DIHK-Thesenpapier für eine zukunftsorientierte Industriepolitik
10 Thesen
Der Wettbewerb mit Staaten, die verstärkt auf Protektionismus und Subventionen setzen, steigende Anforderungen durch die Digitalisierung und der demografische Wandel stellen die hiesigen Unternehmen vor neue Herausforderungen. Die Diskussion über eine zukünftige Industriepolitik für Deutschland und Europa kommt mit der Nationalen Industriestrategie von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zum richtigen Zeitpunkt. Die folgenden zehn Thesen sollen verdeutlichen, was ein erfolgreicher Industriestandort Deutschland benötigt, um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein.
1. Das gute Zusammenwirken von Produzenten, Zulieferern und Dienstleistern im sogenannten „Netzwerk Industrie“ ist Grundlage für Innovation, Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. Dies gilt für alle Industriebereiche – von der Grundstoffindustrie bis zu High-Tech-Sektoren. Für seinen Erfolg ist das Netzwerk vor allem auf funktionierende Rahmenbedingungen angewiesen – für den Handel mit der Welt und für das Wirtschaften vor Ort.
2. Die exportorientierte Industrie in Deutschland ist auf offene Grenzen angewiesen. Der multilaterale Ansatz im Rahmen der WTO ist der beste Weg zur weltweiten Öffnung von Märkten. Gerade der industrielle Mittelstand profitiert in der Breite von der internationalen Arbeitsteilung mit einem regelbasierten internationalen Handel.
3. Vor Ort zählen zu den relevanten Standortfaktoren insbesondere eine gut ausgebaute Infrastruktur, d.h. Verkehrsanbindung, Versorgung mit digitalen Netzen sowie die Verfügbarkeit von erschlossenen Industrie- und Gewerbeflächen, Rohstoffen und von gut ausgebildeten Fachkräften. Darüber hinaus braucht ein wettbewerbsfähiger Industriestandort eine bezahlbare und verlässliche Energieversorgung, ein modernes Steuersystem, bürokratische Entlastungen und eine weitgehend digitale Verwaltung.
4. Schnelle und rechtssichere Plan- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturvorhaben, Gewerbe- und Industrieansiedlungen sowie für Industrieanlagen sind ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf in Deutschland. Deutliche Ver-besserungen könnten z.B. durch die Einführung eines einheitlichen Plan- und Genehmigungsverfahrens für alle Infrastrukturen, durch eine einmalige Öffentlichkeitsbeteiligung und Umweltprüfung und durch die Vermeidung von Doppel- und Mehrfachprüfungen für Gewerbeansiedlungen erreicht werden.
5. Um innovative Ideen in Produkte und Dienstleistungen „Made-in-Germany“ umsetzen zu können, benötigt der Standort Deutschland gut ausgebildete Fachkräfte. Daher bedeutet eine zukunftsorientierte Industriepolitik vor allem ein stärkeres Engagement für die Bildung, insbesondere auch im digitalen Bereich.
6. Damit sich Industrie vor Ort etablieren und entwickeln kann, ist das gesellschaftliche Vertrauen in die Industrie eine wichtige Voraussetzung. Mehr Sensibilisierung der Bevölkerung ist notwendig, damit die Rolle der Industrie für Wohl-stand und wirtschaftliche Entwicklung Anerkennung findet. Denn die Industrie ist maßgebliches Element von Wertschöpfungsketten, Treiber von Forschung und Entwicklung, Vorreiter von Klima- und Umwelttechnologien und bedeuten-der Arbeitgeber und Ausbilder.
7. Darüber hinaus ist ein hohes gesellschaftliches Interesse gegenüber technologischen Entwicklungen und Trends ein Vorteil im weltweiten Wettlauf um Innovationen. Denn ein Bewusstsein für technologische Potenziale schafft Akzeptanz und Vertrauen und diese sind wesentlich für den Erfolg. Berührungsängste mit neuen Technologien sollten in der Bevölkerung abgebaut werden.
8. Das „Netzwerk Industrie“ ist der Kern der hiesigen Wertschöpfungsketten, die ständigen Veränderungen ausgesetzt sind, wie z.B. der Digitalisierung, dem demografischen Wandel und der Globalisierung. Statt einer staatlichen Intervention in einzelne Glieder der Wertschöpfungsketten (wie z.B. eine Batteriezellproduktion) sollte der Staat vielmehr ein innovationsfreundliches Umfeld für alle Teile der Wertschöpfungskette ermöglichen – mit nicht mehr Regulierung als nötig, einer erstklassigen Forschung an Hochschulen und Instituten sowie einem verbesserten Technologietransfer in die Wirtschaft. Damit kann es gelingen, weltweit Standards bei neuen Technologien zu setzen.
9. Bei der Benennung förderwürdiger Zukunftstechnologien läuft der Staat Gefahr, den Blick auf künftige technologische Entwicklungen zu verengen und dabei zu übersehen, dass auch andere Branchen oder Technologien hoch innovativ sind. Am Ende entscheiden aber die Käufer weltweit, welche Produkte am Markt erfolgreich sind. Daher sollte er eine technologieoffene, bürokratiearme Forschungsförderung vorantreiben – und damit den Nährboden für die Entwicklung zukunftsträchtiger Technologien und die Entstehung neuer Trends bieten. Hierbei kann die steuerliche Forschungsförderung, in Ergänzung zur bewährten Projektförderung, einen wesentlichen Beitrag leisten. Zudem sind Reallabore hilfreiche Testräume für neue Innovationen und (weniger) Regulierung.
10. Der Fokus auf europäische Champions und das Vorhaben, sie vor Wettbewerb oder Übernahmen zu schützen, lässt den für Deutschland so relevanten Mittelstand außen vor. Größe bedeutet nicht automatisch mehr Wettbewerbsfähigkeit – das zeigen hierzulande unsere vielen „Hidden Champions“! Damit deutsche und europäische Unternehmen im globalen Markt bestehen können, ist es notwendig, die bisherigen Regeln des Wettbewerbsrechtes auf den Prüfstand zu stellen und sie so zu gestalten, dass gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden. Dafür ist der tatsächliche relevante Markt (regional, national, europäisch, global) in den Blick zu nehmen.