Disziplinarrechtliche Neuigkeiten

Disziplinarrechtliche Neuigkeiten

Das in weiten Teilen mit 1.4.2020 in Kraft tretende Berufsrechtsänderungsgesetz hat für die Anwaltschaft nicht nur Auswirkungen etwa auf die Gestaltung von Rechtsanwaltsgesellschaften, sondern auch im Bereich des Disziplinarrechts und der anwaltlichen Tätigkeit Neuerungen gebracht. Nachfolgend ein paar Hinweise und Gedanken.

1. Geldwäsche und Terrorismus-Finanzierung

Die entsprechenden Regelungen und Verpflichtungen, die den RechtsanwältInnen besondere Sorgfaltspflichten in Zusammenhang mit der Prüfung der Beteiligung an Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auferlegt, stehen bereits seit vielen Jahren in Geltung. Ab 1.4.2020 tritt eine Verschärfung der „Geldwäsche Bestimmungen“ in Kraft, die von den RechtsanwältInnen nochmals erweiterte Prüfungstätigkeiten erfordert.

Zu beachten ist, dass Verstöße gegen die Verpflichtungen zur Erstellung einer „Kanzlei Risikoanalyse“ bzw. zur Dokumentation der Einhaltung der diesbezüglichen Regelungen im § 8a ff RAO durch die jeweiligen Rechtsanwaltskammern seit einiger Zeit gesondert geprüft werden. Werden die durch die Prüforgane aufgezeigten Missstände nicht beseitigt, erfolgen zunehmend Abtretungen an den Kammeranwalt.

Ein Verstoß gegen die Verpflichtungen der § 8a ff RAO stellt grundsätzlich eine Berufspflichtenverletzung im Sinne des § 1 DSt dar, schon die fahrlässige Unterlassung der Vornahme etwa der Risikoanalyse für die Kanzlei und deren Dokumentation, erfüllt diesen Tatbestand, auch wenn, wie bereits ausgeführt, der Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin zum Ergebnis kommt, dass er/sie in der Kanzlei eben keine Geldwäsche geneigten Geschäfte durchführt. Wir im Wiener Disziplinarrat haben bereits einige Verdachtsfälle zu bearbeiten, die in erster Linie „unverbesserliche“ KollegInnen betreffen, die trotz Aufforderung und „Belehrung“ der Ansicht waren, sie machen ohnehin keine Geldwäsche geneigten Geschäfte und müssen daher nichts analysieren und dokumentieren. Zusammenfassung: Die Kollegenschaft kommt an der Anwendung der Bestimmungen § 8a ff RAO in der eigenen Kanzlei nicht vorbei, die Überprüfung der Kanzlei wird erfolgen, in Anbetracht der klaren Rechtslage und des ÖRAK-Leitfadens und der darin vorgeschlagenen Dokumentationen und Formulare ist eine Disziplinaranzeige oder eine disziplinarrechtliche Verurteilung wegen einer solchen Berufspflichtenverletzung wohl nur mit „Kopfschütteln“ zu kommentieren.

2. NEU: Kommunikation zwischen Rechtsanwaltskammer und Rechtsanwalt

Eine besonders bedeutsame Neuigkeit ist der neue erste Satz im § 23 Abs. 5 RAO, wonach Zustellungen zwischen Rechtsanwaltskammern und ihren Mitgliedern aus dem Kreis der Rechtsanwälte auch im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs vorgenommen werden können.

Hinsichtlich von Zustellungen im Disziplinarverfahren wird überlegt, ob diese per WEB-ERV nur mit Zustimmung des jeweiligen Disziplinarbeschuldigten vorgenommen werden. Die Geheimhaltung von Disziplinarangelegenheiten eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin hat naturgemäß oberste Priorität. Umgekehrt ist die Zustellung eines Schriftsatzes oder Schriftstücks an den Disziplinarrat per WEB-ERV natürlich zulässig und sinnvoll, zumal zumindest in der Wiener Rechtsanwaltskammer dem elektronisch geführten Disziplinarakt immer größere Bedeutung zukommt.

3. NEU: Die bedingte Geldstrafe

Ab 1.4.2020 können Geldstrafen in Disziplinarsachen auch ganz oder teilweise bedingt nachgesehen werden. Die nunmehrige Neuregelung schafft die Möglichkeit, schuldangemessen hohe Geldstrafen verhängen zu können (der Strafrahmen beträgt ja bekanntlich für Geldstrafen Euro 45.000, abgesehen von den extrem hohen Geldstrafen für Geldwäschedelikte). Die spezialpräventive Wirkung einer schuldangemessen empfindlichen Geldstrafe, die nicht vollzogen, sondern unter Setzung einer Probezeit bedingt nachgesehen wird, ist für einen Disziplinarbeschuldigten, der „einmal ausgerutscht“ ist, erkennbar und gibt einem solchen Disziplinarbeschuldigten die Möglichkeit, durch künftiges Wohlverhalten die gänzliche Strafnachsicht zu erwirken.

4. Vermeintliche „Kavaliersdelikte“

In der täglichen Praxis des Disziplinarrats gar nicht so selten sind jene Fälle, in denen RechtsanwälteInnen die eigenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem „Einstellen“ von Urkunden ins ARCHIVIUM, im Einschreiten vor Gerichten oder Behörden mit der Behauptung „Vollmacht erteilt“, bei der Abfrage von Einheitswerten über „Finanz-Online“ oder zuletzt bei Namensabfragen im Grundbuch, sehr „großzügig“ übersehen.

a) Es sei mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, dass nur dann Urkunden für Zwecke des Grundbuchs oder des Firmenbuchs ins „ARCHIVIUM“ gestellt werden dürfen, wenn die Anfertigung der entsprechenden „PDF-Datei“ von der dem Rechtsanwalt/der Rechtsanwältin vorgelegten Originalurkunde und mit Zustimmung des darüber Verfügungsberechtigten erfolgt, mit anderen Worten, es muss dem Rechtsanwalt/der Rechtsanwältin unter allen Umständen die Originalurkunde vorliegen.

b) Die Behauptung, einem Rechtsanwalt wäre „Vollmacht erteilt worden“, kann nur dann aufgestellt werden, wenn dies den Tatsachen entspricht.

Die Zulässigkeit und „vorläufige amtliche Glaubwürdigkeit“ der Behauptung „Vollmacht erteilt“ ist ein wertvolles Gut für die Anwaltschaft und erspart Arbeit, erfordert aber vom – hoffentlich –- bevollmächtigten Rechtsanwalt entsprechende Sorgfalt im eigenen Interesse.

Es spricht sicher nichts dagegen, dass die – formlose – Vollmachtserteilung durch E-Mail oder Fax dokumentiert ist, das E-Mail oder das Fax muss naturgemäß vom Mandanten stammen oder zumindest mit seinem Wissen und Wollen als „seine Erklärung“ abgesendet worden sein.

Alles eigentlich ganz selbstverständlich, aber beileibe kein „Kavaliersdelikt“.

c) Auch die Einheitswertabfrage betreffend Liegenschaften setzt naturgemäß eine entsprechende Vollmacht des Eigentümers voraus, ohne eine solche Vollmacht ist die Abfrage, auch wenn sie „nicht zum Nachteil“ des Eigentümers war, unzulässig. Der Verkäufer oder Geschenkgeber einer Liegenschaft muss im Anlassfall nachweislich zustimmen, dass der Einheitswert seiner Liegenschaft vom vertragserrichtenden Rechtsanwalt abgefragt wird. In zu vielen Fällen haben Rechtsanwälte/ Rechtsanwältinnen für diesbezügliche Nachlässigkeiten „bezahlt“.

Dies waren nur ein paar Neuigkeiten und Informationen, die für die werte Kollegenschaft von Interesse sein dürften, ich hoffe sie tragen dazu bei, Disziplinaranzeigen und Disziplinarverfahren zu vermeiden. 

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