Diversity: Nur ein Buzzword oder das Bekenntnis zum Leistungsprinzip?
Es gibt wohl kaum einen Begriff, der den personellen Alltagsdiskurs in Unternehmen so bestimmt wie Diversity. Schließlich haben viele Personaler*innen verstanden, dass effizientere und kreativere Teams durch Vielfalt entstehen.
Vielfältige Unternehmen bringen bessere Leistung, weil unterschiedliche Hintergründe vielschichtiges Denken fördern - und so Probleme nachhaltiger und einfallsreicher gelöst werden. Außerdem ist für viele Unternehmen heute klar: Wer den Talent-Pool demografisch erweitert, kann folgerichtig aus mehr Talent schöpfen. Erst dann funktioniert der Wettbewerb auch wie er soll.
Doch welcher Schluss lässt sich ziehen, wenn überall die Rede von Diversity und Inklusion ist, es aber nach wie vor viel zu wenig Frauen in Vorständen oder kaum Tech-Gründer*innen mit Migrationsgeschichte gibt? Warum ist sozialer Aufstieg eine fast utopische Idee geworden und was bedeutet es eigentlich, dass mir kein einziges Business Role Model mit Behinderung einfällt?
Mögen wir es vielleicht mehr, über Diversity zu sprechen, als sie tatsächlich umzusetzen? Letztlich steht fest: Es erfordert ein ordentliches Stück Arbeit, überholte Systeme aufzubrechen und eine neue Kultur des Miteinanders im Arbeitsalltag und anderswo zu schaffen. Das braucht ein Bekenntnis dazu, die Gesellschaft zu verändern, nicht nur die Lust daran, Teil eines Trends zu sein.
Es sich bei Diversity leicht zu machen, bedeutet, dass das nötige Fundament nicht geschaffen wird. Zum Beispiel ist der Fokus auf inklusive Sprache wichtig, aber sie muss auch aufrichtig sein. Eine Sprache, die interessiert ist, klingt anders, als eine, die unsicher und unnötig übervorsichtig mit Menschen und ihren Eigenheiten umgeht. Inklusive Kommunikation bedeutet vor allem offene Gespräche und einen ehrlichen Austausch - und klappt nicht mit dem bloßen Umgehen von Begrifflichkeiten oder dem Ausweichen bei wichtigen aufklärerischen Diskursen. Der kulturelle Background, die geschlechtliche Orientierung, das Aufwachsen in einer bestimmten Gegend oder die Zusammensetzung der eigenen Familie sollten zur Selbstverständlichkeit werden, dürfen dabei aber auch nicht definierende Faktoren sein. Es ist sicher nicht einfach, das sprachlich hinzubekommen, aber ausschlaggebend, um Vielfalt zum "new normal" zu machen.
Quoten können vielleicht helfen, starre Strukturen zu lösen, sich aber mit einer Quotendenke zu begnügen, bedient am Ende bloß die Statistik. Denn wer Haken hinter Menschen setzt, macht sich dann auch nicht mehr die Arbeit, sie aufrichtig zu inkludieren. Deshalb müssen vor allen Dingen Vorbilder her, die Potentiale aufzeigen und glaubwürdig vermitteln, dass Glasdecken durchbrochen werden können. Um solche Vorbilder zu schaffen, bedarf es ganz neuer Mechanismen der Personalförderung und die Reformierung von Bewerbungsprozessen.
Vor allem muss Diversity zu Ende gedacht werden. Viel zu oft werden die Führungsebenen von Unternehmen nicht so streng beäugt, wenn Vielfalt in der Mitte ausreichend gegeben ist. Dabei ist Diversity vor allem ein progressiver Anspruch - und sowas braucht immer den Blick nach ganz oben. Denn dort werden nachhaltig Entscheidungen getroffen, die Unternehmenskulturen und gesellschaftliche Gefüge verändern. Wenn Entscheider*innen weniger divers sind, als die, die Entscheidungen betreffen, wird am Ende bloß an der Oberfläche gekratzt. Gehaltvolle Veränderung aber, muss in die Tiefe gehen.
Diese Herausforderungen zu meistern, wird bestimmen, ob Diversity zum kurzlebigen HR-Trend verkommt oder zum Gesellschaftskonzept werden kann. Dabei geht es um nichts Geringeres als das Versprechen für ein Leistungsprinzip. Es geht um das Gestalten einer Arbeitswelt, in der Fairness zur praktischen Zielsetzung wird. Wenn Leistung zum wichtigsten Bewertungsfaktor wird, dann erst macht das ganze Gerede um Diversity auch wirklich Sinn. Denn im Arbeitsleben wollen Menschen vor allen Dingen eins: daran gemessen werden, was sie wirklich können.