Eduardo Bericat, Soziologie Professor an der Universität von Sevilla, sagt: „Als Menschen können wir das Leben nur emotional wahrnehmen.“

Eduardo Bericat, Soziologie Professor an der Universität von Sevilla, sagt: „Als Menschen können wir das Leben nur emotional wahrnehmen.“


Und ich gebe ihm recht, denn auch wenn viele Menschen immer noch behaupten, dass Sie rein faktenbasiert entscheiden, sich auf die Zahlen verlassen und in ihren Handlungen (im Businesskontext) Emotionen keinen Raum finden, wirken diese doch im Hintergrund.

Faktenbasierte Entscheidungen können z.B. nicht nur auf den reinen Fakten beruhen, sie können auch dem Wunsch nach Sicherheit entspringen (dieser entsteht aus der Emotion der Angst bzw. dem Wunsch nach Ordnung und Stabilität).

Und alleine in der Art, wie Menschen darüber sprechen, wenn es um Emotionen geht und sie diese nicht wahrhaben wollen, zeugt oft schon wieder von einer Emotion (z.B. Verachtung).

Die Auflistung wäre endlos fortzusetzen, doch ich möchte hier nicht belehren oder bekehren, sondern eher Aufmerksamkeit schaffen & Impulse setzen, um zu zeigen, wie hilfreich es sein kann, wenn wir uns mit unseren Emotionen auseinandersetzen - auch im geschäftlichen Umfeld.

Ich selbst bin mit dem Glaubenssatz aufgewachsen, dass Gefühle nicht in die Öffentlichkeit gehören, zumindest nicht die unangenehmen. Sätze wie „Indianer kennt kein Schmerz und was dich nicht tötet, härtet ab,“ sind mir wohl vertraut und haben lange Zeit meine Rolle im Außen geprägt. Und hin und wieder übernehmen sie auch noch heute das Ruder.

Studien haben gezeigt, dass nur sehr wenige Menschen überhaupt in der Lage sind ihre Gefühle „richtig“ zu benennen. Die meisten sagen: „Ich bin traurig, wütend, ängstlich oder glücklich.“

  • Doch was ist mit den Zwischentönen, was mit den Emotionen Scham und Schuld, was mit Interesse, Verachtung und Liebe?
  • Sind wir immer gleich wütend oder eher ärgerlich, verstimmt, aufgebracht?
  • Haben wir wirklich Angst oder sind wir besorgt, zögerlich, in Panik?
  • Gestehen wir uns unsere Schuld ein oder suchen wir lieber nach Schuldigen?

Umso besser wir unsere Emotionen einordnen und damit auch beschreiben können, umso gezielter können wir die Unterstützung erlangen (auch von anderen), die wir wirklich benötigen und umso besser sind wir in der Lage, aufkommende Emotionen bei anderen, im richtigen Maße zu erkennen und benennen.

Studien haben ebenfalls verdeutlicht, dass wenn ich eine Emotion „treffsicher“ benenne, dies schon zu einer Regulation der selbigen führt, denn sie wurde richtig erkannt, nun gilt es das dahinterstehende Bedürfnis zu verstehen und im besten Falle zu befriedigen, denn das ist das Ziel. Sprich das limbische System und der präfrontale Cortex arbeiten zusammen.

Ich denke Sie werden mir recht geben, dass es einen riesigen Unterschied macht, ob ich mir eingestehe, dass ich vor einer Präsentation aufgeregt bin oder wenn ich sage, ich habe Panik vor der Präsentation.

Die Aufregung ist meistens relativ schnell in den Griff zu bekommen, auch für den denkenden Teil unseres Gehirns, der sofort nach Lösungen sucht.

Bei Angst oder Panik wird es schon etwas schwieriger, denn unser Gehirn versteht: „Ich bin in Gefahr“, also setzt es auch die dafür verantwortlichen Stresshormone frei, bringt uns z.B. in eine schnellere Atmung und fördert somit zusätzlich den Status der Angst bzw. der Panik auf körperlicher Ebene. Und schon sitzen wir in unserem Reptil-Hirn fest – der präfrontale Cortex hat sich verabschiedet.

Um bei der Angst zu bleiben und damit bei einer Emotion, die allgemeinhin als Schwäche angesehen wird, obwohl sie für uns überlebensnotwendig ist, besteht bei vielen, die Gefahr die Angst hinter Ärger oder gar Wut zu verstecken, denn Ärger und Wut dürfen wir zeigen.

„Sich mal so richtig Luft machen, das ist schon ok - auch im Job - kommt Ihnen das bekannt vor?“

Doch auf unser System hat das Maskieren der eigentlichen Emotion fatale Auswirkungen, denn die gefühlte Emotion wird weder gesehen, noch das dahinterstehende Bedürfnis erfüllt. Das wiederum führt dazu, dass die maskierte Emotion sich immer lauter bemerkbar macht, teilweise auch auf körperlicher Ebene, so lange, bis sie wahrgenommen wird – hier sprechen wir dann von einer dysfunktionalen Emotion.

Damit nicht genug Schaden angerichtet, wir bekommen leider auch nicht die Unterstützung, die wir eigentlich bräuchten, weder von uns selbst noch von anderen, um die Emotion zu regulieren.

Oder was glauben Sie, welche Resonanz Sie bekommen, wenn Sie wie ein wilder Stier schnaubend durchs Büro toben und welche, wenn Sie zugeben würden, dass Sie sich Sorgen machen oder gar Angst haben?

In vielen Change-Prozessen, werden z.B. die Sorgen und Ängste der Beteiligten nicht gesehen, gehört oder auch nicht geäußert. Wie erfolgreich kann so ein Change wohl langfristig sein?

Ich bin nicht der Ansicht, dass wir unseren Emotionen freien Lauf lassen sollten und es gilt auch nicht, diese als Entschuldigung zu nutzen, sondern es geht darum sie bewusst wahrzunehmen, zu benennen und mitzuteilen – offen und ehrlich, denn so können sie ihre Funktion erfüllen und die dahinterstehenden Bedürfnisse können im besten Falle befriedigt werden.

Und vor allem bleiben sie in ihrer Funktionalität. Sprich der Teil unseres Gehirns, der uns von den Tieren unterscheidet - der präfrontale Cortex, hat noch ein Mitspracherecht und wir werden nicht alleine von unseren Instinkten bzw. dem limbischen System geleitet. Sondern können unsere Gefühle rational, kritisch, und liebevoll betrachten, um Lösungen zu finden - auch gemeinsam.

 

Schönen Sonntag.

Ulrike Parthen

Dein Leben als Roman I in wenigen Wochen von dir geschrieben - ohne Vorkenntnisse, ohne KI, mit meinem intuitiven Drauflos-Prinzip

1 Jahr

Gut, dass du das Thema so präsent bei deinem Wirken ansprichst. Mit einem gesunden Umgang unserer Enotionen steht und fällt alles: Wohlbefinden, Gesundheit, Zufriedenheit

Gerhard Evers

Senior Student, retired CEO and Business Coach

1 Jahr

Zitat: „…der präfrontale Cortex, hat noch ein Mitspracherecht und wir werden nicht alleine von unseren Instinkten bzw. dem limbischen System geleitet. Sondern können unsere Gefühle rational, kritisch, und liebevoll betrachten, um Lösungen zu finden - auch gemeinsam.“ Das sieht zimindestens ein Teil der Neurowissenschaftler inzwischen anders.

Thomas Sonnberger

Emotionen sind der Schlüssel zu Geist und Körper

1 Jahr

Grundsätzlich will unser Körper fühlen. Zum generösen Leben brauchen wir das Körpergefühl, - das ist bei allen Säugetieren auch so. In der Schule setzt man auf das Gegenteil; deshalb der Fachkräftemangel. Wie geht das? Plato hat einmal gesagt, wenn zwei Menschen einen Apfel tauschen, bleibt es einer; wenn sie eine Idee tauschen, werden es zwei. Das setzt Sinn voraus. Jetzt sind wir beim Körpergefühl, die Basis des Lebens, - alle Energie, die wir besitzen entsteht. So einfach ist das, garantiert.

Jörg Schlüter

Gesundheitsmentor & Körperflüsterer - Ich helfe Selbstständigen Ü45, durch ganzheitliches Coaching ihre Vitalität und Lebensfreude zurückzugewinnen. ✅ Schmerzmanagement ✅ Resilienz ✅ Work-Life-Blending

1 Jahr

Iris Görling Dankeschön für Ihren Impuls, der für mich persönlich vor nunmehr 18 Jahren an großer Bedeutung gewann und seither auch mein Tun beeinflusst. Achtsam mit sich und seinen Gefühlen. Seinen Gefühlen Ausdruck verleihen lernen. Üben dies auch in der sogenannten "Öffentlichkeit" zu tun. Für sich Klarheit darüber ent-wickeln wann und mit wem ich meine Gefühle mit-teilen möchte. All dies eröffnet eine individuelle Ent-scheidungs-freiheit und viele Wahlmöglichkeiten. In der gewaltfreien Kommunikation durfte ich die von Ihnen angesprochenen Vielfältigkeit an Gefühlen kennenlernen. Und ich war überwältigt, wie sprachlos wir in dieser Hinsicht aufgewachsen sind. Danke auch für "Ihren Indianer", der bringt mich auch heute noch zum Schmunzeln, denn ich kenne niemanden der ihn einmal kennenlernen durfte.

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