufen, das darauf programmiert ist, mit ihnen an die Wand zu fahren? Oder würden Sie vielleicht mehr Geld für ein Auto bezahlen, das sie in allen Fällen schützt, auf Kosten anderer? In diesem Fall auf Kosten des Kindes?  

Meine Damen und Herren, sie sehen, hier geht es nicht um die technische Frage, ob Autos in Zukunft selber fahren und Entscheidungen treffen. Hier geht es um eine ethische Fragestellung. Die neuen Technologien werden unsere Welt und unsere Gesellschaft immer mehr prägen. In Zeitungen, Büchern und auch an Kongressen ist das Thema Digitalisierung und Transformation omnipräsent. Es wird über Chancen und Herausforderungen diskutiert, über die Nutzung von Daten und über Sicherheitsaspekte. Doch selten führen wir eine ethische Diskussion.

Eine zentrale Frage für mich ist folgende:

"Nur, weil wir etwas technisch tun können, sollen wir es auch tatsächlich tun? Und wie weit sind wir bereit zu gehen?"

Die neuen Technologien geben uns ein mächtiges Werkzeug in die Hand. Wir erhalten die Macht, die Effizienz in unseren Unternehmen durch Automatisieren um ein Vielfaches zu erhöhen. Auf der anderen Seite bedeutet dies, dass viele Mitarbeiter überflüssig werden. Wir erhalten die Macht, dank den Daten die erzeugt werden, automatisch Entscheide durch eine künstliche Intelligenz fällen zu lassen. Auf der anderen Seite bedeutet dies, dass ihre Daten verwendet werden.Wir hätten heutzutage sogar die Macht, unsere Kinder nach unseren Wünschen auf die Welt kommen zu lassen. Die Genetik ist schon so weit. Auf der anderen Seite hätten wir dann wohl bald eine Welt voll mit blonden, blauäugigen, schönen, intelligenten Menschen.

Sie sehen, die neuen Technologien sind ein Werkzeug, das sehr positiv für uns Menschen sein kann, wenn wir es wohlüberlegt nutzen. Es ist aber auch ein Werkzeug, bei dem wir unsere Selbstbestimmung verlieren können, wenn wir nicht die richtigen Fragen stellen, Diskussionen führen und Rahmenbedingungen setzen. Doch wer definiert, was die richtigen Fragen oder Rahmenbedingungen sind? Philosophen wie Aristoteles oder Konfuzius sagten, wir sind auf der Erde, um ein gutes Leben zu führen. Der Anspruch nach einem guten Leben, sollte uns in unseren Entscheidungen helfen. Nicht was technisch möglich ist, sollte uns in unseren Entscheidungen leiten, sondern was uns und unserer Gesellschaft ermöglicht, ein gutes Leben zu führen. Als Entscheidungsträger haben wir hier eine besondere Verantwortung. Wir müssen uns diesen ethischen Fragen stellen und Antworten finden.

Diese Verantwortung dürfen wir nicht wegdelegieren oder ignorieren.

Auch nicht an die Politik und Regulierung, denn sie werden der Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung nicht folgen können. Ihre Rahmenbedingungen werden immer zu spät sein. Wenn wir also die Frage der Ethik ernst nehmen, dann müssen wir anfangen dieses Denken in unsere Unternehmenskulturen zu etablieren. Wir müssen uns von der Frage leiten lassen, in was für einer Gesellschaft wollen wir in Zukunft leben? Denn es wird die Gesellschaft sein, die wir gemeinsam gestalten.

Eine spannende Frage hier wird sein: Sind wir unter Umständen auch bereit auf Profit zu verzichten, wenn es nicht dazu führt, ein gutes Leben zu führen? Was denken Sie?

Christian Petit

Hartmuth G.

Agile Coach at Takeda Pharmaceuticals | Certified Professional Co-Active Coach, CPCC | ICF ACC | Organizational Catalyst | Design Thinking and Product Champion Coach | Pragmatic Utopian & Metamodern Thinker

7 Jahre

Deswegen muss die Politik wieder zurück zu ihren Wurzeln - zum philosophischen Diskurs. Wie Sie beschrieben haben wird der technologische Wandel uns mehr vor gesamtgesellschaftliche Fragen stellen als dies die wirtschaftsorientierte und selbstzentrierte Politik heute ist. Die Politik von heute ist ein Produkt der Probleme von gestern - und die tiefe Verbindung mit der Wirtschaft raubt ihr die Neutralität. Wir brauchen neue Politiker (Philosophen!) und wahrscheinlich auch dahingehend ein neues Verständnis von Gesellschaft. Danke an alle die sich nicht nur um das heute kümmern - sondern das morgen gestalten.

Matthias Müller

Autor - Von der Sprache lernen / Learning from the language

7 Jahre

lieber christian, sehr spannend - trifft die situation in einem gesteuerten auto ein: was ist dann? wie rechnet das menschliche hirn - was wäre ethisch vertretbar? ich kann nur fragen stellen. ich weiss von menschen, die nach solchen situationen ihr verhalten grundsätzlich ändern: also nicht mehr auto fahren ...

Christian Neuhaus

Porte-parole • Délégué de la Direction • Affaires publiques chez Swisscom (Suisse) SA • Administrateur

7 Jahre

Je partage ton appréciation. Voici un article intéressant sur ce sujet paru dans la NZZ d'aujourd'hui: https://www.nzz.ch/meinung/autonome-fahrzeuge-brauchen-keine-ethik-software-ld.1308201

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