Ego-Management im Schummel-Modus
Der Volkswagen-Skandal unterstreicht mit aller Deutlichkeit, wie angreifbar der industrielle Kern in Deutschland mittlerweile ist. Über die Ursachen können wir lange philosophieren. Gunter Dueck sieht die einem jeden befohlene Sucht in Konzernen, seine Zahlen zu machen: „Angetrieben von der Leistungsgesellschaft manipulieren wir unsere Bilanz: Wir schummeln, schönen und geben an.“
Führungskräfte perfektionieren Methoden der Täuschung, sie bauen Fassaden, basteln an netten Fünfjahres-Verträgen mit horrenden Abfindungssummen, suchen Sündenböcke, wenn mal etwas schief geht, hauen andere in die Pfanne und erfindet für dieses Ego-Management nette Fantasie-Namen wie Reengineering, Shareholder Value-Management oder Scorecard-Leadership-Schnick-Schnack. „Es beginnt das ‚Tower-Denken’ und die Burgmentalität. Die Leistungen des Ganzen werden dadurch nicht besser. Man wird wohl wieder vom verbliebenen Rest die Unterdurchschnittlichen entlassen müssen.“ Eine Todesspirale, schreibt Dueck in seinem Buch „Supramanie – Vom Pflichtmenschen zum Score-Man“. Die Bilanzskandale in einigen großen amerikanischen Firmen waren dafür das erste Leuchtfeuer einer Entwicklung, die auch vor den Toren der „weltweit führenden“ Industrie-Riesen in Deutschland nicht halt macht.
Das „allein richtige“ System
Diese Systeme leben noch mit ihrer Taylorseele, erläutert Dueck. Gemeint ist Frederick Winslow Taylor (1856 bis 1915), der das „Scientific Management" begründete, also der wissenschaftlichen Betriebsführung. Der Taylorismus oder das Taylorsystem studiert und plant die genauen Zeit- und Arbeitsverläufe. Es wird für Arbeiten eine „allein richtige“ Bewegungsfolge gefunden. Die Einhaltung dieser allein richtigen Bewegungsfolge wurde von sogenannten Funktionsmeistern ständig kontrolliert.
Dieses Wissen um die „allein richtigen Bewegungsabläufen“ erscheint in amtlich vorgeschriebener Ziegelstein-Form („allein richtig") in Lehrplänen, Managementkursen, Standardlehrbüchern, e-Learning-CDs. „Wissen wird in Ziegelsteine verwandelt, schön genormt. Das sind die sogenannten Lektionen, Lehreinheiten, Kursmodule. Daraus bauen die Wissensmitarbeiter Mauern für Systeme. Die Menschen müssen die vorgeformten Wissensbausteine schlucken. Sie lernen und pauken und speichern alles auf ihrer Festplatte, wo es abgerufen werden kann, um wirksam zu werden“, führt Dueck aus. So denkt das Taylorhirn. In Wahrheit wird heute aber kein Wissen mehr fertig. Ausführlich nachzulesen in meiner The European-Kolumne.